Mitteilung an die Medien und Einladung zur Pressekonferenz. Zur Lage der Geflüchteten auf dem Sullivan-Gelände in Mannheim.
am Donnerstag, den 26.11.2015, 13.30 Uhr
Alphornstraße 2 a (Mehrgenerationen-Haus), Mannheim-Neckarstadt-West
Auf dem Gelände der früheren Sullivan-Kaserne in Ma-Käfertal-Wald sollen etwa 1900 Asylsuchende untergebracht sein. Es handelt sich hier um eine BEA (Bedarfsorientierte Erstaufnahmestelle), die vom Regierungspräsidium Karlsruhe verwaltet wird.
Hier ist im Auftrag des RP die bundesweit tätige Sicherheitsfirma Ciborius mit Firmensitz in Frankfurt aktiv.
Es gibt keine anderen Organisationen auf dem Gelände, keine Hilfsorganisationen und keine kirchlichen oder sonstigen Organisationen.
Wir haben vor kurzem mit zwanzig dort untergebrachten Flüchtlingen gesprochen.
Sie sind großenteils aus Syrien und haben uns auf gravierende Missstände hinsichtlich der Unterbringung aufmerksam gemacht und uns gebeten diese zusammen mit ihnen auch öffentlich zu machen mit dem Ziel, sie schnellstmöglich abzuschaffen.
Die Flüchtlinge haben uns gegenüber folgende Missstände hervorgehoben:
Unterbringung auf engstem Raum.
Bis zu drei Familien sind in einem Zimmer untergebracht. Manchmal werden auch Einzelpersonen zusammen mit einer Familie in einem Zimmer untergebracht.
Essen
Das Essen ist schlecht, oft ungenießbar. Es wird zweimal am Tage abgepacktes Essen ausgegeben: zum Frühstück und mittags, wobei das Abendessen gleich mit ausgegeben wird. Es besteht Mangel an Babynahrung.
Trinkwasser
Ein Asylsuchender hat selbst gesehen, dass ein Behälter mit Wasser als Trinkwasserbehälter deklariert wurde. Diese Kennzeichnung wurde später vom Gesundheitsamt wieder entfernt, weil das Wasser zum Trinken ungeeignet gewesen sei.
Mangelhafte ärztliche Versorgung
Für die Flüchtlinge gibt es nur einen einzigen Allgemeinmediziner, der täglich lediglich 4 Stunden dort Sprechstunde abhält. Es gibt dort keine Fachärzte. Einer Frau, die im neunten Monat schwanger ist und einen Frauenarzt aufsuchen wollte, wurde dies verwehrt. Begründet wurde dies damit, dass sie noch nicht registriert sei.
Einer anderen Frau, die starke Unterleibsschmerzen hatte, wurde ebenfalls der Besuch eines Frauenarztes verweigert.
Einer dritten Frau, wurde, obwohl sie nachgewiesen herzkrank ist, ebenfalls der Facharztbesuch verweigert. Die Frau fällt oft um und braucht dringend Medikamente.
Diese Frauen sind inzwischen in das Patrik-Henry-Village in Heidelberg verlegt worden.
Einem Mann mit offener Wunde, der direkt aus dem Krankenhaus kam und Nachsorge-Termine verordnet bekommen hatte, wurde ein Arztbesuch verweigert.
Registrierung und Bargeld
Die meisten Bewohner*innen waren zum Zeitpunkt, als sie zu uns kamen und um Rat fragten, noch nicht registriert, obwohl sie schon einen Monat auf dem Gelände lebten. Einige kamen vorher bereits aus einem anderen Lager und sind nun seit 80 Tagen nicht registriert.
Wer nicht registriert ist, erhält überhaupt kein Bargeld, auch kein Taschengeld. Bargeld gibt es nur einmal im Monat.
Mangel an Hygieneartikeln
Es gibt nicht genügend Hygieneartikel, auch zu wenig Windeln für Säuglinge.
Verweigerung des Zutritts von Besucher*innen
Besucher*innenn wird rigoros der Zutritt zum Lager verwehrt, auch wenn sie ihren Ausweis zeigen und sie von Bewohner*innen begleitet werden!
Respektloser Umgang mit den Geflüchteten
Die Asylsuchenden haben oft keine Ansprechpartner außer den Security-Mitarbeitern. Bei Beschwerden kriegen sie manchmal zur Antwort. „Dann sucht euch ein Hotel“ (!) Am 23.11.2015 beschuldigte ein Wachmann während eines Protests gegen die Zustände auf dem Gelände Flüchtlinge, ihn gekickt zu haben, wobei die Polizei ihm keinen Glauben schenkte.
Kleiderausgabe
Kleidung wird willkürlich, ungerecht und oft nicht nach dem jeweiligen Bedarf verteilt.
Unser Besuch im Lager (ehemalige Sullivan-Kaserne) am 24.11.2015
Wir konnten heute mit zwei Stadträten der Partei Die Grünen, zwei Angestellten des Sozialamts und dem für alle Lager in Mannheim zuständigen Vertreter des Regierungspräsidiums Karlsruhe das Lager betreten.
Wir haben auch die angeführten Mängel zur Sprache gebracht. Die Kritik der Geflüchteten an ihrer Unterbringung konnte dabei nicht entkräftet werden.
So haben wir zum Beispiel uns selbst davon überzeugen können, dass in einem Raum von ungefähr 25 qm 12 Stockbetten- also je zwei Betten übereinander – standen! Das ergibt zwei Quadratmeter pro Bewohner.
Die Registrierungen der Geflüchteten sollen inzwischen innerhalb von 10 Tagen durchgeführt werden. Ob dies zutrifft, wissen wir nicht. Uns fiel auf, dass die Menschen im Freien in einer langen Schlange warten mussten, was bei den heute herrschenden Temperatur unter Null Grad eine Zumutung für die Wartenden war!
Die sanitäre Versorgung mit einigen Dixie-Klos und wenigen Behelfs-Duschen war unzureichend.
Die Erschwerung von Besuchen – diese müssen im Regelfall Tage vorher schriftlich angemeldet werden - beschränkt in unnötiger Weise den Alltag der dort Untergebrachten.
Für uns ergibt sich als Fazit:
Die Unterbringung in Lagern ist generell unzumutbar. Dies könnte schnell geändert werden, wenn die zuständigen Behörden nur wollten. Leerer Wohnraum ist ausreichend vorhanden. Die enge Unterbringung ist absolut inakzeptabel. Die Versorgung im Krankheitsfall ist mangelhaft und diskriminierend.
Wir fordern den Zugang der Geflüchteten zu Fachärzten und Kliniken von Anfang an, sobald sie in Deutschland angekommen sind.
Wir haben erfahren, dass das Mannheimer Klinikum das Lager auf Sullivan für die Unterbringung von Familien mit Kindern für ungeeignet hält und dies bereits dem RP mitgeteilt hat.
Die betroffenen Geflüchteten sollten in die Organisation ihres Alltags einbezogen werden. Sie sind Menschen und keine Sachen. Übertriebene Kontrolle und Erschwerung von Kontakten nach draußen mit der Mehrheitsbevölkerung entmündigt die Geflüchteten, verstärkt ihre Isolation und stigmatisiert sie.
Diese Art von Unterbringung ermuntert Rassisten und Faschisten aller Couleur zu Übergriffen, wenn nicht dort, dann anderswo. Die Sicherheit der Betroffenen Geflüchteten wird durch die Unterbringung in einem Lager keineswegs gefördert, eher wird das Gegenteil bewirkt.
Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim
Mannheim, den 24-11-2015