„Es gibt antisemitischen Gestank“

Erstveröffentlicht: 
02.11.2015

Küf Kaufmann, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde, zu Legida, Angst und Übergriffen

 

Mit dem Aufkommen der Pegida-Bewegung in Sachsen ist das politische Klima im Freistaat deutlich fremdenfeindlicher geworden. Küf Kaufmann (68), Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig und Mitglied im Präsidium des Zentralrates der Juden in Deutschland, beobachtet das mit Sorge.

 

Seit einigen Monaten werden – auch in Leipzig bei Legida-Aufzügen – immer radikalere Parolen laut. Erleben Sie verstärkt antisemitische Strömungen?


Da befinde ich mich in einer schwierigen Situation. Einerseits weiß ich aus offizieller Statistik ganz genau, dass mindestens 20 Prozent der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland antisemitisch eingestellt sind. Inwieweit Leipzig davon betroffen ist, darüber gibt es keine Sta-tistik. Es gibt einen antisemitischen Gestank, den man ab und zu spürt, aber ich werde vermeiden, diesen Gestank als Strömung zu betiteln.


Müssen sich Menschen jüdischen Glaubens inzwischen davor hüten, als Juden erkannt zu werden? Gibt es Übergriffe?


Wenn jemand als Leipziger mit jüdischem Glauben einen Übergriff erlebt hat, dann wäre es mir bekannt. Bis heute – Gott sei Dank – hat niemand mir so etwas gemeldet. Ob jüdische Menschen sich verstecken müssen? Die Geschichte hat uns gezwungen zu lernen, vorsichtig zu sein. Und wir bleiben vorsichtig, leider.

 

Die Synagoge in der Keilstraße musste eine Zeit lang rund um die Uhr von Polizisten geschützt werden. Ist das wieder nötig?


Mir gefällt es nicht, wenn die Synagogen oder andere jüdische Einrichtungen wie Festungen aussehen. Es ist peinlich – und zwar peinlich für die heutige deutsche Gesellschaft. Aber wir leben heutzutage in einer total unsicheren Welt. Da muss man bestimmte Maßnahmen ergreifen, um Sicherheit zu gewährleisten.


Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, Max Privorozki, erzählte jetzt, dass die Gemeinde steigende Ausgaben für Sicherheitsvorkehrungen hat. Trifft dies auch auf Ihre Leipziger Religionsgemeinde zu?

 

Ach, ich beneide Max Privorozki, dass er die Möglichkeit hat, die Ausgaben für Sicherheitsvorkehrungen steigen zu lassen. Unser Budget erlaubt dies nicht.

 

In diesem Jahr wurde in Leipzig zum zehnten Mal die Jüdische Woche ausgerichtet. Inwieweit tragen die Veranstaltungen dazu bei, dass ein besseres Verständnis für die jüdische Kultur und Tradition entsteht? Sind sie geeignet, dem Antisemitismus ein Gegengewicht entgegen-zusetzen?

 

Die Jüdische Woche „Schalom“ war ein buntes und fröhliches Kulturfestival. Mitgestaltet von mehreren Leipziger Institutionen, Vereinen, Theatern, Museen und vielen Bürgern. Wir schauen zusammen optimistisch in die Zukunft, aber wir sehen nicht nur durch die „rosarote Brille“. Die heutige Gesellschaft wird mit vielen Problemen konfrontiert. Antisemitismus ist eins von mehreren. Unsere Jüdische Woche ist ein klares Wort auf dem Weg zur Normalität.


Interview: Jörg Aberger