Am vergangenen Mittwoch, den 28. [Oktober], wurden wir zu neunt im Rahmen einer neuen anti-terroristischen Operation festgenommen, welche von der Abteilung Aufklärung der Mossos d'Esquadra mit Genehmigung des 3. Strafgerichts der spanischen Audiencia Nacional geleitet wurde. Nach der Hausdurchsuchung – dem Ausplündern unserer Wohnungen, wie auch des libertären Zentrums von Sants [cat. Ateneo Libertario de Sants], wurden wir zu verschiedenen Polizeiwachen im Umkreis von Barcelona gebracht, und am darauffolgenden Tag für unsere Verlegung nach Madrid dann an die Guardia Civil überstellt. Am Freitagmittag wurden wir dem Richter Juan Pablo Gonzalez Gonzalez vorgeführt, der für zwei von uns die Entlassung unter Auflagen, Haftverschonung gegen Kaution für sechs und Untersuchungshaft für den Gefährten, der sich momentan in Soto del Real befindet, anordnete.
Als Gesamtheit der Festgenommen, die sich zurzeit auf der Straße befinden, wollen wir gemeinsam einige Reflexionen und politische Positionen öffentlich machen:
Der zugrundlegende Tatvorwurf für die neun ist die „Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung mit terroristischen Zielen“. Konkret werfen Sie uns die Zugehörigkeit zur Vereinigung „GAC-FAI-FRI“ vor, bei dem es sich, wie allgemein bekannt ist, um ein Konstrukt der Polizeibehörden handelt, eine Vereinigung von Initialen, in denen absichtlich und wohl kalkuliert Räume der Koordination zwischen Kollektiven (GAC) mit der „Unterschrift“ vermischt werden, die auf internationalem Niveau einige Gruppen für Bekennerschreiben im Rahmen von Sabotageaktionen benutzen (FAI-FRI).
Das Konstrukt dieser Organisationsrahmens ermöglicht der Polizei alle Repressionsmittel anzuwenden, die die Anti-Terror-Apparatur bereithält: Ausnahmegerichte, größere Rechtsunsicherheit, wesentliche härtere Strafen für Gefährt_innen, die wegen der Begehung bestimmter Taten verurteilt werden, Festnahmen ohne richterlichen Beschluss, besondere Haftbedingungen, freundschaftliche und solidarische Beziehungen werden als Delikte aufgefasst, Medienhetze, soziale Stigmatisierung, etc. . Es bleibt zu sagen dass wir während des gesamten Prozesses der Festnahmen – von dem Moment an, in dem wir unsere Wohnungen eingerannt und ausgeplündert sahen bis wir zum Richter vorgeführt wurden – nie wirklich sicher gewusst haben, was sie uns vorwerfen.
Mit der Zusammenstellung der Initialen GAC-FAI-FRI haben sich die Ermittlungsbehörden ein Netz konstruiert, mit der sie potentiell alles abfischen können, was sich innerhalb des anarchistischen und anti-autoritären Umfeldes bewegt. Im Kontext mit diesem neuen Organisationsrahmens genügt es Teil ihrer schwarzen Liste zu werden, Diskussionsveranstaltungen mit vorzubereiten, an Treffen teilzunehmen, inhaftierte Gefährt_innen zu besuchen oder auch einfach nur in Kontakt mit einer Person zu stehen, die der Zugehörigkeit zu dieser Organisation verdächtigt wird. Es ist diese ungenaue und extensive Begriffsbestimmung, die der Strategie des Anti-Terrorismus ihre Stärke verleiht: Nach jeder Repressionswelle, machten sich alle diejenigen, die sich mit den Festgenommen solidarisch zeigten, selbst anfällig dafür als Mitglieder der Organisation betrachtet und dafür verhaftet zu werden, und so geht es nach und nach weiter.
Das Konzept der terroristischen Vereinigung ist dazu konzipiert, kontinuierlich ausgeweitet zu werden, vielleicht mit der Erwartung das der Moment kommen wird, an dem das als gefährlich angesehene Umfeld letztendlich isoliert und von der repressiven Dynamik erstickt wird, oder dass die Fähigkeit dieses Umfeldes politisch zu handeln so sehr verschmälert wird, dass es nicht mehr lohnenswert ist, weiterhin gegen es Schläge auszuführen. Die Tatsache dass diese neue Operation den eigenen Erklärungen der Mossos widerspricht (die bekanntgaben, dass die Sektion Barcelona der GAC-FAI-FRI bereits zerschlagen gewesen sei) überrascht uns nicht, weil die terroristische Vereinigung durch die Polizeiaktion selbst konstruiert, modifiziert und verstärkt wurde, und nicht andersherum. Der „Kampf gegen den Terrorismus“ erschafft den Terrorismus, in der gleichen Weise wie das Gesetz die Straftat schafft.
Der Versuch die Existenz einer anarchistischen Terrororganisation zu etablieren erscheint dennoch als ein qualitativer Sprung in der Repressionsstrategie gegen die Kämpfe, ein Sprung, der von niemandem unbemerkt bleiben sollte und der eine tiefgehende Analyse innerhalb der Bewegung erfordert.
Wir betrachten die Innenverwaltung der Generalitat [cat.: Conselleria d’Interior de la Generalitat] und im Besonderen die Abteilung Aufklärung der Mossos de Esquadra [cat.: Comissaria General d'Informació del CME] als unmittelbar verantwortlich für diese jüngste repressive Aggression. Der Versuch, den Ball nach Draußen zu werfen, in dem die Mossos Ihre Rolle darauf beschränken wollten nur Befehle aus Madrid auszuführen, sind nur ein feiger und schäbiger Versuch die Verantwortung abzustreiten und ihre Verstrickung in diese Taten zu verschleiern, während sie die von der Audiencia Nacional gebilligte Operation vorangetrieben und bis ins letzte Detail geplant haben.
In diesem Sinne, seht wie die katalanische Regierung katalanische Jugendliche an Gericht, Gefängnisse und Repressionsorgane ausliefert, Nachfolger des spanischen Franquismus, dies liefert uns ein sehr genaues Bild was die reale Basis des sogenannten „Unabhängigkeitsprozesses“ bildet und lässt den perversen Gehalt der diesen umgebenden Rhetorik von Befreiung deutlich werden. Die Wahrheit ist, dass seit geraumer Zeit die Regierung das katalanische anarchistische und anti-autoritäre Umfeld als zu bekämpfenden Feind ausgemacht hat, und das Verfahren Pandora hat keinen anderen Zweck, als sich diesem Ziel anzunähern. Sie geht gegen den Anarchismus nicht wegen dessen abstrakter Ideen vor, sondern für das, was er in der Praxis gewesen war, schon ist, und noch sein könnte: Eine Minderheit von Revolutionären, die nicht daran zweifelt, dass System und seine unterdrückenden und korrupten Fundamente herauszufordern, die diejenigen, die sie umgeben dazu ermutigen zu rebellieren, und die widersteht, sich von den Kanälen der politischen Integration verführen zu lassen, wie sie der demokratische und liberale Kapitalismus bietet.
Während der letzten Phase der Kämpfe, die aus der weltweiten Finanzkrise und Sparpolitiken, die alle Last der Anpassungsmaßnahmen auf den Rücken der Ausgebeuteten legten, hervorgingen, hat sich in Katalonien ein Feld der Antwort darauf aufgemacht, innerhalb dessen insbesondere die revolutionären Kräfte ein störendes Element für das neoliberale Projekt der katalanischen Regierung darstellten. Mit allen unseren Grenzen, Fehlern und Widersprüchen, haben wir während dieser letzten Jahre dafür gestritten, uns den Angriffen auf die Lebensbedingungen Aller (im Kontext der Lohnarbeit, des Wohnens, des Gesundheitssystems, etc.) entgegenzustellen; wir haben eine grundlegende Analyse der Krise verbreitet, die aufzeigt, dass das Problem nicht ein Teil des Systems ist, sondern das System an sich; wir haben Räume und Netzwerke geschaffen, um unsere Probleme und Bedürfnisse auf solidarische und unterstützende Weise zu lösen, bzw. zu befriedigen, selbstverwaltete Strukturen als Antwort auf die Institutionen und ihre paternalistischen und fürsorgenden Dynamiken; wir haben, an der Seite tausender anderer Menschen, die Streiks nach vorne gebracht, die die Stadt in der Verteidigung unserer Interessen als Arbeiter_innen entflammt haben; wir haben Barrikaden gegen die Räumung sozialer Stadtteilzentren errichtet; wir sind auf die Straße gegangen um gegen den Femizid anzugehen, um die Ausbeutung der Frauen in der Sphäre der Reproduktion sichtbar zu machen, wie auch die Arbeit der Priester, um die Abtreibungsgesetze zu missachten, die dazu dienen, unserer Körper und Leben zu kontrollieren; wir haben das Schweigen im Kontext der Polizeigewalt und –morde gebrochen, wir auch im Zusammenhang mit rassistischer Verfolgung, der Abschiebungsmaschinerie, den Abschiebeknästen [CIE], den Knästen, und, nicht zu vergessen, wir haben nicht unterlassen die letztlich Verantwortlichen für unsere Misere anzuklagen, die Staaten, die Arbeitgeber und die lokalen und internationalen Finanzeliten.
All Dieses ist, was wir sind, all Dieses beabsichtigen sie zu zerstören. Das politische Ziel dieser Repressionswellen ist kein anderes, als Angst und Hoffnungslosigkeit zu verbreiten, um einige befriedete soziale Bewegungen zurückzubehalten, unfähig sich zu widersetzen und mit den Spielregeln zu brechen, die die Herrschaft bereithält um sich selbst zu reproduzieren. Daher kommt die Repression gegen Anarchisten, Kommunisten, Independentisten, die Generalstreikenden des 29 März, die Angeklagten von Can Vies, die Angeklagten für die Aktion zur Belagerung des Parlaments… Das System versucht nicht unsere Schuld zu beweisen, sondern vielmehr seine Unschuld herauszustellen: Es möchte sich selbst die Absolution erteilen für den Weg des Delegitimierens, Isolierens und Neutralisierens all derjenigen, die es Anklagen und ihm die Stirn bieten.
Die solidarische Antwort auf unsere Festnahmen zeigt uns, dass unsere Feinde immer noch weit davon entfernt sind ihre Ziele zu erreichen. Wir möchten uns bedanken und begrüßen alle und jede einzelne der in diesen Tagen geäußerten Solidaritätsbekundungen. Die Demonstrationen, Kundgebungen, die Aktionen, die Gesten der Zuneigung und Unterstützung, die finanzielle Hilfe.. Die enorme Unterstützung die wir erhalten haben hat einen für uns nicht aufzurechnenden Wert, einen Wert, der mit großem Abstand die schlechte Behandlung ausgleicht, die diese gering erscheinen lässt, bis hin diese lächerlich zu machen. Wir glauben nicht an ihre Gesetze, und auch nicht an die Garantien, die diese uns bieten: Unsere einzige Verteidigung, unsere einzige Garantie ist die solidarische Antwort auf der Straße. Die massive Zurschaustellung der Unterstützung, die Ihr uns geboten habt, und die wir zuvor unseren während der vorausgegangenen Operationen gefangengenommenen Schwestern geboten haben, beweist das Scheitern der Strategie des Anti-Terrorismus darin uns über die Verbreitung von Angst zu isolieren.
Jetzt sind wir auf der Straße, aber nur unter Auflagen. Einer von uns, Quique, bleibt weiterhin im Gefängnis Soto de Real inhaftiert. Gerade deshalb darf die Solidarität nicht nur nicht nachlassen, sondern muss ausgeweitet werden. Wir rufen dazu auf den Kampf auf der Straße für seine Freilassung zu verstärken, dazu auf, dass alle und jede einzelne Gefährtin ihm mindestens ein Karte schickt und dazu mit Kraft alle Mobilisierungen zu unterstützen, die zu seiner Unterstützung geplant werden, genauso wie sehr aufmerksam den Informationen und Erklärungen derjenigen Kollektive, bei denen beteiligt sind: Acció Llibertària de Sants [Libertäre Aktion Sants] und Sindicato de Oficios Varios de la CNT-AIT de Barcelona [Berufsspartenübergreifende Gewerkschaftssektion der CNT-AIT von Barcelona].
Wir werden ihn niemals alleine lassen, nicht ihn, nicht Mónica, nicht Francisco, nicht den Rest der inhaftierten Gefährt_innen. Keine Verhaftungen, keine Prozesse, keine Knäste können unsere Bänder der Solidarität oder unsere politische Überzeugung zerstören. Für uns waren die dreckigen Zellen in denen wir die letzten Tage verbracht haben immer noch mit mehr Würde behaftete Orte, als die luxuriösen Büros von denen aus sie das Elend Aller verwalten.
Kein einziger Schritt zurück!
Der Kampf ist der einzige Weg!
Festgenommene der letzten Phase der Operación Pandora, die sich momentan auf der Straße befinden