Wie soll ASSE II gesichert werden?

foto: http://www.endlager-asse.de/
Erstveröffentlicht: 
15.01.2010

 Heute (Freitag) stellte das Bundesamt für Strahlenschutz das lang erwartete Konzept zur Schließung des Endlagers ASSE II vor: In dem Gutachten spricht sich der Asse-Betreiber für die Rückholung des Atommülls aus.

 


Die Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlage Asse II ist nach jetzigem Kenntnisstand die beste Variante beim weiteren Umgang mit den dort eingelagerten radioaktiven Abfällen. Dies ist das Ergebnis des Optionenvergleichs zur Schließung der Asse. „Wir stehen nicht nur vor einer großen wissenschaftlich-technischen Herausforderung, sondern wir werden den Weg zu einer dauerhaften Sicherheit nur zusammen mit den Menschen vor Ort gehen können“, sagte der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, heute in Hannover bei der Vorstellung des Ergebnisses. Untersucht wurden neben der Rückholung auch die Vollverfüllung der Schachtanlage sowie die Umlagerung der Abfälle in tiefere Schichten der Asse. Bei der Rückholung der Abfälle kann nach derzeitigem Kenntnisstand ein Langzeitsicherheitsnachweis erbracht werden.

Bei den Untersuchungen der Optionen mussten drei besondere Herausforderungen berücksichtigt werden:

* Aufgrund des instabilen Zustands des Bergwerks steht für jede Lösung voraussichtlich nur ein eng begrenztes Zeitfenster zur Verfügung.

* Die Umstände der Einlagerung der radioaktiven Abfälle in den 1960er und -70er Jahren haben dazu geführt, dass über das tatsächlich eingelagerte radioaktive Inventar und den Zustand der Behälter und Gebinde unzureichende Kenntnisse vorliegen.

* Die nur schwer vorhersehbare Entwicklung des Zustands der Schachtanlage, in die täglich rund 12.000 Liter Salzlösung eindringen, erschwert den atomrechtlich notwendigen Nachweis der Langzeitsicherheit.

Alle drei Schließungsoptionen sind anhand vorher festgelegter Beurteilungsfelder und Kriterien bewertet worden.

Das BfS zieht aus den Untersuchungen den Schluss, dass auf Basis des heutigen Wissenstands die vollständige Rückholung der Abfälle aus der Asse anzustreben ist.

Jedoch: keine Variante ist optimal

 

Gegen die Vollverfüllung spricht nach Ansicht des BfS, dass für diese Schließungsvariante derzeit nicht gesagt werden kann, ob ein Langzeitsicherheitsnachweis gelingt. Bei der Umlagerung der Abfälle besteht zudem das Risiko, keinen geeigneten Einlagerungsbereich zu finden. Außerdem dauert diese Stilllegungsoption weitaus am längsten.

"Keine der drei Varianten ist optimal, alle bergen Unsicherheiten für die Realisierung. Zumal ist die Standfestigkeit des Bergwerks nicht vorhersagbar", so das BfS in seiner heutigen Erklärung weiter. Für den Fall eines enormen Anstiegs des Wasserzuflusses bereitet das BfS deshalb Notfallmaßnahmen vor. Wenn die eingelagerten Abfälle in einem deutlich schlechteren Zustand als erwartet wären, würde dies bei der Bergung zu einer unvertretbaren Strahlenbelastung der Beschäftigten führen, oder zu Zeiten für die Rückholung, die vor dem Hintergrund der Gefährdungslage nicht verantwortet werden können. In diesem Fall müsste die Präferenz der Rückholung neu bewertet werden. Weil aber die Langzeitsicherheit - und damit die Sicherheit für spätere Generationen - von herausgehobener Bedeutung ist und derzeit nur durch die Rückholung gewährleistet werden kann, wurde diese Option als beste Variante ermittelt.

In folgenden Schritten soll das Rückholverfahren organisiert werden:

1. Die Planungen zur Rückholung sind bis zur Ausführungsreife zu vollenden.

2. Durch Faktenerhebung aus den Einlagerungskammern sind umfassende Möglichkeiten zur systematischen Evaluierung der oben aufgeführten kritischen Unsicherheiten zu schaffen.

3. Parallel hierzu sind alle technisch möglichen Maßnahmen zur Stabilisierung des Grubengebäudes fortzuführen.

4. Gleichzeitig sind die Notfallmaßnahmen zu einer Begrenzung der Auswirkungen eines unbeherrschbaren Lösungszutritts zu treffen. Dies sollte eine Ermittlung ihrer Konsequenzen für die Langzeitsicherheit einschließen.

Um die bestehenden Unsicherheiten so schnell wie möglich zu klären, wird das BfS in Kürze ein Konzept für das weitere Vorgehen zur Öffnung der Kammern und zur Untersuchung der Abfallgebinde vorlegen.

Um die Öffentlichkeit weitestgehend über das Verfahren in der Asse zu informieren, hat das BfS eine eigene Internetseite (www.endlager-asse.de)eingerichtet. In einem interaktiven Bildschirmversion lassen sich dort die Schritte zur Entscheidung über die verschiedenen Sanierungsoptionen nachvollziehen. Hintergrunddossiers über die Geschichte der Asse, welcher Atommüll dort eingelagert ist oder aktuelle Meßwerte der Umgebungsüberwachung sind ebenso auf der Internetseite publiziert wie Hinweise auf öffentliche Veranstaltungen.

Auch Röttgen für Rückholung

 

Nach Medienberichten will auch Bundesumweltminister den Atommüll aus dem stillgelegten Bergwerk holen. Allerdings wolle er "zunächst einige Probegebinde untersuchen lassen", bevor er eine endgültige Entscheidung treffe, so der Minister laut Medienberichten.

Für diese Haltung dürfte der Bundesminister die Unterstützung des Bundes für Umweltschutz Deutschland (BUND) haben, der bereits am Vortage in einer Presseerklärung vor einer voreiligen Entscheidung warnte. "Die bisherigen Erkenntnisse über das eingelagerte radioaktive Inventar in dem ehemaligen Bergwerk und über den Zustand des Salzstocks lassen die Entscheidung für eine der drei untersuchten Schließungsvarianten nicht zu. Der Vergleich der verschiedenen Optionen zeigt vor allem, dass alle diskutierten Varianten große Probleme mit sich brächten. Um mögliche Risiken für die Anwohner in der Region um Wolfenbüttel und für die Umwelt zu minimieren, sind weitere Untersuchungen erforderlich", so der BUND in einer Presseerklärung.

GRÜNE begrüßen Grundsatzentscheidung zur Rückholung von Asse Atommüll

 

Als "Menetekel für die Zukunft der Atomkraft" bezeichnete der Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen Stefan Wenzel das Votum des Bundesamtes für Strahlenschutz zur Rückholung des Atommülls aus der Asse. Der Grünen-Politiker forderte, den Müll vollständig aus der Asse zu entfernen. "Die zentrale Botschaft lautet: die Rückholung ist notwendig und machbar." Dabei müssten höchste Sicherheitsstandards eingehalten werden.

Die als Versuchsendlager für Gorleben eingerichtete Asse sei über viele Jahre die billige Müllkippe der Atomindustrie gewesen. Deshalb müssten Verursacher und Anlieferer des Mülls auch für die Kosten haftbar gemacht werden. Der einfachste Weg zu einer Umlage der Kosten sei eine Brennelementesteuer auf die abgebrannten Brennelemente der Atomindustrie. Bislang bekannte Zahlen zeigen, dass mehr als 70 Prozent des Mülls aus abgebrannten Brennelementen.

BI befürchtete Schlimmeres - und bleibt skeptisch

 

"Das BfS tritt die Flucht nach vorn an", kommentiert die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI). Das Einbetonieren und die Flutung der Deponie würden mittel- und langfristig zu einer Kontamination des Grundwassers führen. "Das lässt sich nicht mehr wegdiskutieren." Die favorisierte Auslagerung werfe hingegen viele Fragen auf: Der Zustand der Fässer, das radioaktive Inventar und damit die Strahlenbelastung der Beschäftigten bei der Auslagerung seien ebenso wenig klar wie die Frage, wohin letztlich mit dem Müll. Die "ad-hoc Gruppe Asse" der Entsorgungskommission und der Strahlenschutzkommission hatte vor knapp 14 Tagen dem Bundesumweltministerium ausdrücklich weitere Forschungsschritte in der Asse empfohlen, bevor eine Entscheidung getroffen werden könne, und warnt vor übereilten Maßnahmen.

"Das BfS aber drückt aufs Tempo, statt die Fragen abzuarbeiten. Das Amt tritt mit diesem Vorschlag als Türöffner für die Inbetriebnahme des Schachts Konrads auf. Plutonium-kontaminierte Abfälle warten am Ende auf ein Endlager Gorleben und die Kritiker der verfahrenen Atommüllpolitik sollen ins Abseits gedrängt werden," warnt die BI.

Angesichts dieses Dilemmas stehe der Ausstieg aus der Atomkraft drängender auf der Tagesordnung als die  Akzeptanzbeschaffung für andere Lagerstätten.

Greenpeace - "Alles raus aus der Asse"

 

Greenpeace dagegen spricht sich eindeutig für die vollständige Rückholung der maroden Fässer aus. "Nur wenn die Fässer zurückgeholt werden, lässt sich die Gefahr für Umwelt und Menschen dauerhaft beheben. Nur so lässt sich verhindern, dass radioaktive Strahlung austritt und das Grundwasser kontaminiert. Das marode Endlager Asse ist eine Bombe, an der die Lunte bereits brennt", sagt Heinz Smital, Atomphysiker von Greenpeace. "Niemand weiß genau, welcher Atommüll in der Asse lagert und wie viel. Klar ist aber, dass die Asse mit Wasser vollläuft und die lecken Atommüllfässer früher oder später das Trinkwasser in der Region radioaktiv verseuchen werden. Daher gibt es zur Bergung des gesamten Mülls keine Alternative."

Für die Rückholung muss nach Ansicht von Greenpeace höchste Sicherheitsstufe gelten. Strahlendes Material darf Arbeiter und Anwohner nicht gefährden. Zudem müssen zwei neue Anlagen gebaut werden. Eine Konditionierungsanlage zur Neuverpackung der Abfälle und ein Zwischenlager. Eine Endlagerung des Atommülls in der Eisenerzgrube Schacht Konrad - wie vom Bundesamt vorgeschlagen - kommt für Greenpeace nicht in Betracht.