"Leipzig hat ein massives Problem mit linksextremistisch motivierter Gewalt. Die Gewaltchronik 2015 belegt dies nachdrücklich", findet die CDU-Fraktion und beantragt jetzt im Stadtrat ein "Strategiekonzept gegen linksextremistisch motivierte Gewalt" in Leipzig. Das war in der Stadtratssitzung am 21. Mai schon einmal Thema. Aber der CDU ist das nicht genug.
„Dieses Problem kann und darf nicht länger verniedlicht und weggeredet werden, wie es etwa noch in der Ratssitzung am 21. Mai 2014 geschehen ist“, heißt es nun in der durchaus geharnischt formulierten Vorlage, in der sich die Christdemokraten auf die Strategie der Stadt gegen den Rechtsextremismus berufen: „Der Stadtrat hat sich nicht zuletzt mit dem Beschluss zur Kommunalen Gesamtstrategie ‚Leipzig. Orte der Vielfalt‘ klar zur Bekämpfung rechtsextremer Gewalt bekannt. Das ist gut so, muss aber endlich auch durch ein ebenso klares Bekenntnis gegen linksextremistisch motivierte Gewalt ergänzt werden.“
Ist das überhaupt „links“ oder gar „linksextremistisch“, was die CDU-Fraktion da auflistet von den Angriffen auf die Connewitzer Polizeiwache bis hin zur Farbbeutel-und-Steine-Attacke aufs Bundesverwaltungsgericht? Eine Frage, die nicht ganz unwichtig ist, wenn man Präventions- und Aussteigerprogramme für die Beteiligten schnüren will. Denn darum geht es der CDU-Fraktion: „Da linksextremistisch motivierte Gewalt für die Stadt Leipzig mit ihren spezifischen Bedingungen eines der wichtigsten sicherheitspolitischen und kriminalpräventiven Handlungsfelder ist (anders als etwa im ländlichen Raum), sehen wir logischerweise den Kommunalen Präventionsrat mit seinem gebündelten Sachverstand in der federführenden Rolle“, heißt es jetzt im Antrag der CDU-Fraktion dazu. „Wesentliche Elemente der so zu erarbeitenden Strategie sind aus unserer Sicht sowohl die Prävention als auch die Ermunterung zum Ausstieg aus linksextremistischen Strukturen und die Resozialisierung von Aussteigern.“
Was eigentlich den Knackpunkt benennt: Sind es wirklich – wie im rechtsextremen Spektrum – auch tatsächlich „linksextremistische Strukturen“, aus denen den Betroffenen der Ausstieg bereitet werden soll? Es deutet Vieles darauf hin, dass dem im Gegensatz zu den rechtsextremen Netzwerken in Sachsen nicht so ist, dass die Bezüge eher lose sind und die Mittäter in der Regel auch kein geschlossenes Weltbild haben, wie das bei den Rechtsextremen im Land typisch ist. Denn wenn das alles so nicht ist, sind auch die Ansatzpunkte dafür, diese Leute zu „resozialisieren“, schwieriger zu finden.
Die CDU-Fraktion verweist dabei auf das aktuelle Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit seinem Programmteil „Modellprojekte zur Radikalisierungsprävention“. „Diese Modellprojekte richten sich gegen Rechtsextremismus/Ultranationalismus und Islamismus/Salafismus, aber auch gegen ‚gewaltorientierte und demokratiefeindliche Erscheinungsformen linker Militanz‘.“
Zum Präventionsansatz heißt es da auf der Projektseite selbst: „Die Projekte setzen in konfliktbelasteten Sozialräumen an und entwickeln Strategien der Auseinandersetzung mit dem Ziel einer konstruktiven, demokratisch ausgerichteten Bearbeitung der Problem- und Konfliktlagen. Entsprechend der unterschiedlichen gesellschaftlichen Verbreitung der genannten Phänomene sowie den verschiedenen Ausprägungen, Wechselwirkungen und Ursachen von Radikalisierungsprozessen bei jungen Menschen sollen die Modellprojekte heterogene Zugänge, verschiedene sozialräumliche Ansätze sowie unterschiedliche Deeskalations- und Distanzierungsstrategien erproben.“
„Unter Federführung des Kommunalen Präventionsrates und in enger Abstimmung mit der Polizeidirektion Leipzig wird ein Strategiekonzept gegen linksextremistisch motivierte Gewalt erarbeitet, mit geeigneten Maßnahmen untersetzt und schrittweise umgesetzt“, heißt es nun in der Vorlage der CDU-Fraktion. „Darin enthalten sind insbesondere ein Präventionsprogramm und ein Aussteigerprogramm.“
Was schwierig wird. Denn in den Leitlinien zum Bundesprojekt ist eindeutig nicht von Linksextremismus oder der von der CDU-Fraktion formulierten „linksextremistisch motivierten Gewalt“ die Rede, sondern von „linker Militanz“. Es geht dabei schlicht auch um völlig unterschiedliche Organisationsstrukturen. Und zumindest im BFSFJ ist man sich dessen bewusst, dass man es hier – anders als bei rechtsextremem Netzwerken – mit eher heterogenen Strukturen zu tun hat: „Formen linker Militanz existieren in unterschiedlichen Bereichen (Antifaschismus, Antikapitalismus) oder als jugendkulturelle Ausdrucksform. Die Ursachen von Militanz können dabei ein Ausdruck von radikaler Systemopposition und Demokratiefeindschaft, die Folge eskalierender Konflikte zwischen politischen Gruppen, die Folge eines situativ eskalierenden Protestgeschehen auf Demonstrationen, oder auch – losgelöst von politischen Zielen – ein Attraktivitätsmoment für die Teilnahme an Protestereignissen sein.“
Vielleicht sollte man da auch auf Stadtratsebene erst einmal anfangen zu verstehen, womit man es da eigentlich zu tun hat. Aber schaden kann es nicht, endlich einmal ein paar funktionierende Kommunikationsstrategien aufzubauen. Denn übereinander wird in Leipzig viel geredet, miteinander in diesem Fall eher selten.