Justizminister Gemkow spricht von Verrohung der Demonstrationskultur

Erstveröffentlicht: 
14.10.2015

Drohung mit Galgen am Montagabend bei Pegida in Dresden / Staatsanwaltschaft ermittelt

 

VON JüRGEN KOCHINKE UND CHRISTOPH SPRINGER


Dresden. Schon seit Wochen ist Pegida immer wieder für Negativschlagzeilen gut. Erst waren es verbale Attacken auf Politiker, dann Faustschläge sowie Fußtritte gegen Journalisten, und nun steht ein neuer Höhepunkt des Trauerspiels an. Dabei geht es um jene beim Pegida-Aufmarsch am Montag in Dresden aus Holzlatten zusammengebastelte Galgen-Attrappe - garniert mit zwei Namen: "Reserviert - Angela "Mutti" Merkel" und "Reserviert - Siegmar "das Pack" Gabriel". Gemeint waren damit natürlich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), wobei der Vorname des SPD-Chefs auch noch falsch geschrieben war. Neben der Tatsache, dass diese erneute Grenzüberschreitung der angeblich "besorgten Bürger" nun ein juristisches Nachspiel haben wird, sorgt es für weitere Empörung.


Das gilt bundesweit, aber nicht zuletzt auch für Sachsen. Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) sieht in dem präsentierten Galgen für Politiker einen neuen Höhepunkt in der Verrohung der Demonstrationskultur. Eine "weitere Eskalation von Sprache und Gestus auf den Demonstrationen" sei brandgefährlich, sagte er. Die politische Debatte müsse auf dem Boden von Recht und Gesetz bleiben. "Wo am Anfang Worte stehen, kommt es am Ende schnell zu Entmenschlichung und Gewalt gegen Andersdenkende." Und SPD-Fraktionsvize Henning Homann meinte: "Meinungs- und Versammlungsfreiheit bedeutet nicht, dass man unbehelligt öffentlich zu Straftaten auffordern kann." Das sei auf kriminelle Weise demokratiefeindlich. "Wer hier nicht klar dagegen hält, unterstützt Pegida dabei, die moralischen Grenzen nach rechtsaußen zu verschieben", so Homann. Ähnlich äußerten sich Spitzenvertreter anderer Parteien, auch die AfD ging auf Distanz.


Nun aber ermittelt die Staatsanwaltschaft Dresden, allerdings noch gegen Unbekannt. Dabei geht es um den Verdacht der Störung des öffentlichen Friedens. Dass der Träger des Galgens noch nicht bekannt ist, liegt daran, dass die Polizei die Attrappe bei der Kundgebung nicht wahrgenommen hatte - teilte sie jedenfalls gestern auf Anfrage mit. Deshalb seien auch keine Personalien erfasst worden. Grund dafür seien die schlechte Sicht wegen der Dunkelheit, die relativ geringe Größe des Galgens sowie die vielen Menschen auf der Straße. Erst nach dem Ende der Veranstaltung seien sie durch Bilder darauf aufmerksam geworden und hätten die Staatsanwaltschaft kontaktiert.


Für das Image der Stadt, aber auch die gesamte Region ist das alles andere als förderlich. Schon seit längerem steht Sachsen bundesweit gewissermaßen unter Beobachtung. War das in früheren Jahren - Stichwort Neonazi-Aufmärsche zum 13. Februar - nur sporadisch der Fall, so steigerte sich das mit dem Einzug der NPD in den Landtag. Zwar ist die Neonazi-Fraktion zuletzt knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, dafür sorgen nun die Pegida-Aufmärsche für Aufsehen - und die rassistisch motivierten Übergriffe in Meißen, Freital und Heidenau.


Jetzt kommt der Galgen-Eklat hinzu. Während sich Politiker quer Beet empört zu Wort meldeten, versuchte Pegida-Gründer Lutz Bachmann den Vorfall herunterzuspielen. Der Galgen sei eine "lächerliche Bastelarbeit mit Schreibfehlern", ließ er via Internet wissen. Begründung: Das "monströse Teil" sei "ca 1,20 m lang, aus dünnen Latten". Und der Vorname von Gabriel sei sowieso falsch geschrieben. Darüber hinaus zog er über das her, was bei Pegida gern "Lügenpresse" heißt. Die Berichterstattung über den Galgen, so Bachmann, sei eine "unfassbare Übertreibung".


Parallel dazu echauffierten sich Pegida-Anhänger im Internet über ein Fallbeil, das im Zusammenhang mit Gabriels Namen bei der Großdemo gegen TTIP am Wochenende in Berlin gezeigt wurde. Da werde mit zweierlei Maß gemessen. Auf Anfrage teilte die Berliner Polizei mit, dass dieses selbstgebaute Schafott den Beamten nicht bekannt war. Nun werde geprüft, "ob es sich um eine Straftat handelt", so Pressesprecher Stefan Redlich.


Gegen Bachmann ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Anlass sind unter anderem Facebook-Einträge des 42-Jährigen, in denen er Ausländer als "Viehzeug", "Gelumpe" und "Dreckspack" bezeichnet hat. Außerdem läuft gegen eine Dresdnerin ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung. Die 20-Jährige hatte Merkel bei einem Besuch in Heidenau vor der Asylunterkunft im August aufs Übelste mit vulgären Worten beschimpft.


Pegida hatte am Montagabend nach Schätzungen bis zu 9000 Menschen versammelt. Dabei regte Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling einen "Säxit" an - den Austritt Sachsens aus der Bundesrepublik und der EU.