Die Proteste gegen das Freihandelsabkommen TTIP bedienen vor allem rechtspopulistische Ressentiments. Wer da mitmarschiert, findet offenbar nichts daran, sich gedanklich bei Pegida-Bachmann, Marine Le Pen und Donald Trump unterzuhaken.
Eine Polemik von Alexander Neubacher
Wenn an diesem Samstag mehr als 100.000 Menschen in Berlin gegen das geplante Handelsabkommen TTIP demonstrieren, werden sie von einem breiten Bündnis unterstützt. Die Frage ist, ob man sich darüber freuen soll.
In der Allianz der TTIP-Gegner schreiten Gewerkschaften und Umweltverbände Seite an Seite mit Nationalisten vom rechten Rand. Ein paar ganz Braune sind auch dabei: Pegida-Chef Lutz Bachmann hat seine Anhänger in Dresden aufgerufen, sich an den Protesten zu beteiligen, die NPD ist dabei, der französische Front National, die bulgarischen Ultranationalisten. Auf amerikanischer Seite treiben die Tea-Party-Bewegung und Donald Trump den Kampf gegen das Handelsabkommen voran.
Nun ist nicht jede politische Initiative automatisch falsch, nur weil sie von den falschen Leuten beklatscht wird. Doch bei den TTIP-Protesten sind die Rechten nicht Mitläufer, sondern heimliche Anführer. Die Geisteshaltung vieler Anti-TTIP-Aktivisten ist im Kern eine dumpf nationalistische. Offene Grenzen sind ihnen einen Gräuel, ob es nun um Menschen oder um Handelsbeziehungen geht.
Die Kampagne gegen den Freihandel ist wie auf dem braunen Mist gewachsen. An erster Stelle steht die im bewährten "Deutschland schafft sich ab"-Sound vorgetragene Behauptung der TTIP-Gegner, das geplante Abkommen zwinge zur Preisgabe der eigenen, angeblich viel besseren Standards. Vom "Ausverkauf deutscher Interessen an die Amerikaner" ist die Rede. Dabei soll doch am eigenen Wesen die Welt genesen, denn man hält sich für die Krone der Schöpfung.
Dass die europäischen Bürger in Wahrheit von den teils viel strengeren amerikanischen Verbraucherschutzregeln profitieren könnten, wird von Europas Anti-TTIP-Aktivisten gern unterschlagen. Amerika gilt als Reich des Bösen. Seltsam nur, dass es US-Behörden sind, die verbraucherfeindliche Machenschaften bei Deutscher Bank und Volkswagen aufgedeckt haben.
Die dümmsten Parolen auf den Anti-TTIP-Plakaten bedienen dabei genau jene Ressentiments, mit denen in rechten Kreisen schon immer gegen "die Hochfinanz", "die Konzerne" und "das Kapital" gehetzt wurde. Dass bei diesen "Konzernen" in Deutschland einige Millionen Menschen beschäftigt sind, die wiederum ihre Arbeitsplätze zu einem wesentlichen Teil dem Handel mit anderen Ländern verdanken, scheint keine Rolle zu spielen.
Einige Kritikpunkte an den TTIP-Verhandlungen, etwa die mangelhafte Transparenz, sind berechtigt. Andere Horrorstorys, etwa die vom amerikanischen Chlorhühnchen, sind längst als Schauermärchen entlarvt, werden zur heutigen Demo aber trotzdem wieder aufgetischt.
Wer nichts Schlimmes daran findet, sich gedanklich bei Pegida-Bachmann, Marine Le Pen und Donald Trump unterzuhaken, darf bei der Demo heute gerne hinter dem Plakat mit dem Chlorhühnchen herrennen. Alle anderen jedoch sollten sich fragen, wie sie aus einer solchen Gesellschaft schnell wieder herauskommen.