Mit den neuen Asylgesetzen zeigt Thomas de Maizière Härte und Entschlossenheit - und ändert damit den Kurs der Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage
Von Dieter Wonka
Berlin. Vor wenigen Wochen noch galt Thomas de Maizière, der Bundesinnenminister, als Zauderer und Zögerer, selbst der Koalitionspartner SPD ging den CDU-Mann mehr oder weniger offen an. Am gestrigen Dienstag allerdings, kurz nach der Beschlussfassung der Asylreformen im Bundeskabinett, konnte sich der Christdemokrat als Herr des Verfahrens präsentieren - und einen Erfolg in der Koalition genießen. Die Reform "trägt die Handschrift des Innenministers", sagte er und lächelte.
Aber ob dieses Paket auch problemlos Bundestag und Bundesrat passieren
wird? Es geht um schnellere Asylverfahren, mehr Geld für Länder und
Kommunen sowie darum, dass Zuwanderer vom Balkan, die politisch nicht
verfolgt werden, rascher wieder in die Heimat zurückgeführt werden
können. Die Grünen-Politikerin Claudia Roth sprach angesichts der
Beschlüsse von einem "rabenschwarzen Tag" für die Menschenrechte - und
sie trifft mit dieser Kritik auch Parteifreunde. Auch Baden-Württembergs
Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen hat Zustimmung zu
dem Maßnahmenbündel im Bundesrat signalisiert, das beispielsweise
Albanien, Kosovo und Montenegro als "sichere Herkunftsstaaten" festlegt.
Wenn das am Ende so beschlossen wird, so befürchtet die Gruppe Pro
Asyl, würden die Asylbegehren von Sinti, Roma und anderen Minderheiten
nicht mehr individuell geprüft werden.
105000 Flüchtlinge sind im August nach Deutschland gekommen. 10000 sind
es momentan täglich. Mindestens die Hälfte davon, so schätzt man,
übertritt illegal die Grenze. Viele verlassen die Flüchtlingszüge lange
vor der Ankunft in den zugewiesenen Erstaufnahmelagern. Sie steigen da
aus, wo Familienangehörige, Freunde und Bekannte bereits Halt gefunden
haben. Es habe sich faktisch ein selbstbestimmtes Aufenthaltsrecht
eingebürgert, klagt das Bundesinnenministerium. Für Thomas de Maizière
ist das ein unhaltbarer Zustand. Unter den Neuankömmlingen seien
"etliche, die an der Grenze zu Deutschland registriert wurden, aber auch
etliche, die auf andere Weise nach Deutschland gekommen sind und sich
dann irgendwo gemeldet haben". Dies müsse "schnell in geordnete
Verfahren überführt werden". Insbesondere hätten Flüchtlinge kein
Wahlrecht für den Ort ihrer Unterbringung.
Auch diese Frage wird in dem Gesetzespaket geregelt, das zum 1. November
bereits in Kraft treten soll. Schon hört man aus den Reihen der CSU
Rufe nach Nachbesserungen. Beispielsweise sollen mit Transitzonen
entlang der deutschen und europäischen Außengrenzen Bereiche geschaffen
werden, in denen nach Art des Asylverfahrens an Flughäfen die
Asylanträge von Flüchtlingen innerhalb von 48 Stunden beurteilt und auch
abgelehnt werden können.
De Maizière begreift den gestrigen Kabinettsbeschluss offenbar als
Einstieg in den Ausstieg aus einer Politik, die ganz eng mit Angela
Merkel in Verbindung gebracht wird. Seit die Kanzlerin sagte "Wir
schaffen das" und sich damit dann die unmenschliche Situation für
Tausende von Flüchtlingen an der ungarischen EU-Außengrenze entspannte,
ist vieles in Bewegung geraten. Bundestagsabgeordnete erleben in ihren
Wahlkreisen Probleme in Flüchtlingsunterkünften. Sie berichten nicht nur
der Unions-Fraktionsführung, dass immer mehr Bürger an Merkels
Botschaft zweifelten. Viele Menschen seien überfordert, äußerten
Besorgnis angesichts dessen, was noch kommen könne.
Angela Merkel erklärte nach ihrer Rückkehr von der UN-Vollversammlung
gegenüber Vertrauten: "Für uns steht nun das Flüchtlingsthema an." Sie
wisse, wie viele das Thema umtreibe, aber sie habe nicht anders handeln
können, als die Aufnahmebereitschaft zu betonen. Außerdem könne sie die
Welt nicht so machen, wie es der CDU gefalle.