Milliarden mehr für die Flüchtlinge

Erstveröffentlicht: 
25.09.2015

Bund und Länder verständigen sich auf Geld, Mitarbeiter, bessere Regeln

 

Von Christiane Jacke und Alexander Dahl

 

Berlin. Der Bund stützt die Länder bei der Versorgung der Flüchtlinge - und zwar viel stärker als bisher geplant. Das ist das Ergebnis eines mehrstündigen Bund-Länder-Gipfeltreffens am Donnerstag im Kanzleramt. Die Finanzzusagen des Bundes für dieses und nächstes Jahr werden um zwei Milliarden erhöht, ab 2017 überweist der Bund den Ländern eine Kopfpauschale je Flüchtling. Damit haben sich die Ministerpräsidenten in wesentlichen Punkten durchgesetzt. Die Beschlüsse im einzelnen:


Hilfen für Länder: Für die Unterbringung der Flüchtlinge sind die Länder zuständig - doch sie wirken überfordert. Eigentlich wollte der Bund den Ländern in diesem Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich überweisen, im kommenden Jahr drei Milliarden Euro zusätzlich. Mehrere Ministerpräsidenten klagten in den vergangenen Tagen, dass diese Summen nicht reichten. Nun bewegt sich Kanzlerin Angela Merkel: Der Betrag für 2015 wird von einer auf zwei Milliarden erhöht, der Betrag für das nächste Jahr von drei auf vier Milliarden. Die Länder wollten aber eine feste Zusage, dass der Bund ihnen dauerhaft unter die Arme greift. Dies soll nun geschehen, der Bund will je Flüchtling und Monat den Ländern 670 Euro geben. Die Ursprungsforderungen der Länder seien "unrealistisch" gewesen, sagte SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann auf dem Flurfest des Hauptstadtbüros des RedaktionsNetzwerks Deutschland. Wolfgang Kubicki, FDP-Bundesvize, ergänzte: "Egal, was da im Kanzleramt beschlossen wurde, es wird den Marsch Hunderttausender Flüchtlinge nach Westeuropa nicht aufhalten.


Verteilungsprobleme: Die Flüchtlinge sollen, sofern sie die Erstaufnahme hinter sich haben und registriert sind, auf die Länder verteilt werden. Dazu gilt der "Königsteiner Schlüssel", ein Maßstab, der sich an der Einwohnerzahl und Steuerkraft orientiert. Bayern müsste demnach 15 Prozent nehmen, NRW 21 Prozent, Niedersachsen 9,3 Prozent, Sachsen 5 Prozent, Brandenburg 3 Prozent, Schleswig-Holstein 3,3 Prozent und Mecklenburg-Vorpommern 2,6 Prozent. Tatsächlich hat der Flüchtlingsansturm der vergangenen Tage eine geordnete Verteilung unmöglich gemacht. Bayern, das Land, in dem die meisten Flüchtlinge ankommen, klärt ihre Weiterreise bilateral mit Nachbarländern, beispielsweise mit NRW. Viele Länder forderten, dass der Bund verstärkt Erstaufnahmelager bereitstellen und betreiben soll. Dort sollten sich dann Asylbewerber vom Balkan aufhalten, deren Antrag vermutlich nicht angenommen wird. Mit mehr Erstaufnahmelagern könne verhindert werden, dass diese Menschen früh auf die Kommunen verteilt werden und dann unter erschwerten Bedingungen abgeschoben werden können. Der Bund sagt zu, diese Lager zu betreiben und für die spätere Weiterleitung der Flüchtlinge zu sorgen.


Sichere Herkunftsländer: Nach Serbien, Bosnien und Mazedonien, die 2014 in die Liste der sicheren Staaten aufgenommen werden, sollen nun auch Albanien, Kosovo und Montenegro hinzukommen. Der Titel "sicherer Herkunftsstaat" bedeutet, dass Asylverfahren beschleunigt ablaufen, da in der Regel bei Menschen von dort keine politische Verfolgung attestiert wird. Allerdings: Der Bundesrat muss der Betitelung zustimmen, dort auch einige Länder, in denen die Grünen mitregieren. Die Grünen sind in dieser Sachfrage allerdings nicht einig: Parteichefin Simone Peter und Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt lehnten den Schritt gestern ab. Göring-Eckardt sagte, dieser Weg sei ein Griff in "die Mottenkiste der Abschottungspolitik". Der Grünen-Politiker und Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, beurteilt die Frage anders. Er deutete gestern die Zustimmung seines Landes zur einer neuen Behandlung von Asyl-Antragstellern aus den drei Balkanstaaten an - wenn Deutschland gleichzeitig Arbeitssuchenden vom Balkan mehr Möglichkeiten eröffne, in Deutschland einen Job oder einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Hier zeigte die Bundesregierung beim Bund-Länder-Gipfel Bereitschaft zum Entgegenkommen.

 

Schnellere Verfahren: Damit der Antragsstau im Bundesamt für Migration beseitigt wird, wo derzeit 250000 Asylanträge unerledigt sind, braucht der neue Präsident, Frank-Jürgen Weise, 3000 zusätzliche Mitarbeiter.


Sachleistungen: Lange wurde um die Frage gerungen, ob Flüchtlinge in den Erstaufnahmelagern Sach- statt Geldleistungen bekommen sollen. Umstritten ist auch, ob Asylbewerber, deren Anträge bereits abgelehnt worden sind, gekürzte staatliche Leistungen akzeptieren sollen. Dies wäre ein Mittel, ihnen die Rückkehr in die Heimat zu ebnen.