Rund 10.000 Flüchtlinge kommen derzeit jeden Tag nach Deutschland. Auch in Sachsen wird nach neuen Möglichkeiten gesucht, ihnen ein Dach über dem Kopf zu bieten. Der "Heim-TÜV" soll weichen.
Dresden. Sachsen wird seine Unterbringungskapazitäten für die Erstaufnahme von Flüchtlingen auf über 13.000 erhöhen. Derzeit würden bereits 11.700 Plätze in den rund 30 Einrichtungen bereitgehalten. Noch in dieser Woche solle die Zahl der Betten um circa 1500 steigen, sagte Innenminister Markus Ulbig (CDU) am Montag in Dresden. „Der Flüchtlingsstrom hält weiter auf sehr hohem Niveau in Deutschland an“, so der Minister weiter.
10.000 Menschen würden derzeit pro Tag in die Bundesrepublik kommen, vor allem nach Bayern. Neben den rund 300 Regelzugängen pro Tag kämen deshalb derzeit noch einmal 200 bis 400 Flüchtlinge täglich in Sachsen hinzu, die aus Bayern „abverteilt“ würden. Ulbig kündigte den Ausbau der Erstaufnahmeunterkunft im früheren Technischen Rathaus in Dresden auf 1500 Plätze und den Aufbau zweier weiterer Großzelte für je 200 Flüchtlinge in der Nähe des Dresdner Hauptbahnhofes an. „Wir arbeiten weiter auf Hochtouren, aber an der Grenze.“
Zahlen steigen weiter
Um den Druck von den Erstaufnahmeeinrichtungen zu nehmen, soll die Zahl der Asylbewerber, die auf die Kommunen verteilt werden, von etwa 2000 auf mindestens 5000 pro Monat steigen. „Das Thema „Verteilung auf die kommunale Ebene“ wird in der nächsten Zeit das zentrale, das wichtige Thema sein“, sagte Ulbig. Ziel sei es, aus den Unterkünften in Dresden und Leipzig 500 und aus Chemnitz 250 Asylbewerber wöchentlich auf die Kommunen zu verteilen. Bei der Bearbeitung der Asylanträge hofft Sachsen auf mobile Teams des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Mindestens ein bis zwei solcher Teams seien angefragt, sagte Ulbig.
Die Einrichtung sogenannter Kontrollbereiche um Flüchtlingsheime, wie sie nach fremdenfeindlichen Übergriffen in Heidenau oder jüngst in Bischofswerda eingerichtet wurden, sei keine Lösung für alle Standorte, sagte Ulbig. An der Mehrzahl der Standorte sei dies gar nicht nötig, da es „in vielen Orten einen anderen, einen selbstverständlicheren Umgang gibt“. Nach ausländerfeindlichen Pöbeleien wurde am Montag im ostsächsischen Bischofswerda ein Beauftragter für Asyl und Integration kommissarisch berufen. Zudem wurden Anlaufstellen geschaffen, wo sich Bürger über alle Asylthemen informieren und zugleich Hilfsangebote unterbreiten können.
Auch die zivilgesellschaftliche Hilfe für Flüchtlinge läuft weiter: Das Netzwerk „Dresden für Alle“ wollte ab Dienstag über das Rote Kreuz die ersten 1000 sogenannten „Bluebags“ an Asylsuchende übergeben. Die blauen Stoffbeutel enthalten neben Unterwäsche vor allem Hygieneartikel.
Die Hilfsorganisation Arche Nova stockte ihren Fonds auf, aus dem gemeinnützige Vereine Erstattungen für ihre Flüchtlingshilfe erhalten können. Der Höchstsatz der Förderung beträgt 500 Euro pro Projekt.
An der Uni Leipzig wurde eine Online-Plattform für geflüchtete Wissenschaftler freigeschaltet. Nach Angaben der Hochschule soll Doktoranden aus allen Fachbereichen und Herkunftsländern damit der Austausch mit deutschen Forschern und etwa auch ein Zugang zu Bibliotheken ermöglicht werden.
Aus für "Heim-Tüv"
Währendessen hat Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth angekündigt, dass der von seinem Vorgänger eingeführte „Heim-Tüv“ für den Zustand in den Asylbewerber-Gemeinschaftsunterkünften in bisheriger Form nicht fortgeführt wird. Angesichts der hohe Flüchtlingszahlen müsse man sich die Frage stellen, ob die Suche nach Qualitätsstandards für die Unterbringung in eine Zeit passe, „in der wir uns freuen, wenn wir den Menschen ein ordentliches Dach über dem Kopf einräumen können für den Winter“, sagte der CDU-Politiker am Montag in Dresden.
Deshalb wolle er den von Martin Gillo (CDU) 2010 eingeführten „Heim-Tüv“ weiterentwickeln in Richtung auf ein allgemeines Qualitätsmanagement sächsischer Behörden beim Umgang mit Ausländern, sagte Mackenroth. Er wolle sich alle Institutionen ansehen, die mit Ausländern zu tun haben. „Meine Erfahrung sagt, dass wir da im Freistaat durchaus etwas zu tun haben.“ Als ein Beispiel nannte er die erwünschte Mehrsprachigkeit von Behördenmitarbeitern.
In Gillos „Heim-Tüv“ wurden unter anderem Größe, Ausstattung und Lage der Gemeinschaftsunterkünfte, Angebote an Sprachkursen und Freizeitmöglichkeiten sowie soziale Beratung bewertet und anhand einer Ampelsystems verdeutlicht.