VON JENS ROMETSCH UND MATTHIAS ROTH
Eine weitere Demonstration
der islamkritischen Initiative Legida (Leipzig gegen die Islamisierung
des Abendlandes) konnte gestern Abend nur auf deutlich verkürzter Route
stattfinden. Die Stadt Leipzig als Ordnungsbehörde hatte zuvor
entsprechende Änderungen verfügt. Weil offenbar zu wenig Polizeikräfte
zur Verfügung standen, durften die Rechtspopulisten nicht vom
Bahnhofsvorplatz über den Georgiring zum Augustusplatz und wieder zurück
laufen. Stattdessen mussten sie sich bei ihrem "Abendspaziergang" mit
einer deutlich kleineren Runde von reichlich 500 Metern begnügen. Legida
war gegen die Auflagen der Kommune zwar vor das Leipziger
Verwaltungsgericht gezogen, hatte dort am späten gestrigen Nachmittag
jedoch eine Niederlage erlitten.
Hintergrund der Beschränkungen
waren massive Sicherheitsbedenken. Eine Woche zuvor hatten Dutzende
Hooligans bei der Demonstration des fremdenfeindlichen Bündnisses
mitgemacht (die LVZ berichtete). Sie durchbrachen später auch
Polizeiketten, attackierten die Beamten und verletzten zwei Personen.
Die Veranstaltung wurde deshalb vorzeitig aufgelöst.
Beobachter wie
der sächsische Grünen-Vorsitzende Jürgen Kasek äußerten sich im
Anschluss entsetzt. Bei der Legida-Demonstration am 14. September sei
auch Reinhard Rade unter den Legida-Anhängern gewesen. Der einstmals
bekannte Neonazi habe auf Vertreter der Versammlungsbehörde eingeredet
und Gegendemonstranten als "KZ-Kinder" bezeichnet. Rade galt Anfang der
Neunzigerjahre als militanter Rechtsextremist, der in Westdeutschland im
Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann agierte und in internationale
Waffengeschäfte verwickelt gewesen sein soll. Er bestritt alle Vorwürfe,
versuchte sich seinerzeit vorübergehend als Bauunternehmer in
Leipzig-Plagwitz, wo auch Hans Jörg Schimanek agierte. Letzterer soll am
Aufbau einer Wehrsportgruppe in Österreich beteiligt gewesen sein.
"Es gibt Grund zur Angst, dass sich Legida in Richtung Rechtsterrorismus
entwickeln könnte", meinte Kasek dazu gestern. Bislang sei eher
angenommen worden, dass sich Legida nach dem Abgang des früheren Chefs
Silvio Rösler in eine gemäßigtere Richtung bewege.
Rösler lief
gestern mit, gehört inzwischen aber zu einer anderen Gruppe, die für
diesen Sonnabend eine eigene Demonstration in Leipzig angemeldet hat.
Dem 19. Legida-"Spaziergang" stellten sich wieder mehrere Initiativen
von Gegendemonstranten in den Weg. 500 Menschen versammelten sich auf
dem Nikolaikirchhof, folgten einem Aufruf des Aktionsbündnisses
"Willkommen in Leipzig - eine weltoffene Stadt der Vielfalt".
Anschließend, gegen 18.45 Uhr, zog der Protestzug mit bereits rund 1000
Teilnehmern in Richtung Hallesches Tor/Gerberstraße. Die Gewerkschaft
Verdi hatte ihren Bundeskongress, der gerade in Leipzig stattfindet,
extra unterbrochen, um sich der Demo anzuschließen."Der Übergang über
den Ring war von der Polizei nicht gesichert. Eine sehr gefährliche
Situation", kritisierte Protest-Mitinitiator Christian Wolff.
Am
Hauptbahnhof wurden die ersten der 700 bis 900 Legida-Teilnehmer,
darunter erneut Hooligans aus der Fußball-Szene, mit Sprechchören wie
"Ihr seid so lächerlich" empfangen. Gegen 19 Uhr begann Legida-Chef
Markus Johnke auf dem kleinen Willy-Brandt-Platz mit seiner Rede. Er
wetterte gegen Flüchtlinge und Politiker von Bund, Land und Stadt.
Vor dem neuen Standort der Löwen-Apotheke am Brühl/Ecke Nikolaistraße
formierten etwa 500 Gegendemonstranten derweil eine Sitzblockade. Auch
nahe dem Oelßners Hof gab es ein "Sit-in" von etwa 60 Personen.
"Nationalismus raus aus den Köpfen", skandierten die Legida-Gegner.
Gegen 19.30 Uhr forderten die Ordnungshüter die Sitzblockierer erstmals
auf, den Platz zu räumen. Was unterblieb. Nur die kleine Blockade an der
Ritterstraße wurde von der Polizei daraufhin aufgelöst. Die große blieb
unangetastet - aufgrund fehlenden Personals. Deshalb bewegte sich
Legida ab kurz vor acht auf einer noch mal verkürzten Route. Vor dem
"Mini-Spaziergang" wartete Legida-Frontmann Johnke allerdings mit einer
von den Anhängern des rechtsgerichteten Bündnisses umjubelten Mitteilung
auf: Ab 23. September werde man an jedem Mittwoch demonstrieren - und
zwar über den ganzen Ring. Dieses Prozedere sei "ab 50 Teilnehmern
gesichert". Mittwochs könne auch niemand mehr einen polizeilichen
Notstand zum Vorwand für Einschränkungen nehmen. Stadtsprecher Matthias
Hasberg sagte am Abend, der Kommune liege für den 23. September noch
keine Anmeldung vor.
Unklar blieb auch, ob die montäglichen Aufzüge
trotz des Mittwochstermins weitergehen werden. Johnke betonte: "Ja, auf
jeden Fall." An diesem Mittwoch werde man zunächst einmal "Herrn Jung"
einen Besuch abstatten und vor dem Neuen Rathaus einen Sarg abstellen,
der mit etlichen Gesetzesparagrafen beschriftet sei. Das Möbel soll
schon fertig sein.