Sitzblockade zwingt Legida auf Mini-Runde am Brühl

Erstveröffentlicht: 
22.09.2015
Islamkritisches Bündnis kündigt an, ab übermorgen jeden Mittwoch über den Ring zu ziehen

 

VON JENS ROMETSCH UND MATTHIAS ROTH


Eine weitere Demonstration der islamkritischen Initiative Legida (Leipzig gegen die Islamisierung des Abendlandes) konnte gestern Abend nur auf deutlich verkürzter Route stattfinden. Die Stadt Leipzig als Ordnungsbehörde hatte zuvor entsprechende Änderungen verfügt. Weil offenbar zu wenig Polizeikräfte zur Verfügung standen, durften die Rechtspopulisten nicht vom Bahnhofsvorplatz über den Georgiring zum Augustusplatz und wieder zurück laufen. Stattdessen mussten sie sich bei ihrem "Abendspaziergang" mit einer deutlich kleineren Runde von reichlich 500 Metern begnügen. Legida war gegen die Auflagen der Kommune zwar vor das Leipziger Verwaltungsgericht gezogen, hatte dort am späten gestrigen Nachmittag jedoch eine Niederlage erlitten.


Hintergrund der Beschränkungen waren massive Sicherheitsbedenken. Eine Woche zuvor hatten Dutzende Hooligans bei der Demonstration des fremdenfeindlichen Bündnisses mitgemacht (die LVZ berichtete). Sie durchbrachen später auch Polizeiketten, attackierten die Beamten und verletzten zwei Personen. Die Veranstaltung wurde deshalb vorzeitig aufgelöst.


Beobachter wie der sächsische Grünen-Vorsitzende Jürgen Kasek äußerten sich im Anschluss entsetzt. Bei der Legida-Demonstration am 14. September sei auch Reinhard Rade unter den Legida-Anhängern gewesen. Der einstmals bekannte Neonazi habe auf Vertreter der Versammlungsbehörde eingeredet und Gegendemonstranten als "KZ-Kinder" bezeichnet. Rade galt Anfang der Neunzigerjahre als militanter Rechtsextremist, der in Westdeutschland im Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann agierte und in internationale Waffengeschäfte verwickelt gewesen sein soll. Er bestritt alle Vorwürfe, versuchte sich seinerzeit vorübergehend als Bauunternehmer in Leipzig-Plagwitz, wo auch Hans Jörg Schimanek agierte. Letzterer soll am Aufbau einer Wehrsportgruppe in Österreich beteiligt gewesen sein.


"Es gibt Grund zur Angst, dass sich Legida in Richtung Rechtsterrorismus entwickeln könnte", meinte Kasek dazu gestern. Bislang sei eher angenommen worden, dass sich Legida nach dem Abgang des früheren Chefs Silvio Rösler in eine gemäßigtere Richtung bewege.


Rösler lief gestern mit, gehört inzwischen aber zu einer anderen Gruppe, die für diesen Sonnabend eine eigene Demonstration in Leipzig angemeldet hat.


Dem 19. Legida-"Spaziergang" stellten sich wieder mehrere Initiativen von Gegendemonstranten in den Weg. 500 Menschen versammelten sich auf dem Nikolaikirchhof, folgten einem Aufruf des Aktionsbündnisses "Willkommen in Leipzig - eine weltoffene Stadt der Vielfalt". Anschließend, gegen 18.45 Uhr, zog der Protestzug mit bereits rund 1000 Teilnehmern in Richtung Hallesches Tor/Gerberstraße. Die Gewerkschaft Verdi hatte ihren Bundeskongress, der gerade in Leipzig stattfindet, extra unterbrochen, um sich der Demo anzuschließen."Der Übergang über den Ring war von der Polizei nicht gesichert. Eine sehr gefährliche Situation", kritisierte Protest-Mitinitiator Christian Wolff.


Am Hauptbahnhof wurden die ersten der 700 bis 900 Legida-Teilnehmer, darunter erneut Hooligans aus der Fußball-Szene, mit Sprechchören wie "Ihr seid so lächerlich" empfangen. Gegen 19 Uhr begann Legida-Chef Markus Johnke auf dem kleinen Willy-Brandt-Platz mit seiner Rede. Er wetterte gegen Flüchtlinge und Politiker von Bund, Land und Stadt.


Vor dem neuen Standort der Löwen-Apotheke am Brühl/Ecke Nikolaistraße formierten etwa 500 Gegendemonstranten derweil eine Sitzblockade. Auch nahe dem Oelßners Hof gab es ein "Sit-in" von etwa 60 Personen. "Nationalismus raus aus den Köpfen", skandierten die Legida-Gegner. Gegen 19.30 Uhr forderten die Ordnungshüter die Sitzblockierer erstmals auf, den Platz zu räumen. Was unterblieb. Nur die kleine Blockade an der Ritterstraße wurde von der Polizei daraufhin aufgelöst. Die große blieb unangetastet - aufgrund fehlenden Personals. Deshalb bewegte sich Legida ab kurz vor acht auf einer noch mal verkürzten Route. Vor dem "Mini-Spaziergang" wartete Legida-Frontmann Johnke allerdings mit einer von den Anhängern des rechtsgerichteten Bündnisses umjubelten Mitteilung auf: Ab 23. September werde man an jedem Mittwoch demonstrieren - und zwar über den ganzen Ring. Dieses Prozedere sei "ab 50 Teilnehmern gesichert". Mittwochs könne auch niemand mehr einen polizeilichen Notstand zum Vorwand für Einschränkungen nehmen. Stadtsprecher Matthias Hasberg sagte am Abend, der Kommune liege für den 23. September noch keine Anmeldung vor.


Unklar blieb auch, ob die montäglichen Aufzüge trotz des Mittwochstermins weitergehen werden. Johnke betonte: "Ja, auf jeden Fall." An diesem Mittwoch werde man zunächst einmal "Herrn Jung" einen Besuch abstatten und vor dem Neuen Rathaus einen Sarg abstellen, der mit etlichen Gesetzesparagrafen beschriftet sei. Das Möbel soll schon fertig sein.