Überall läuft der Ausverkauf der Stadt in vollem Gange. Grünflächen sollen Luxusbauten weichen, Mietwohnungen werden in Ferienwohnungen oder teure Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Und nun hat die DEGEWO vielen Mieter*innen angekündigt, dass ihre Mieten steigen werden.
Vieles verändert sich momentan hier im Brunnenviertel. Das merken wir jeden Tag. Doch meistens nicht zum Besseren, wie gerade ein Blick auf die Entwicklungen in der Wohnungspolitik zeigt. Viele von uns in der Großsiedlung sind bereits von drastischen Mieterhöhungen betroffen oder warten nur noch auf die entsprechenden Bescheide. Gründe hierfür gibt es einige. Einer ist ohne Frage die Gier der DeGeWo. Dem Wohnungsunternehmen gehört ein Großteil der Wohnungen hier. Viele davon wurden in den 80er Jahren als Sozialwohnungen errichtet. Das bedeutete für die Mieter*innen lange Zeit eine gewisse Sicherheit. Egal wie sich der Wohnungsmarkt drumherum entwickelte, sorgten die Ausgleichszahlungen des Landes Berlin für relativ moderate und gleichbleibende Preise. Doch das hat nun ein Ende. Indem die DeGeWo im Frühjahr dem Land die Aufwendungsdarlehen für die Sozialwohnungen frühzeitig zurückzahlte, sind diese nicht mehr Teil des so genannten „Mietenkonzepts 2014-2017“ zwischen Berlin und den städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Die Wohnungen fallen dadurch nicht mehr unter die Regelungen für Sozialwohnungen und die Mieten steigen drastisch. Mit einem dreisten Trick gelingt es damit der DeGeWo, bestehende Richtlinien des Mieter*innenschutzes dreist zu umgehen. Während so immer mehr Geld in die Kassen des Wohnungsunternehmens gespült wird, zahlen wir als Mieter*innen die Zeche.
Doch warum geschieht eine solche Entwicklung gerade jetzt? Grundsätzlich sind Sozialwohnungen für Wohnungsunternehmen im Hinblick auf die Maximierung der Profite relativ praktisch. Sie sind ein Instrument zur Verwertung von Wohnraum, der auf dem freien Markt wenig gewinnbringend angeboten werden kann. Konkret bedeutet dass, das Wohnungen in vermeintlich unattraktiven Gegenden an die vermietet werden, die sich keine anderen leisten können, und das Land noch kräftige Zahlungen oben drauf legt. Sozialverträgliche Mieten sind somit kein Zeichen für den Großmut der Wohnungsunternehmen. Sie sind das Produkt staatlicher Subventionen, die Unternehmen verdienen in jedem Fall kräftig. Das galt auch lange Zeit für das Brunnenviertel. Doch spätestens seit die Aufwertung der Stadt vom nahen Prenzlauer Berg hinüber schwappt, wird auch dieser Teil vom Wedding immer attraktiver. Schon seit Jahren bemüht sich die DeGeWo um ein neues Image des Brunnenviertels. Statt auf die Lösung der bestehenden sozialen Probleme wird auf den Zuzug junger, dynamischer Neumieter*innen mit dem entsprechenden Geldbeutel gesetzt. Wir konnten schon lange beobachten, wie Ladenflächen zu temporären Galerien werden, neue Läden angeworben werden und ein Quartiersmanagement den Verdrängungsprozess überwacht. Gleichzeitig entstehen immer mehr Neubauten im oberen Preissegment, wie das Projekt der Cresco Capital Group beim ehemaligen Kaisers-Gebäude in der Brunnenstraße. Auch die DeGeWo baut fleißig selbst im Gebiet. So entstehen auf dem ehemaligen Busdepots an der Usedomer Straße Ecke Wattstraße, an der Graunstraße und der Gleimstraße sozial unerträgliche Neubauten.
Diese Entwicklung bekommt mit der geplanten Teilbebauung des Mauerparks eine neue Dynamik. In direkter Nachbarschaft zum Weddinger Brunnenviertel möchte der Investor der Groth-Gruppe, bis zu 600 vorwiegend hochpreisige Wohnungen errichten. Eine solche Luxussiedlung in unserer Nachbarschaft hat natürlich direkte Auswirkungen auf das Leben von uns allen hier im Brunnenviertel und die Mieten. So wird das vollendet werden, was sich die DeGeWo schon lange erträumt: die Entwicklung vom einem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus hin zu einem attraktiven Wohnquartier für Besserverdienende.
Was allerdings mit uns, den alten Bewohner*innen, geschieht, interessiert nicht. Für die DeGeWo sind Mieter*innen nur so etwas wie wandelnde Geldtaschen. Wer nicht mehr genug Knete hat, muss gehen. Da wird dann auch vor direkter Gewalt zum Beispiel in Form von Zwangsräumungen nicht zurückgeschreckt. Wir als Alt-Mieter*innen haben unsere Schuldigkeit getan, wir können nun gehen oder werden rausgeschmissen. Ein soziales Gewissen der Wohnungsunternehmen ist da Fehlanzeige. Doch das Problem sind nicht die DeGeWo oder die Bebauung des Mauerparks allein. Auch der Berliner Senat spielt bei dieser Aufwertungsgeschichte eine entscheidende Rolle. So machte der neue Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel die Bebauung des Mauerparks zur Chefsache. Er hebelt damit den Widerstand der Anwohnenden und ihr Bürgerbegehren aus. So wird Bürgerbeteiligung dem Profit geopfert. Und das ist das Kernproblem.
Solange Wohnungen als Ware auf dem freien Markt gehandelt werden, wird sich nichts an der Wohnungspolitik ändern. Denn der Markt basiert allein auf Gewinnmaximierung und so handeln dementsprechend auch alle seine Akteur*innen – egal ob DeGeWo, die Groth-Gruppe, der Berliner Senat. Die Entwicklungen hier im Brunnenviertel zeigen uns die gesamte Palette an Problemen einer marktförmigen Verteilung von Wohnraum. Denn so können nur die gewinnen, die ohnehin schon was haben, was sie zu Markte tragen können. Und das sind die Wohnungsbesitzer*innen. Wer aber nichts besitzt und nur mietet, ist kaum mehr als eine Feder im Wind des Marktes, getrieben von Kräften außerhalb der eigenen Reichweite.
Doch was können wir dagegen tun? Wir können uns gemeinsam dagegen stellen. Wir wollen nicht mehr alles akzeptieren. Wir gehen heute gemeinsam auf die Straße, um ein lautes Zeichen zu setzen, dass die Mieter*innen nicht stumm sind. Es hilft nichts, nette Bitten an die Wohnungsbaugesellschaften oder den Senat zu schreiben. Wenn wir etwas wollen, müssen wir es uns selber nehmen. Wir werden uns treffen, um zusammen über die nächste Mieterhöhung oder die anstehende Räumung zu reden und sie gemeinsam zu verhindern. Wir lassen nicht mehr alles mit uns machen.
Wer nur an Profite denkt, bekommt es mit uns zu tun! - Wohnraum ist keine Ware!
Wir nehmen uns, was uns zusteht.
DEGEWO, Investor*innen und Senat – Nehmt eure Hände weg vom Brunnenviertel, weg vom Wedding und weg von ganz Berlin!
12.09.2015 | 14 Uhr | Vinetaplatz (nahe U-Bhf. Voltastraße, Berlin-Wedding)
Lärm-Demo gegen Verdrängung!
Wir organisieren uns gemeinsam, denn wir wohnen alle hier und hier werden wir auch bleiben!
Bringt Töpfe, Pfannen und alles was Krach macht mit!
Danach:
Aktionstag mit Musik, Straßentheater (Gentrifi….hä?), mobile Mietenberatung und beginnende Selbstorganisierung gegen Verdrängung
Kommt nach der Lärm-Demo mit uns zur Schwedter Straße 90/ Mauerpark (Ecke Kopenhagener Straße) zum Aktionsabend.
14.09.2015
Solidarische Selbstorganisierung
Wir wollen gemeinsam mit Nachbar*innen ins Gespräch kommen, uns organisieren und Handlungsoptionen gegen steigende Mieten und Verdrängung ausloten.
Organisiert wird die Veranstaltung neben dem Jugendtheater Berlin auch von "Hände weg vom Wedding", Kotti & Co., der Mauerpark-Allianz sowie "Zwangsräumungen verhindern".