Die Polizei hat das Willkommenszelt für Flüchtlinge auf dem ehemaligen Götz & Moriz-Gelände in Freiburg geräumt. Die Beamten brachten Aktivisten, die dort übernachtet hatten, vom Grundstück.
Von Charlotte Janz, David Weigend, Adrian Hoffmann
Gegen 7.30 Uhr am Dienstag Morgen betritt die Polizei das brach liegende Gelände an der Lörracher Straße. Etwa acht Beamten wecken vier Aktivisten, die im Willkommenszelt für Flüchtlinge übernachtet haben. Sie führen die Aktivisten vom Grundstück und nehmen ihre Personalien auf. Dann machen sie sich an die Räumung des Geländes (Fotos).
Bei den Verwiesenen handelt es sich um Anhänger linker Gruppen, die sich unter dem Motto No Lager Freiburg!
zusammengeschlossen haben. Sie wollten mit ihrem Willkommenszelt den
Flüchtlingen in der direkt gegenüberliegenden bedarfsorientierten
Erstaufnahmestelle (BEA) praktische Hilfe anbieten. Am Montag haben sie
dort Menschen mit Kaffee, Gebäck und Infomaterial versorgt. 80
Flüchtlinge und Helfer sollen dort zu Spitzenzeiten zusammengewesen
sein. Auf dem hinteren Teil des Geländes haben die Menschen miteinander
Fußball gespielt.
Ein Bagger macht das Gelände unbegehbar
Jetzt wirft ein Bagger dort Maulwurfshügel auf. Das Gelände soll so bald nicht mehr genutzt werden. Nach und nach treffen immer mehr Aktivisten ein. Sie halten sich an die Vorgabe der Polizei, sich nur auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig aufzuhalten. Aber sie sind sauer. Die Polizei habe ihnen keine Möglichkeit gegeben, ihre Zelte und Sachen selbst abzubauen, so ein Vorwurf. Und der schwerere Vorwurf lautet: "Wie sieht das denn für die Flüchtlinge aus? Gestern haben sie hier Kaffee bekommen, heute schmeißt die Polizei die Menschen raus, die sich ihrer angenommen haben", sagt ein Aktivist empört. Ein anderer ergänzt: "Willkommenskultur sieht anders aus."
Beamten bauen die Zelte ab und entfernen die Banner an den Bauzäunen,
auf denen in vielen Sprachen "Willkommen" stand. "Nicht so ruppig",
haben Aktivisten ihnen zugerufen. "Bitte vorsichtig mit den
Zeltstangen!"
Die Grundstücks-Eigentümerinnen hatten die Willkommenszelt-Aktivisten angezeigt.
Das ehemalige Götz&Moriz-Gelände liegt zwar brach, allerdings
befindet es sich in Privatbesitz, das durch Bauzäune und Schlösser
gesichert war. "Diese wurden gewaltsam beseitigt. Gegen die Personen
wird nun wegen Hausfriedensbruch strafrechtlich ermittelt", sagt
Polizeisprecherin Laura Riske.
Die Bemühungen der Aktivisten seien sicherlich lobenswert. Das Problem
sei jedoch, sie hätten die Eigentümerinnen nicht um Erlaubnis gefragt
und das Gelände einfach besetzt. "Bei uns lag ein Strafantrag der
Eigentümerin vor. Wir wollten den Zustand des Hausfriedensbruchs
beheben", erklärt Laura Riske. Die Räumung habe auf Initiative der
Polizei stattgefunden.
Auf dem Bürgersteig gegenüber sieht man die Sachlage etwas anders. "Die Polizei hatte Handlungsspielraum", sagt ein Aktivist. Im Gespräch mit einem Polizeibeamten sagt er: "Unser Willkommenszelt hier zu räumen, war nicht Ihre Pflicht. Das war eine politische Entscheidung." Juristisch ist die Polizei nach einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch nur dazu verpflichtet einzugreifen, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gestört ist (siehe Infobox unten).
"Wir haben hier keinerlei Ordnung gestört", sagen die Aktivisten. Das Willkommenszelt zu entfernen, schade letztlich nur den Flüchtlingen – und dem Image des neuen Landes. Anwohner und vorbeikommende Radfahrer teilen diese Tendenz: "Schämt euch!", rufen sie den Polizisten entgegen.
Derweil sehen sich die beiden Eigentümerinnen des Geländes in die falsche Ecke gedrängt. "Ehrlich gesagt bin ich stinksauer", sagt eine der beiden am Dienstmorgen auf Anfrage der BZ. Ein Abbruchunternehmer habe das Gelände hergerichtet, eine ganze Lkw-Ladung voller Müll habe abtransportiert werden müssen. "Das ganze Gelände war vermüllt, und ich frage mich natürlich, wer die Kosten trägt", so die Eigentümerin – "von den Linksaktivisten werde ich da sicher nichts sehen". Wie es nun weitergehen werde, wisse sie nicht. Aber es störe sie sehr, dass sie als Eigentümerinnen nun so hingestellt würden, als ob sie die Bösen seien. "Manche Sachen lassen sich ja auch im Vorfeld mit einem netten Anruf klären", sagt sie.
Unverständnis auf Seiten der Flüchtlinge
Gegen 10:30 Uhr ist das Gelände wieder von Bauzäunen umgeben. Ein Bagger hat den ganzen Boden umgegraben und fein säuberlich Maulwurfhügel errichtet. Passanten und Flüchtlinge sehen durch die Gitterstäbe ein wohl behütetes Stück privates Land.
Ein Flüchtling aus Afrika steht neben einem Polizisten. Er lässt sich erklären, warum das Zelt und die hilfsbereiten Menschen denn wegmüssen. Der Polizist tut sich selbst schwer mit dem Grund. Das Grundstück gehöre nun einmal jemandem. Ach so, sagt der Flüchtling, jemand wolle dort wohnen. Nun ja, nicht direkt, sagt der Polizist. Der Flüchtling guckt irritiert. Dann zuckt er die Achseln und sagt: "Die Welt ist nicht immer gerecht."
Juristischer Hintergrund
Grundsätzlich liegt es immer im Ermessensspielraum der Polizei, ob sie nach einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch eingreift. Ausschlaggebend ist dabei die Frage, ob die öffentliche Sicherheit gestört ist oder nicht. Normalerweise gilt sie als beeinträchtigt, sobald ein Rechtsbruch stattfindet, zum Beispiel ein Hausfriedensbruch. Die Polizei kann dann einschreiten, muss aber auch die Folgen abwägen, die sie damit unter Umständen bewirkt. Inwieweit die Polizei zugunsten Privater tätig wird, unterscheidet sich – je nach Polizeigesetz – in jedem Bundesland in Nuancen.
Auf dem zivilrechtlichen Weg könnte der Eigentümer beim Amtsgericht in jedem Fall eine einstweilige Anordnung erlangen. Der Eigentümer beruft sich aufs BGB und gibt an, dass sein Eigentum gestört worden ist. Das Amtsgericht verpflichtet dann die Aktivisten, das Grundstück zu räumen. Wenn die Aktivisten dann nicht weichen, kann der Gerichtsvollzieher die Polizei zur Hilfe rufen, um die Verfügung durchzusetzen.