Über Antragsteller aus Ländern, deren Anerkennungsquote gering ist, soll schneller entschieden werden
Von Dieter Wonka und Jörg Köpke
Berlin. In der Bundesregierung gedeihen Überlegungen, das Grundrecht auf Asyl im Grundgesetz noch weiter einzuschränken. Menschen aus Ländern, deren Anerkennungsquote in Asylverfahren bei weniger als zwei Prozent liegt, sollen demnach von vornherein ein beschleunigtes Asylverfahren durchlaufen. "Das wäre eine gute Lösung für Deutschland und ein Modellfall für die EU", sagte CDU/CSU-Fraktionsvize Thomas Strobl dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Grüne und Linke kündigten Widerstand an.
In Artikel 16a des Grundgesetzes ist das Asylrecht näher beschrieben.
Demnach genießen politisch Verfolgte Asyl. Anfang der Neunzigerjahre
waren die Vorschriften verschärft worden, so können EU-Bürger oder
Menschen aus Ländern, in denen die politischen Verhältnisse als sicher
und geordnet gelten, nicht Asyl bekommen. Ihre Anträge werden schneller
bearbeitet. Jeweils einzeln per Gesetz können Staaten festgelegt werden,
deren Bewohner vermutlich kein Asyl bekommen können - und deren
Verfahren damit beschleunigt stattfinden.
Serbien, Bosnien und Mazedonien sind bereits als solche charakterisiert
worden, die Große Koalition will bisher auch Albanien und den Kosovo mit
diesem Status versehen. Für den Erfolg eines Gesetzes wäre auch die
Zustimmung im Bundesrat nötig, aber die Grünen stellen sich quer.
Tatsache ist aber, dass die meisten Asylverfahren aus Albanien und dem
Kosovo erfolglos bleiben - aber es gibt hier besonders viele Anträge aus
beiden Ländern, deren Bearbeitung die Asylverfahren in Deutschland in
die Länge ziehen.
Das in der Union vorbereitete Konzept sieht nun vor, mit einer
Grundgesetzänderung künftig eine umständliche gesetzliche Bezeichnung
jedes einzelnen Landes als "sicherer Herkunftsstaat" zu umgehen. Ein
Land würde automatisch diesen Status erhalten, wenn die
Anerkennungsquote seiner Asylbewerber die Zweiprozentmarke
unterschreitet. Diese Grundgesetzänderung bräuchte allerdings eine
Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat - und diese zeichnet sich
bisher nicht ab.
Gestern kam schon Widerspruch: Linken-Fraktionsvize Dietmar Bartsch
sagte: "Jeder weitere Versuch, das Asylrecht weiter einzuschränken, wird
den entschiedensten Widerstand der Linken hervorrufen." Der
Grünen-Rechtspolitiker Volker Beck meinte, statistische Erwägungen
könnten inhaltliche Maßstäbe bei der Asylprüfung nicht ersetzen: "Es
wäre absurd, wenn Oppositionelle aus Venezuela oder Frauen aus
Nicaragua, die dort wegen einer Abtreibung infolge Vergewaltigung mit
Haft bedroht werden, hier kein Asyl mehr erhalten können - weil die
meisten Asylanträge aus beiden Ländern wohl abgelehnt würden."
FDP-Vize Wolfgang Kubicki meinte: "Der Plan, Herkunftsländer mit
geringer Erfolgsaussicht beim Asylantrag grundsätzlich vom Asylverfahren
auszuschließen, bedeutet den Einstieg in die faktische Abschaffung des
Asylrechts." Die Aushöhlung des Asylrechts sei "inakzeptabel". Auch
Linken-Fraktionsvize Bartsch nannte die Überlegungen "inakzeptabel".
CDU/CSU-Fraktionsvize Strobl widersprach: Das Asylrecht solle nicht
eingeschränkt, lediglich die Verfahren für Menschen aus bestimmten
Ländern sollten beschleunigt werden.
Daneben feilt die Große Koalition noch an Schritten, mit denen ein
schnelleres Handeln des Staates in der Flüchtlingspolitik möglich
gemacht werden soll: Wenn es künftig verstärkt Abschiebungen abgelehnter
Asylbewerber in ihre Heimat geben soll und die Bundesländer sich
sperren, könne auch der Bund die Aufgabe übernehmen und dies der
Bundespolizei überlassen. Auch ein schnellerer Bau von
Flüchtlingsunterkünften soll möglich werden - indem erstens die
Bauvorschriften vereinfacht werden und zweitens die Kommunen auch
direkte Zuweisungen vom Bund erhalten sollen. Beides soll beim
"Flüchtlingsgipfel" am 24. September besprochen werden. Nötige
Gesetzesänderungen könnten Bundestag und -rat dann Anfang Oktober auf
den Weg bringen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière erläuterte gestern die Pläne. Das
schnelle Zurückschicken von Asylbewerbern, die aus dem Balkan kommen
und deren Herkunftsländer in der Regel als sicher gelten, sei für die
Bundesregierung ein Baustein zur Bewältigung der steigenden
Flüchtlingszahlen. De Maizière sagte, auf der anderen Seite müsse
Deutschland zeigen, dass es ein aufnahmebereites Land für Verfolgte sei.
Die aktuelle Situation bezeichnete er als "Bewährungsprobe". Es sei
keine Zeit zu verlieren, betonte er.
Dabei wiederholte er seine Forderung, bei der Schaffung von
Flüchtlingsunterkünften Abweichungen von den Baustandards zu
ermöglichen.
Bei der Frage nach der Finanzierung der Versorgung von Flüchtlingen
wollte der Innenminister weiterhin keine Summe nennen. Der
Koalitionspartner SPD hatte bereits gefordert, die Kommunen um
mindestens drei Milliarden Euro zu entlasten. Zusätzlich hat
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) einen Bedarf von bis zu 3,3
Milliarden Euro im nächsten Jahr für die Vermittlung von Flüchtlingen in
Jobs angemeldet. De Maizière will erst über die Kostenverteilung reden
und dann über konkrete Summen.