Die Koalition feilt am Grundrecht für Asyl

Erstveröffentlicht: 
03.09.2015

Über Antragsteller aus Ländern, deren Anerkennungsquote gering ist, soll schneller entschieden werden

 

Von Dieter Wonka und Jörg Köpke

 

Berlin. In der Bundesregierung gedeihen Überlegungen, das Grundrecht auf Asyl im Grundgesetz noch weiter einzuschränken. Menschen aus Ländern, deren Anerkennungsquote in Asylverfahren bei weniger als zwei Prozent liegt, sollen demnach von vornherein ein beschleunigtes Asylverfahren durchlaufen. "Das wäre eine gute Lösung für Deutschland und ein Modellfall für die EU", sagte CDU/CSU-Fraktionsvize Thomas Strobl dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Grüne und Linke kündigten Widerstand an.


In Artikel 16a des Grundgesetzes ist das Asylrecht näher beschrieben. Demnach genießen politisch Verfolgte Asyl. Anfang der Neunzigerjahre waren die Vorschriften verschärft worden, so können EU-Bürger oder Menschen aus Ländern, in denen die politischen Verhältnisse als sicher und geordnet gelten, nicht Asyl bekommen. Ihre Anträge werden schneller bearbeitet. Jeweils einzeln per Gesetz können Staaten festgelegt werden, deren Bewohner vermutlich kein Asyl bekommen können - und deren Verfahren damit beschleunigt stattfinden.


Serbien, Bosnien und Mazedonien sind bereits als solche charakterisiert worden, die Große Koalition will bisher auch Albanien und den Kosovo mit diesem Status versehen. Für den Erfolg eines Gesetzes wäre auch die Zustimmung im Bundesrat nötig, aber die Grünen stellen sich quer. Tatsache ist aber, dass die meisten Asylverfahren aus Albanien und dem Kosovo erfolglos bleiben - aber es gibt hier besonders viele Anträge aus beiden Ländern, deren Bearbeitung die Asylverfahren in Deutschland in die Länge ziehen.


Das in der Union vorbereitete Konzept sieht nun vor, mit einer Grundgesetzänderung künftig eine umständliche gesetzliche Bezeichnung jedes einzelnen Landes als "sicherer Herkunftsstaat" zu umgehen. Ein Land würde automatisch diesen Status erhalten, wenn die Anerkennungsquote seiner Asylbewerber die Zweiprozentmarke unterschreitet. Diese Grundgesetzänderung bräuchte allerdings eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat - und diese zeichnet sich bisher nicht ab.


Gestern kam schon Widerspruch: Linken-Fraktionsvize Dietmar Bartsch sagte: "Jeder weitere Versuch, das Asylrecht weiter einzuschränken, wird den entschiedensten Widerstand der Linken hervorrufen." Der Grünen-Rechtspolitiker Volker Beck meinte, statistische Erwägungen könnten inhaltliche Maßstäbe bei der Asylprüfung nicht ersetzen: "Es wäre absurd, wenn Oppositionelle aus Venezuela oder Frauen aus Nicaragua, die dort wegen einer Abtreibung infolge Vergewaltigung mit Haft bedroht werden, hier kein Asyl mehr erhalten können - weil die meisten Asylanträge aus beiden Ländern wohl abgelehnt würden."


FDP-Vize Wolfgang Kubicki meinte: "Der Plan, Herkunftsländer mit geringer Erfolgsaussicht beim Asylantrag grundsätzlich vom Asylverfahren auszuschließen, bedeutet den Einstieg in die faktische Abschaffung des Asylrechts." Die Aushöhlung des Asylrechts sei "inakzeptabel". Auch Linken-Fraktionsvize Bartsch nannte die Überlegungen "inakzeptabel". CDU/CSU-Fraktionsvize Strobl widersprach: Das Asylrecht solle nicht eingeschränkt, lediglich die Verfahren für Menschen aus bestimmten Ländern sollten beschleunigt werden.


Daneben feilt die Große Koalition noch an Schritten, mit denen ein schnelleres Handeln des Staates in der Flüchtlingspolitik möglich gemacht werden soll: Wenn es künftig verstärkt Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber in ihre Heimat geben soll und die Bundesländer sich sperren, könne auch der Bund die Aufgabe übernehmen und dies der Bundespolizei überlassen. Auch ein schnellerer Bau von Flüchtlingsunterkünften soll möglich werden - indem erstens die Bauvorschriften vereinfacht werden und zweitens die Kommunen auch direkte Zuweisungen vom Bund erhalten sollen. Beides soll beim "Flüchtlingsgipfel" am 24. September besprochen werden. Nötige Gesetzesänderungen könnten Bundestag und -rat dann Anfang Oktober auf den Weg bringen.


Bundesinnenminister Thomas de Maizière erläuterte gestern die Pläne. Das schnelle Zurückschicken von Asylbewerbern, die aus dem Balkan kommen und deren Herkunftsländer in der Regel als sicher gelten, sei für die Bundesregierung ein Baustein zur Bewältigung der steigenden Flüchtlingszahlen. De Maizière sagte, auf der anderen Seite müsse Deutschland zeigen, dass es ein aufnahmebereites Land für Verfolgte sei. Die aktuelle Situation bezeichnete er als "Bewährungsprobe". Es sei keine Zeit zu verlieren, betonte er.


Dabei wiederholte er seine Forderung, bei der Schaffung von Flüchtlingsunterkünften Abweichungen von den Baustandards zu ermöglichen.


Bei der Frage nach der Finanzierung der Versorgung von Flüchtlingen wollte der Innenminister weiterhin keine Summe nennen. Der Koalitionspartner SPD hatte bereits gefordert, die Kommunen um mindestens drei Milliarden Euro zu entlasten. Zusätzlich hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) einen Bedarf von bis zu 3,3 Milliarden Euro im nächsten Jahr für die Vermittlung von Flüchtlingen in Jobs angemeldet. De Maizière will erst über die Kostenverteilung reden und dann über konkrete Summen.