Forscher analysieren rechte Einstellungen
Von Christiane Jacke und martin Fischer
Berlin/Dresden. Ministerpräsidenten aus dem Osten warnen davor,
Fremdenhass als alleiniges Problem der neuen Länder abzutun. Aber was
sagen die Zahlen. Eine Analyse:
Ist der Osten fremdenfeindlicher als der Westen?
Ein Blick in die Kriminalstatistik: Im vergangenen Jahr wurden
bundesweit rund 17000 rechtsmotivierte Straftaten registriert. Vor allem
die Zahl der rechten Gewalttaten stieg rasant - gegenüber dem Vorjahr
um fast 23 Prozent auf 1029 Delikte. 409 davon wurden in Ostdeutschland
gezählt - das ist ein Anteil von fast 40 Prozent. Auch bei der Zahl der
rassistischen Gewalttaten lag der Osten weit vorn. Jede zweite (61 von
bundesweit 130) dieser explizit fremdenfeindlich motivierten Taten wurde
dort verübt. Dabei stellen die Ost-Länder weniger als 20 Prozent der
gesamtdeutschen Bevölkerung. Rechte Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte
wurden im ersten Halbjahr 2015 ebenfalls zu mehr als 40 Prozent im
Osten registriert.
Die Aussagekraft der Kriminalstatistiken ist allerdings umstritten.
Kritiker beklagen, viele rechtsextreme Straftaten tauchten dort gar
nicht auf, weil die Polizei den eigentlichen Hintergrund nicht richtig
erfasse. Unabhängige Stellen kommen auf höhere Fallzahlen.
Und wie sieht es in den Köpfen aus, gibt es hier Unterschiede zwischen Ost und West?
Forscher untersuchen seit Jahren wie weit rechtsextreme Einstellungen in
der Gesellschaft verbreitet sind. Offensive rechte Positionen finden
demnach immer weniger Zustimmung. Was zunimmt, sind aber Ressentiments
gegenüber bestimmten Gruppen wie Asylbewerbern. Die Wissenschaftler
haben auch die regionale Ausprägung rechter Positionen ausgewertet. Ein
Ergebnis: Ausländerfeindliche Einstellungen gibt es überall, am
ausgeprägtesten aber im Osten.
Wie profitieren rechte Parteien davon?
Die rechtsextreme NPD - zwischenzeitlich fast in der Bedeutungslosigkeit
verschwunden - konnte nach der Wende wieder zulegen und vor allem im
Osten Fuß fassen. 2004 zog sie in Sachsen erstmals seit 1968 wieder in
ein Landesparlament ein. Schon fünf Jahre zuvor war das der
rechtsextremen DVU in Brandenburg gelungen. Heute ist die NPD nur noch
im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vertreten. In vielen Orten ist sie
allerdings noch mit regional großen Unterschieden verankert.
Die AfD, die bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr im Osten
ebenfalls mit nationalen und teils rechtspopulistischen Themen um
Stimmen warb, schaffte in Sachsen mit 9,7 Prozent erstmals den Sprung in
ein deutsches Landesparlament. Thüringen und Brandenburg folgten kurze
Zeit später mit 10,6 beziehungsweise 12,2 Prozent. Eine sächsische
Besonderheit ist Pegida.
Und das Fazit?
Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt sind keineswegs ein rein
ostdeutsches Phänomen. Allerdings sind die Probleme im Osten stärker
ausgeprägt als in anderen Teilen der Republik.