Freital, Meißen, Heidenau – das klingt nach deutscher Idylle: Scheinbar liebenswerte Städtchen, in denen die kleine Welt noch in bester Ordnung glänzt und die Nachbarn gemeinsam anpacken. Beispielsweise mit dem netten Nazi von nebenan gegen Flüchtlinge, die in einem leerstehenden Baumarkt untergebracht werden sollen. Der zivilisatorische Abgrund reißt in der Provinz auf.
Deutschland ist ein vielfältiges Land, heißt es. In der Tat. Während vor allem in den großen Städten Tausende Bürger den Menschen aus Bürgerkriegsländern tatkräftig helfen, schließen sich anderswo „besorgte“ Bürger bedenkenlos dem braunen Mob an. Parolen, die einst für demokratische Forderungen gestanden haben sollen, werden umstandslos reaktionär aufgeladen: Wir sind das Volk! – das klingt heute nach Ausgrenzung und der tumben Herrschaft der Straße – nicht nach universellen Menschenrechten und demokratischer Mitbestimmung.
Rassismus und Rechtsextremismus brechen dort aus, wo diese Phänomene auf wenig bis gar keine Gegenwehr stoßen. Wo verharmlost und weggeschaut wird, statt offen zu widersprechen. Wo das Image wichtiger ist als der Schutz von Grundrechten. Und all das ist vor allem in Sachsen der Fall, dort, wo über Jahre der größte Neonazi-Aufmarsch Europas stattfand; wo NPD und nun die AfD Rekordergebnisse erzielten; dort, wo Rechtsterroristen ungestört in einem „Untergrund“ gelebt hatten, der gar keiner war – und wo Richter so lasche Urteile gegen militante Neonazi-Banden fällten, dass sie von höheren Instanzen kassiert wurden.
Rechtsextremismus ist das Gegenteil von streitbarer und lauter Demokratie. Wo die Demokratie schwach ausgeprägt bleibt, macht sich der Rechtsextremismus breit. Rassisten sind zumeist feige, sie machen den Mund lediglich auf, wenn sie auf Zustimmung hoffen können. Freital, Meißen und Heidenau – die Vorfälle in diesen Städten sind keine Schande für Sachsen und Deutschland, sondern die Konsequenz daraus, dass die Demokratie in Teilen des Landes nur institutionell existiert, mehr als notwendiges Übel akzeptiert denn mit Leidenschaft gelebt wird. Universelle Grundrechte sind hier lediglich demokratische Folklore und kaum das Papier wert, auf dem sie verbrieft werden.
Barrikaden, Brandanschläge, Bürgerinititativen: Die rassistischen Gewalttäter schlagen dann zu, wenn sie sich durch gesellschaftliche Debatten ermutigt fühlen; sie gehen dort zum Angriff über, wo sie auf Unterstützung und Sympathie hoffen. Es handelt sich nicht um Auswärtige und Zugereiste – es sind die Kinder der Region, die ihre Ressentiments von der Pike auf in Elternhäusern, Sportvereinen, Schule und anderen gesellschaftlichen Institutionen erlernt haben.
Demokratische Grundregeln, Humanismus und kritisches Bewusstsein standen offenkundig nicht auf dem Lehrplan. Doch um die neuen Lehrpläne muss man sich später kümmern, nun geht es erst einmal darum, Flüchtlinge vor dem rassistischen Mob zu schützen: Wehrhafte Demokratie, bis hierhin und nicht weiter. Das Ansehen Deutschlands im Ausland ist dabei übrigens vollkommen nebensächlich – ganz im Gegenteil: Die Welt soll unbedingt wissen, was sich hinter der deutschen Idylle verbirgt.