Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres fliegt in Hamburg eine verdeckte Ermittlerin auf. Unter dem Namen „Maria Block“ hatte sich die Polizistin in linke Kreise eingeschlichen - mit fragwürdigen Methoden.
Zehn Monate, nachdem in der Hamburger alternativen Szene die verdeckte Ermittlerin „Iris Schneider“ aufgeflogen ist, haben Aktivisten erneut eine Polizistin enttarnt, die sich unter falscher Identität in linke Kreise eingeschlichen hatte. Im Internet wurde ein 20 Seiten umfassendes Dossier veröffentlicht, das alle Aktivitäten der Beamtin, die in der Szene demnach zwischen 2009 und 2012 als „Maria Block“ bekannt war, detailliert auflistet.
Dem Papier zufolge hat die Polizistin sich unter anderem in antirassistischen Gruppen engagiert, linke Kongresse mit vorbereitet und autonome Protestaktionen gegen die Innenministerkonferenz 2010 und einen Naziaufmarsch 2012 mit organisiert. Mehrfach sei sie ins europäische Ausland gereist, etwa zu einem antirassistischen Camp in Brüssel und zu einer UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Über die Jahre habe sie in der Szene Freundschaften und „mindestens ein sexuelles Verhältnis“ unterhalten, so die anonymen Autoren.
Ein Sprecher der Hamburger Polizei bestätigte gegenüber der Frankfurter Rundschau lediglich, dass es sich bei der enttarnten Frau um eine Polizistin handele. Der Fall werde beim Landeskriminalamt intensiv aufgearbeitet. Im „Hamburger Abendblatt“ hieß es, die Polizei mache sich große Sorgen wegen der erneuten Enttarnung einer Polizistin.
Neumann in Erklärungsnot
Sollten die Angaben des Dossiers, an dem linke Aktivisten nach FR-Informationen monatelang gearbeitet haben, zutreffen, würde der Fall erneut kein gutes Bild auf die Arbeit des Hamburger Landeskriminalamts werfen: Neben der Möglichkeit einer sexueller Beziehungen unter einer falschen Identität betrifft das den Einsatz im Ausland und das rechtlich heikle Betreten von Privatwohnungen, für das verdeckte Ermittler die Zustimmung eines Richters benötigen. Außerdem war die Beamtin offenbar 2003, also vor ihrem verdeckten Einsatz, auf dem Titelbild des von der Deutschen Polizeigewerkschaft herausgegebenen „Polizeispiegel“ zu sehen – in Uniform.
Die ehemaligen Mitstreiter von „Maria Block“ schildern, die Polizistin habe an privaten Kochabenden teilgenommen, sei mit in die Kneipe gegangen und habe Geburtstagsgeschenke für ihre vermeintlichen Freunde organisiert. Dadurch habe sie sich einen „umfassenden Einblick in die Wohnungen und das Privatleben von Aktivist_innen“ verschafft, was „durch nichts und niemanden“ zu rechtfertigen sei. „Maria Block“ habe zudem wiederholt auffällig radikale Thesen vertreten und sich auch für militante Konzepte ausgesprochen, „die für den Rahmen unangebracht waren“.
Den Hamburger Innensenator Michael Neumann (SPD), der seit März 2011 im Amt ist, dürfte der neue Fall in Erklärungsnot bringen: Der Einsatz der Ermittlerin „Iris Schneider“, die ebenfalls Liebesbeziehungen in der Szene unterhalten haben soll, ist nach wie vor nicht aufgeklärt. Christiane Schneider, Abgeordnete der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft, brachte gegenüber der FR erneut die Idee eines parlamentarischen Untersuchungsausschuss ins Spiel. Sollten zwei Polizeispitzel aus dem Ruder gelaufen sein, so Schneider, habe die Hamburger Polizei „ein echtes, ein strukturelles Problem“.