Gericht sieht keinen Tatnachweis für gefährliche Körperverletzung im Februar 2013 / Rechtsextremer bleibt aber hinter Gittern
Von Mario Beck
In einem Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung ist gestern der
Leipziger NPD-Stadtrat Enrico Böhm freigesprochen worden - den
Gerichtssaal verließ er trotzdem in Handschellen. Denn der 32-Jährige
sitzt derzeit wegen eines anderen Vorfalles in Untersuchungshaft, bei
dem er während einer Anti-Asyl-Kundgebung seiner Partei am 2. August auf
einen Radfahrer losgegangen sein, ihn mit seinem Auto angefahren und
getreten haben soll. Umgehend war Haftbefehl gegen den Rechtsextremen
erlassen worden.
In dem aktuellen Prozess lastete die Staatsanwaltschaft ihm sowie den
Mitangeklagten Christian O. (33) und Christoph K. (31) gefährliche
Körperverletzung im Zuge einer Straßenbahnfahrt von Taucha nach Leipzig
an. An jenem Abend des 24. Februar 2013 war das Trio mit der Linie 3
von Taucha nach Leipzig unterwegs und es kam zu heftigem Gerangel und
Tumulten in der Tram. Zum Verhandlungsauftakt am letzten Mittwoch hatte
Richterin Julia Weidelhofer unter anderem mehrere Zeugen zum damaligen
Geschehen angehört, darunter auch zwei Geschädigte. Allerdings blieben
viele Fragen offen. Es gab Widersprüche, welche Rolle Böhm und die zwei
Anderen damals spielten, ob, und wenn ja, wie sie handgreiflich wurden
und gegen wen im Einzelnen. Wie berichtet, hatte ein Sozialarbeiter
geschildert, er sei in den Schwitzkasten genommen und mit der Faust
malträtiert worden, hätte dabei ein Schädelhirntrauma und eine
Schädelprellung erlitten.
Die Fortsetzung der Beweisaufnahme gestaltete sich gestern kompliziert.
Bei der Sichtung von Videoaufzeichnungen, die in der Bahn gemacht worden
waren, erwies sich der dem Gericht zur Verfügung stehende Laptop als
nicht brauchbar, weil sich damit einzelne Aufnahmen nicht mit der
nötigen Feinjustierung bei der Einzelbilddarstellung zeigen ließen.
Richterin Weidelhofer war sichtlich genervt von der Technik.
Nach einer Sitzungsunterbrechung wurde dann der mit besserer Software
ausgestattete Laptop von Böhms Rechtsanwalt Mario Thomas verwendet. Er
wolle auch durch die Bereitstellung seines Gerätes zur Wahrheitsfindung
beitragen, meinte Thomas. Sodann nahmen alle Verfahrensbeteiligten die
Sequenzen in Augenschein. Wirklich Aussagekräftiges ließ sich darauf
aber nicht erkennen, die Szenerie in der Bahn im Tatzeitraum konnte
nicht lückenlos verfolgt werden.
Nach fast dreistündiger Verhandlung ließ Staatsanwältin Inken Garnov die
Anklage fallen und plädierte nicht nur bei Böhm für Freispruch, sondern
auch bei Christian O. und Christoph K. Weder die Zeugenaussagen noch
die Videoaufnahmen hätten die nötige Beweiskraft. Seitens der Anwälte
wurde Freispruch für ihre Mandanten gefordert. Richterin Weidelhofer
erklärte, in dem Video sei kein gemeinsamer Tatbeschluss erkennbar und
auch keine den Beschuldigten anzulastende Tatbegehung. Auch hätten die
Zeugen Erinnerungslücken gehabt und teils divergierende
Sachverhaltsdarstellungen gemacht. Dann verkündete sie den Freispruch
für alle Drei, wobei für Böhm wieder der Gang in die U-Haft anstand.