NPD-Stadtrat Böhm: Nach Freispruch zurück in die U-Haft

Erstveröffentlicht: 
25.08.2015

Gericht sieht keinen Tatnachweis für gefährliche Körperverletzung im Februar 2013 / Rechtsextremer bleibt aber hinter Gittern

 

Von Mario Beck


In einem Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung ist gestern der Leipziger NPD-Stadtrat Enrico Böhm freigesprochen worden - den Gerichtssaal verließ er trotzdem in Handschellen. Denn der 32-Jährige sitzt derzeit wegen eines anderen Vorfalles in Untersuchungshaft, bei dem er während einer Anti-Asyl-Kundgebung seiner Partei am 2. August auf einen Radfahrer losgegangen sein, ihn mit seinem Auto angefahren und getreten haben soll. Umgehend war Haftbefehl gegen den Rechtsextremen erlassen worden.


In dem aktuellen Prozess lastete die Staatsanwaltschaft ihm sowie den Mitangeklagten Christian O. (33) und Christoph K. (31) gefährliche Körperverletzung im Zuge einer Straßenbahnfahrt von Taucha nach Leipzig an. An jenem Abend des 24. Februar 2013 war das Trio mit der Linie 3 von Taucha nach Leipzig unterwegs und es kam zu heftigem Gerangel und Tumulten in der Tram. Zum Verhandlungsauftakt am letzten Mittwoch hatte Richterin Julia Weidelhofer unter anderem mehrere Zeugen zum damaligen Geschehen angehört, darunter auch zwei Geschädigte. Allerdings blieben viele Fragen offen. Es gab Widersprüche, welche Rolle Böhm und die zwei Anderen damals spielten, ob, und wenn ja, wie sie handgreiflich wurden und gegen wen im Einzelnen. Wie berichtet, hatte ein Sozialarbeiter geschildert, er sei in den Schwitzkasten genommen und mit der Faust malträtiert worden, hätte dabei ein Schädelhirntrauma und eine Schädelprellung erlitten.


Die Fortsetzung der Beweisaufnahme gestaltete sich gestern kompliziert. Bei der Sichtung von Videoaufzeichnungen, die in der Bahn gemacht worden waren, erwies sich der dem Gericht zur Verfügung stehende Laptop als nicht brauchbar, weil sich damit einzelne Aufnahmen nicht mit der nötigen Feinjustierung bei der Einzelbilddarstellung zeigen ließen. Richterin Weidelhofer war sichtlich genervt von der Technik.


Nach einer Sitzungsunterbrechung wurde dann der mit besserer Software ausgestattete Laptop von Böhms Rechtsanwalt Mario Thomas verwendet. Er wolle auch durch die Bereitstellung seines Gerätes zur Wahrheitsfindung beitragen, meinte Thomas. Sodann nahmen alle Verfahrensbeteiligten die Sequenzen in Augenschein. Wirklich Aussagekräftiges ließ sich darauf aber nicht erkennen, die Szenerie in der Bahn im Tatzeitraum konnte nicht lückenlos verfolgt werden.


Nach fast dreistündiger Verhandlung ließ Staatsanwältin Inken Garnov die Anklage fallen und plädierte nicht nur bei Böhm für Freispruch, sondern auch bei Christian O. und Christoph K. Weder die Zeugenaussagen noch die Videoaufnahmen hätten die nötige Beweiskraft. Seitens der Anwälte wurde Freispruch für ihre Mandanten gefordert. Richterin Weidelhofer erklärte, in dem Video sei kein gemeinsamer Tatbeschluss erkennbar und auch keine den Beschuldigten anzulastende Tatbegehung. Auch hätten die Zeugen Erinnerungslücken gehabt und teils divergierende Sachverhaltsdarstellungen gemacht. Dann verkündete sie den Freispruch für alle Drei, wobei für Böhm wieder der Gang in die U-Haft anstand.