"Wir wollen nicht in den Krieg zurück"

Erstveröffentlicht: 
25.06.2015

Leipziger Flüchtlinge wehren sich gegen eine Verlegung nach Heidenau / Demonstranten verhindern den Transport

 

Von Matthias Puppe und Robert Nössler


Leipzig. Der geplante Umzug von 51 Flüchtlingen nach Heidenau hat gestern Proteste in Leipzig-Connewitz ausgelöst. Vor der Asylunterkunft in der Sporthalle der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) versammelten sich Hunderte Menschen. Die Demonstranten blockierten die Zufahrt zum Gelände, sodass der Bus, der die Flüchtlinge nach Heidenau bringen sollte, leer wieder abfahren musste.


Die HTWK-Sporthalle sollte nach Plänen der Landesdirektion gestern Nachmittag geräumt und die dort untergebrachten Flüchtlinge nach Heidenau gebracht werden. Dagegen formierte sich Widerstand, auch unter den 51 Asylbewerbern. Einige weigerten sich, in den seit Tagen von rechtsextremen Demonstranten belagerten Baumarkt bei Dresden umzuziehen.


Nach Angaben einer Sprecherin der Landesdirektion Sachsen war die Unterbringung der Flüchtlinge nur als vorübergehend vereinbart gewesen. Die Zufluchtsuchenden waren nach Leipzig gebracht worden, nachdem eine Zeltstadt in Chemnitz nach schweren Regenfällen aufgelöst werden musste.


Nach Angaben der Landesdirektion sollten die Bewohner nun wieder ausziehen, weil die Halle baufällig ist. Das Interim sei von Vornherein nur auf fünf Tage begrenzt gewesen. Zudem gebe es in der Halle nur kaltes Wasser. Der Umzug nach Heidenau sei "alternativlos", da es derzeit keine anderen freien Unterbringungsmöglichkeiten im Freistaat gebe, erklärte Landesdirektions- sprecherin Jana Klein auf Nachfrage von LVZ.de. Der ehemalige Baumarkt in Heidenau sei gut geschützt und die Polizei vor Ort sei verstärkt worden. "Die Alternative ist Obdachlosigkeit", so Klein.


Einige Asylbewerber erfuhren von dem drohenden Umzug nach Heidenau gestern über ihre Handys, worauf sich die Nachricht in Windeseile verbreitete. Ein Bewohner aus Pakistan sagte LVZ.de: "Wir wollen nicht in eine Unterkunft, wo es draußen Kämpfe gibt. Wir haben Angst, zurück in den Krieg zu kommen." Die Bilder und Videos von den Ausschreitungen hätten ihn und seine Mitbewohner schockiert. Auch die Leipziger Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (Grüne) kritisierte die Pläne auf Twittter: "Was ist das bitte für ein Schwachsinn? Geflüchtete sind in Connewitz sicherer als in Heidenau."


Etwa 100 bis 150 Menschen versammelten sich nach Polizeiangaben mit Plakaten zu einer Spontandemo an der Hochschul-Sporthalle im Leipziger Süden. Laut Augenzeugen waren es mindestens 200 Demonstranten. Sie blockierten die Abreise der Asylbewerber. "Der Bus kommt nicht auf das Gelände", sagte eine Leipziger Polizeisprecherin. Eigentlich war dessen Abreise für 15 Uhr geplant. Der Doppeldecker fuhr dann gegen 16 Uhr ab - ohne Insassen.


Aufgrund der Blockade prüften die Behörden am Nachmittag nun doch, ob es eine andere Unterbringungsmöglichkeit gibt. Nach Informationen der Leipziger Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Linke) könnten die jetzt mit 420 Menschen voll belegte Ernst-Grube-Halle und eine Unterkunft in Grillenburg bei Tharandt (Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) infrage kommen. Das ist aber noch völlig offen. Wie Bundestagsabgeordnete Monika Lazar LVZ.de bestätigte, hatte Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz noch am gestrigen Abend entschieden, dass alle Asylbewerber für die Nacht in der HTWK-Turnhalle bleiben.