Angriff des Flüchtlingsfeindes aufs Private

Erstveröffentlicht: 
10.08.2015

Morddrohungen gehören dazu, wenn man sich für das Wohl von Asylsuchenden und Flüchtlingen engagiert. Psychoterror gegen die Verwandtschaft nun offenbar auch

 

Stellen wir uns folgendes vor, liebe Leser: Sie sind Tochter oder Sohn eines Anwaltes, der sich mittels einer Online-Petition dafür engagiert, dass es Asylsuchenden und Flüchtlingen besser gehen soll. Als der Anwalt und dessen Ehefrau Ihrer Familie und Ihren Kindern einen Besuch abstatten wollen, klingelt Ihr Telefon und die Polizei teilt Ihnen aufgeregt mit, Ihr Vater habe Ihre Mutter umgebracht, man suche gerade in dem Wohnhaus der beiden nach der Leiche, Ihr Vater sei auf der Flucht.

 

Sie verstehen die Welt nicht mehr, warten auf die Polizei, die sie gleich zwecks Zeugenbefragung aufsuchen will, und da biegen die beiden um die Ecke und schauen Sie zuerst ungläubig, dann zutiefst besorgt an, wie Sie vor Ihrem Wohnhaus stehen und völlig außer sich sind, so in etwa kurz vor einem Nervenzusammenbruch und einem Herzinfarkt oder beidem.

 

Ein schöner Plot und Nervenkitzel für einen Krimi oder Thriller, Pro7 würde ihn sicherlich sonntags um 20.15 Uhr ausstrahlen, in Konkurrenz zum Tatort. Dummerweise ist es keine Phantasiegeschichte. Der Rechtsanwalt Heinrich Schmitz aus Euskirchen, der sich gemeinsam mit anderen in der Petition "Heim ohne Hass" dafür eingesetzt hat, dass rechte Aufmärsche vor Flüchtlingsunterkünften verboten werden sollen, hat dies vor wenigen Tagen gemeinsam mit seiner Familie ähnlich erlebt.

 

Er beschreibt dies selbst in einem längeren Text. Demnach habe ein anonymer Anrufer sich gegenüber der Polizei als Heinrich Schmitz ausgegeben und den Mord an seiner Ehefrau gestanden. Während beide indes auf dem Weg zu ihrer Tochter waren, durchsuchte die Polizei das Haus der Eltern nach der Leiche und begann damit, deren Verwandtschaft über den Fall zu informieren.

 

Der renommierte Strafverteidger Schmitz wirkte auch als Kolumnist beim Debattenmagazin "The European". Angesichts der Radikalisierung der Asyl- und Fremdenfeinde und der Befürchtung eines neuen Terrors von Rechts (Völkischer Zorn) initiierte der Rechtsanwalt mit anderen besagte Petition.

 

Alle Menschen hätten ein Recht auf Ruhe und Unversehrtheit vor ihren Wohnungen, das gelte auch für Asyl- und Schutzsuchende, gerade dann, wenn diese auch traumatisiert seien und rechte Hassmärsche in der Tradition der SA vor den Unterkünften sie besonders belasten und massiv einschüchtern könnten, befand Schmitz. Anlass dazu war eine Diskussion, die Tage zuvor das ARD-Magazin "Kontraste" ausgelöst hatte.

 

Laut Schmitz wurde ebenso sein Mitstreiter bei der Petition bedroht: "Ihm wurde die Ermordung seiner Eltern und Geschwister angekündigt. Nicht etwa in Form einer nötigenden Drohung, sondern einfach nur so. Namen und Adressen der betroffenen Familienmitglieder waren dem Anrufer bekannt", schreibt Schmitz in seiner Stellungnahme. Vor solchen Angriffen warnten unlängst auch die Behörden, als sie feststellten, dass nicht nur Flüchtlinge und Asylsuchende Ziel rechter Attacken sind, sondern auch deren Helfer, Unterstützer oder Politiker zunehmend ins Visier der rechten Aktivisten geraten (Fremdenfeindliche Stimmung heizt sich auf).

 

Offenkundig hat auch der SA-Terror rechter Forentrolle im Real Life zugenommen. Schlagzeilen machte im März der Rücktritt des parteilosen Bürgermeisters in Tröglitz, Markus Nierth, weil Rechtsextremisten gegen die Flüchtlingsunterbringung vor seinem Wohnhaus demonstrieren wollten. Er sah sich von Landkreis, Parteien und Nachbarschaft alleingelassen und befürchtete, seine Familie nicht mehr ausreichend schützen zu können durch dieses Eindringen in das Privatleben.

 

Nun mag man einlenken, dass Drohungen jeder Art bis zu Morddrohungen unterdessen leider dazugehören, wenn man als Journalist kritisch über Neonazis berichtet oder dem rassistischen Mob von der Straße und in den Foren in einem Kommentar deutlich widerspricht, als Politiker und Behördenvertreter gegen derlei Hetze streitet oder sich gar als Privatperson für einen humanen Umgang mit schutzsuchenden Menschen engagiert. Doch im Fall Schmitz scheint eine Stufe der Perfidie erreicht worden zu sein, die in Sachen Empathielosigkeit und Psychoterror selbst vor - unbeteiligten - Familienmitgliedern nicht Halt macht.