Der steigenden Flüchtlingszahlen und die damit verbundenen Demonstrationen und Übergriffe, aber auch die eben begonnene Fußballsaison in der 3. Liga mit ihren Risikospielen führen praktisch zum Dauereinsatz der Polizei. Eine Folge: Die Krankenstatistik erreicht bedenkliche Höchststände. Sachsens Innenminister Markus Ulbig möchte deshalb mehr Polizisten in Dienst nehmen als ursprünglich geplant.
Immer mehr Arbeit für immer weniger Polizisten
Einen geschlagenen Monat pro Kopf mit Krankenschein außer Dienst - der durchschnittliche Krankenstand bei Sachsens Polizei ist der mit Abstand höchste in der Bundesrepublik, und er ist im letzten Jahr erneut gestiegen. Vorgelegt hat diese Zahlen Torsten Scheller, Vize-Chef im Landesbezirk Sachsen der Gewerkschaft der Polizei. Aus Umfragen unter den Kollegen ginge hervor, "dass sie durch den täglichen Stress tatsächlich überlastet sind." Überlastung und Dauerstress, weil die Personaldecke bei Sachsens Polizisten über die letzten Jahre so dünn geworden ist.
Frank Conrad, Chef der (etwas kleineren) Deutschen Polizeigewerkschaft in Sachsen, bringt ein seiner Erfahrung nach typisches Beispiel: "Gerade die Kollegen in der Bereitschaftspolizei, können ihren eigenen Familienbetrieb quasi abschalten, weil sie gar nicht mehr wissen, wann sie frei kriegen. Das ist natürlich eine zusätzliche psychische Belastung." Die Polizeigewerkschaften im Freistaat hätten schon lange davor gewarnt, dass es so kommen wird, wie es nun gekommen ist - nur erhört haben sie eben niemand.
Tatsächlich: Stellen straffen, Stellen streichen, Stellen nicht neu besetzen - das war stets die große Linie in der Landespolitik, sowohl bei der CDU-SPD-Koalition als auch bei der Koalition aus Union und FDP.
Warum kommt nun die Wende? - Weil
sich die Umstände dramatisch geändert haben, unterstreicht Innenminister
Markus Ulbig: "Die Anspannung in der sächsischen Polizei ist derzeit
tatsächlich enorm hoch. Das geht ja jetzt schon über Monate: die
Absicherung von Demonstrationen, die steigende Zahl von Asylbewerbern."
Und deshalb muss und soll mehr Personal her.
Die Neuauflage der
CDU-SPD-Koalition hatte schon im Herbst beschlossen, die
Stellenstreichungen der letzten Jahre zumindest in Teilen rückgängig zu
machen und die Zahl der Plätze an Sachsens Polizeischulen um 100 zu
erhöhen.
Eine unabhängig besetzte Fachkommission soll erstmals
überhaupt den tatsächlichen Personalbedarf der sächsischen Polizei für
die kommenden Jahre ermitteln - um die Planung für den Doppelhaushalt
2017/2018 auf möglichst objektiven Fakten zu gründen.
Doch schon jetzt steht für Innenminister Ulbig fest: "Gefühlt sind die Kollegen derzeit wirklich am Limit. Vor dem Hintergrund werden wir zusätzlich zu den 400, die wir jedes Jahr ausbilden und in Dienst übernehmen, nochmal eine entsprechende Kapazität brauchen." Das sieht Mario Pecher, Vorsitzender des Innenausschusses im sächsischen Landtag, nicht anders. Der SPD-Politiker warnt allerdings vor allzu großen Erwartungen - schließlich könne man eben nur die Polizisten in Dienst nehmen, die man vorher ausgebildet habe. Über Nacht ließe sich die Personallage bei Sachsens Polizei jedenfalls nicht entspannen: "Selbst wenn wir heute beschließen würden, tausend Polizisten einzustellen... Die sind nicht da, die gibt es schlichtweg nicht."