Stasi beobachtete Neonazi-Szene im Westen

Erstveröffentlicht: 
07.08.2015

Akten womöglich hilfreich im Fall Oktoberfest-Attentat

 

Von jutta schütz


Berlin. Das DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hat die rechtsextreme Szene in der Bundesrepublik stärker beobachtet als bislang bekannt. Dokumente aus dem Stasi-Archiv enthielten Hinweise auf viele IM und weitere Quellen in der westdeutschen Neonazi-Szene, sagte gestern die Sprecherin der Stasi-Unterlagen-Behörde, Dagmar Hovestädt. Es sei dem MfS vor allem darum gegangen, Anschläge auf die innerdeutsche Grenze frühzeitig zu vereiteln, so die Sprecherin. Auch sollte eine stärkere Vernetzung der rechtsextremen Szene in beiden Teilen Deutschlands verhindert werden. In einem Stasi-Bericht vom Oktober 1989 hieß es laut der Berliner Zeitung, die zuerst darüber berichtete, dass sowohl Kontakte von rechten DDR-Jugendlichen zu BRD-Nazigruppen als auch Nazi-Aktivitäten in der DDR zunähmen.


Mindestens 42 IM angeworben


Laut dem Zeitungsbericht hatte das Stasi-Ministerium unter seinem Chef Erich Mielke mindestens 42 Inoffizielle Mitarbeiter unter westdeutschen Neonazis und in deren unmittelbarem Umfeld. Weitere fast 30 Rechtsextremisten seien als sogenannte IM-Vorläufe registriert gewesen. Das bedeute, ihre Anwerbung als Spitzel sei vorbereitet worden. Hinzu seien noch vier weitere Informanten gekommen, die einen loseren Kontakt zum MfS unterhielten. Die meisten seien in den achtziger Jahren angeworben worden. Zuständig gewesen sei die Hauptabteilung XXII, deren Aufgabe die Terrorabwehr war. Auch andere Stasi-Abteilungen des Ministeriums seien involviert gewesen, hieß es. So gehe aus den Akten hervor, dass ein Westagent der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA - zuständig für Auslandsspionage) Informationen über die militante Neonazi-Organisation Wehrsportgruppe Hoffmann geliefert habe.


"Über eigenen Schatten gesprungen"


Die Akten über die IM, die im rechten Spektrum agierten, könnten auch für aktuelle Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zu Hinterleuten und Mittätern des Oktoberfest-Attentats von 1980 von Belang sein, schrieb das Blatt. Bei dem Anschlag am 26. September 1980 waren 13 Menschen getötet und weitere 211 Personen zum Teil lebensgefährlich verletzt worden. Die Bundesanwaltschaft hatte zuletzt im Februar erklärt, bereits in der Vergangenheit seien Hinweise in Stasi-Akten auf das Oktoberfest-Attentat eingehend gesichtet und hochrangige Offiziere des MfS befragt worden.


Dass die Stasi auch die rechtsextreme Szene "auf dem Radarschirm" hatte und Inoffizielle Mitarbeiter in deren Mitte führte, zeigt laut Ansicht von Sprecherin Hovestädt, dass die Geheimpolizei weltanschaulich über ihren Schatten sprang, wenn ihr Auftrag als "Schild- und Schwert" der SED-Partei es erforderlich gemacht habe.