Während allerorten Willkommensinitiativen für Geflüchtete aus dem Boden sprießen, hat der Bundestag am 02. Juli eine weitere, massive Verschärfung des Aufenthaltsgesetzes verabschiedet. Das Gesetz mit dem sperrigen Namen „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ reiht sich ein in die immer ausgefeiltere Entrechtung von Asylsuchenden und Menschen ohne deutschen Pass, die durch die bundesdeutschen Regierungen der letzten 25 Jahre betrieben wurde.
Mit dem neuen Gesetz wird einerseits der Kurs fortgesetzt, sich der in der Genfer Flüchtlingskonvention festgeschriebenen Pflicht, Asyl gewähren zu müssen, weiter zu entledigen. Andererseits wird die ideologische Aufteilung in 'legitime' und 'illegitime` Zuwanderer_innen zugespitzt: Personen, deren Asylgründe nicht anerkannt werden, müssen in Zukunft mit Abschiebehaft, Ausreisegewahrsam, Einreise- und Aufenthaltsverboten rechnen. Welche Gründe dabei als asylrelevant anerkannt werden und welche nicht, orientiert sich nicht an den realen Lebensverhältnissen der Menschen, die Schutz vor Verfolgung oder Diskriminierung suchen, sondern an den politischen Vorgaben der Schreibtischtäter_innen aus dem Bundeskanzleramt und Bundesinnenministerium. Deutlichstes Beispiel hierfür ist der Umgang mit Asylverfahren von Roma aus den zu sicheren Herkunftsstaaten deklarierten südosteuropäischen Staaten. Politisch als 'illegitim' abgestempelt, werden immer neue Verfahren speziell für Personen aus Mazedonien, Serbien und Bosnien-Herzegowina geschaffen um eine effiziente Abschiebung ohne individuelle Prüfung der Asylbegehren zu gewährleisten. Dabei zeigt die Realität mehr als deutlich, dass Roma in den genannten Staaten massiver Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt sind. Der neuste Vorschlag aus dem Hause de Maizieres sind als „Cluster“ bezeichneten Sonderlager, in denen Asylanträge zeitnah abgelehnt, Klagen zurück gewiesen und Abschiebungen durchgeführt werden sollen. Bayern hat als erstes Bundesland bereits mit der Errichtung dieser Sonderabschiebelager begonnen. Weiter auf dem Programm stehen spezielle Arbeits- und Ausbildungsverbote sowie die Kürzung der Geldleistungen unter das vom Bundesverfassungsgericht festgelegte Existenzminimum.
Begründet wird diese neuste staatliche Entrechtungswelle mit der begrenzten Aufnahmebereitschaft für Zuwanderer_innen in der bundesdeutschen Bevölkerung. Die Verschärfungen seien notwendig, so de Maizière, um „die Zustimmung zur Zuwanderung und der Aufnahme von Schutzbedürftigen in Deutschland zu sichern und zu stärken“. Anstatt die massive Zunahme von Brandanschlägen und Übergriffen auf Unterkünfte und Asylsuchende aufs Schärfste zu verurteilen, dienen die Folgen der eigenen, jahrzehntelangen rassistischen Politik und deren mediale Aufbereitung als Begründung, um weitere Gesetzesverschärfungen zu legitimieren. So reichen sich politische und mediale Hetze, rassistische Bürgerinitiativen, rechte Strukturen, Brandanschläge und Gesetzesverschärfungen einmal mehr gegenseitig die Hand. Der erste Entwurf des nun verabschiedeten Gesetzes beinhaltete dementsprechend noch die generelle Unterstellung des Sozialhilfebetruges bei all denjenigen, deren Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde und las sich wie das in Gesetzesform gegossene Programm von Pegida und Co.
Was den Inhalt des Gesetzes betrifft, so ist u.a. die Erweiterung der Gründe hervorzuheben, die in Zukunft die Inhaftierung von Asylsuchenden und damit ihre reibungslose Abschiebung möglich machen. Inhaftiert werden kann nun: wer bereits in einem anderen EU-Staat Asyl beantragt hat, wer unzutreffende Angaben über die eigene Identität gemacht oder Ausweisdokumente vernichtet hat, wer sich der Abschiebung entziehen möchte oder diesbezüglich Vorbereitungshandlungen getroffen hat oder wer für die Einreise eine erhebliche Geldsumme an Fluchthelfer gezahlt hat, so dass „darauf geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren“. Zusammengenommen gibt es kaum Asylsuchende, auf die nicht einer dieser Gründe zutrifft. Das heißt, wer nicht zu den wenigen Privilegierten gehört, die es ohne inner-europäische Kontrollen in die BRD geschafft haben und noch dazu die Staatsangehörigkeit einer der Staaten besitzt, für die Asyl prinzipiell überhaupt erteilt wird, wird die gnadenlose Härte der bundesdeutschen Politik zu spüren bekommen. Dazu gehören auch die im Gesetz eingeführten, erweiterten Einreise- und Aufenthaltsverbote, die das Bundesamt Asylsuchenden auferlegen kann, deren Asylanträge als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurden. Ihnen droht neben der Abschiebung auch eine Einreisesperre. Und falls es Gründe gibt, die eine Ausreise unmöglich machen, versperren Aufenthaltsverbote den Weg in eine mögliche Aufenthaltserlaubnis was nichts anderes heißt, als Menschen im Duldungsstatus zu halten. Die Liste lässt sich noch um einiges weiterführen: Ausreisegewahrsam, Vereinfachung der Ausweisung, legale Auswertung von Kommunikationsmitteln zur Identitätsklärung etc. Die wenigen Verbesserungen, wie das stichstagsunabhängige Bleiberecht, werden durch die zahlreichen Verschärfungen ausgehebelt und nur für wenige infrage kommen.
Worum es uns jedoch eigentlich geht
Während die Beratungsarbeit und die Verhältnisse uns dazu zwingen, immer wieder gegen die immer neuen rechtlichen Verschärfungen anzuschreien, und um kleinste Verbesserungen zu ringen, geht es uns aber eigentlich um etwas ganz anderes. Denn die aktuellen Verschärfungen in der Migrationspolitik, das Diktat der Sparauflagen für Griechenland oder die neuerdings verabschiedeten Sicherheitsgesetze in Spanien, die faktisch jeden Protest kriminalisieren, machen eines mehr als deutlich: die herrschenden politischen und wirtschaftlichen Verantwortlichen werden ihre Macht und ihre Privilegien siwio deren erneute Erweiterung auf Kosten der Allgemeinheit durch die sogenannte neoliberale Agenda mit allen Mitteln verteidigen. Und sie werden zunehmend nur noch mit Druck, Repression und offener Gewalt auf die Folgen der von ihnen selbst verursachten weltweiten Krisen reagieren. Dabei zeigt sich an Griechenland einmal mehr, dass eine Alternative innerhalb des Systems zum Scheitern verurteilt ist. Auf Migrationspolitik angewandt, heißt das: Die Kontrolle oder Steuerung von Migration beinhaltet immer die Entrechtung, Entwürdigung und Ermordung von Menschen. Wenn in Kategorien wie Nationalität, Staat und letztlich auch des Asylsystems gesprochen wird, dann bedeutet das nichts anderes, als die Entrechtung von Menschen zu legitimieren oder stillschweigend hinzunehmen. Es braucht also nicht bloß Willkommensinitiativen sondern eine politische Bewegung, die mit all ihrer Energie, Entschlossenheit und Kreativität nach einer Alternative zum Bestehenden sucht und dafür kämpft. Ansonsten dient die Verbesserung der Atmosphäre im Rahmen der Willkommensinitiativen nur der Vertuschung der Verhältnisse.
Unser Kampf gegen die mörderische Migrationspolitik ist deshalb nicht zu denken, ohne die Suche nach einer konkreten Alternative und einem guten Leben für alle. Und wer behauptet, wir seien naiv oder linke Spinner_innen, dem sei entgegnet: Nicht der Gedanke einer Teilhabe aller muss sich rechtfertigen, sondern diejenigen, die ein System verteidigen, das jeden Tag offensichtlicher Menschen entwürdigt oder tötet. Auf unserer Suche nach Alternativen können wir von aktuellen Bewegungen wie der in Rojava/Nordsyrien lernen: Dort hat die Bevölkerung vor drei Jahren begonnen, sich zunehmend in Räten selbst zu organisieren und eine Gesellschaft auf der Basis von Solidarität und Gleichberechtigung aufzubauen. In ihrem Gesellschaftsvertrag ist festgehalten, dass keine Person gegen ihren Willen abgeschoben werden darf.