Trotz hoher Belastung: Sachsens Polizei befindet sich weiter auf Schrumpfkurs

Erstveröffentlicht: 
22.07.2015

In den kommenden zehn Jahren werden 450 Stellen abgebaut / Kritik von Linken-Innenpolitiker Stange

 

Von jürgen kochinke


Dresden. Wenn es bisher um den Personalnotstand bei der sächsischen Polizei ging, waren sich die Kritiker von Schwarz-Rot schnell einig. Der von der CDU/SPD-Regierung beschlossene Neueinstellungskorridor reicht nicht aus, angesichts der enorm gestiegenen Belastungen müssten mehr junge Kräfte her. So redeten alle, von der Opposition bis hin zur Gewerkschaft der Polizei (GdP). Jetzt aber liegen erstmals Zahlen zum Thema vor, erstellt von Enrico Stange, dem Innenpolitiker der Linken. Ergebnis: Trotz der erst kürzlich von Schwarz-Rot beschlossenen Anhebung der Neueinstellungen von 300 auf 400 junge Beamte steht der Polizei ein weiterer Schrumpfkurs bevor. Im Schnitt fallen pro Jahr rund 50 Stellen dem Rotstift zum Opfer, insgesamt 450 sind es bis 2025 (siehe Grafik).


Derzeit sind laut Stange in Sachsen rund 13050 Beamte im Dienst. Die Anzahl jener Polizisten, die wirklich ermitteln oder unterwegs auf der Straße sind, liegt allerdings erheblich darunter. So gibt es derzeit lediglich 11000 sogenannte Vollzugsbeamte, die restlichen über 2000 sind woanders tätig, als Verwaltungsbeamte zum Beispiel. Bei seinem gesamten Zahlenwerk bezieht sich der Linke ausschließlich auf offizielle Werte, die er zuvor im Innenministerium erfragt hat. Dabei hat er vor allem die sogenannten Altersabgänge und Neueinstellungen unter die Lupe genommen, mit dem Resultat: Der Stellenabbau geht weiter, durch den erweiterten Neueinstellungskorridor wird er lediglich gebremst. Allerdings gilt das nur für den Fall, dass die Höhe der Neueinstellungen auf demselben Niveau bleibt - was keineswegs ausgemacht ist.


Für Stange ist dies das falsche Signal. "Die Aufgabenanforderungen an die Polizei sind mit einem weiter sinkenden Personalbestand nicht zu erfüllen", sagt er. Es müsse dringend gegengesteuert werden. "Erforderlich wäre eine deutliche Ausweitung des Einstellungskorridors, vor allem für Beamte im Vollzugsdienst", so Stange. Das sieht die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ganz ähnlich. "Wenn sich nichts ändert, gehen Sicherheit und Polizeiarbeit den Bach runter", meint Landeschef Hagen Husgen. Längst sei die Belastungsgrenze für die Beamten überschritten.


Laut Husgen sind sogar 100 bis 150 Neueinstellungen zusätzlich nötig, um den Altersabbau sowie die enorm angewachsenen Anforderungen zu kompensieren. "Wir haben ständig neue Aufgaben gekriegt, aber kein Personal", meint der GdP-Chef. Als Beispiele nennt er die Internet-Kriminalität, den boomenden Rauschgiftmarkt, Pegida und seine Ableger sowie Demos und Proteste. Und noch Zweierlei kommt hinzu: "Ich denke mit Schrecken an das Wochenende, wenn die 3. Liga im Fußball wieder beginnt", nennt Husgen das eine gravierende Problemfeld. Bei dem anderen handelt es sich um den gesamten Asylbereich, die Sicherung von Erstaufnahmeeinrichtungen vor allem.


Das Innenministerium wiederum verweist auf das sogenannte Polizei-Konzept 2020. "Ziel der Reform ist immer gewesen, die Polizeipräsenz auf der Straße aufrecht zu erhalten", sagt Martin Strunden, der Sprecher von Minister Markus Ulbig (CDU). "Es ist Aufgabe der gerade eingerichteten Fachkommission, den künftigen Personalbedarf der Polizei neu zu bewerten." Worauf Strunden anspielt, ist die geplante Evaluation, die im kommenden Jahr auf dem Tisch liegen soll. Im Zentrum steht die Frage, ob die Stellenausstattung dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Dabei geht es auch um die zukünftige Kriminalitätsbelastung sowie die hohe Zahl von Großeinsätzen.