Für die extrem Vergesslichen
Scheinheilige Show: Von einem merkwürdigen Antrag der Republikaner im Stadtrat
Von Steffen Gierescher (RHEINPFALZ)
Vorsicht, am Montag wird"s extrem. Denn dann wird im Stadtrat radikal
der Rotstift angesetzt. Weil extrem gespart werden muss. Darauf werden
wohl Oberbürgermeisterin und Kämmerer drängen. Was bei einer extremen
Schuldenlast von nahezu einer Milliarde Euro und einem aktuellen
Defizit in dreistelliger Millionenhöhe nicht weiter verwundert.
Die mit 28 extrem hohe Zahl an Tagesordnungspunkten (Top) deutet überdies auf eine extrem lange Sitzung hin. Was das Ganze in zweierlei Hinsicht extrem anstrengend machen könnte. Neben dickem Sitzfleisch wird den Räten in Anbetracht der Zahlenflut konzentrierte Aufmerksamkeit abverlangt.
Extrem die Stirn runzeln wird der eine oder andere wohl beim Top 22: „Antrag der Stadtratsfraktion der Republikaner: Bekämpfung von politischem Extremismus." Aus dieser Ecke klingt ein solches Begehren doch extrem seltsam. Um nicht zu sagen: extrem aufgesetzt. „Ablenkungsmanöver" meint dazu einer aus der Stadtspitze, „reine Show" nennt es ein anderer aus dem Kreis der nicht-republikanischen Opposition. Was die Unterstellung einer extremen Inszenierung impliziert, die eigentlich schon bei der letzten Sitzung im Oktober über die Bühne gehen sollte. Doch weil der Antrag der Reps damals extrem spät, also nicht fristgerecht eingereicht worden war, muss sich das geschätzte Gremium nun am Montag damit beschäftigen. Derweil das Gros der Stadt-Parlamentarier der Aussprache dazu dem Vernehmen nach extrem gelassen entgegensieht. „Die sind doch ohnehin fremdgesteuert", heißt es.
Was die Reps in ihrem Vorstoß fordern, präzisiert Fraktionschef Udo Thümmel: Er will, dass der „Stadtrat beschließt, dass alle Maßnahmen gegen politischen Extremismus ausgeweitet werden", und zwar „gegen jeglichen politischen Extremismus auf kommunaler Ebene". Begründung: „Es gibt keinen guten und schlechten politischen Extremismus." Links-, Rechts- und Ausländerextremismus seien politische Erscheinungsformen, die gleichwertig bekämpft werden müssten. Seine Partei lehne jeglichen Extremismus ab. So so.
Was sich im ersten Moment extrem politisch korrekt anhören soll, ist bei genauerer Betrachtung extrem scheinheilig. Oder Thümmel hat extreme Erinnerungslücken.
Waren es doch seine Gefolgsleute, die wenige Wochen nach der Brandkatastrophe in der Jaegerstraße extrem reagiert hatten. Extrem unsensibel nämlich. Im April 2008 hatten die Reps an der Ruine ein Plakat mit der Aufschrift „Heimat bewahren - Islamisierung stoppen" angebracht. Was man angesichts der Tatsache, dass hier neun Menschen türkischer Herkunft ums Leben gekommen sind, als extrem geschmacklos bezeichnen muss.
Verdrängt hat Thümmel offenbar auch die Kommunalwahl im Juni, als seine Partei eine Zusammenarbeit mit der „Deutschen Liste" eingeräumt hat. Eine dem extrem rechten Spektrum nahe Gruppe, die ein gewisser Günter Deckert gegründet hat. Für extrem Vergessliche: Der Weinheimer Holocaust-Leugner wurde wegen Volksverhetzung verurteilt. Von 1991 bis 1996 war der gebürtige Heidelberger Bundes-Vorsitzender der NPD. Und wenn der Kreisvorsitzende der Reps, Marco Steigert, zu Deckert sagt, „der ist doch Geschichte", macht er sich"s ziemlich einfach. Extrem einfach.
Nun sind die Reps im Stadtrat bisher vor allem dadurch aufgefallen, dass sie nicht weiter aufgefallen sind. Ihr politisches Mandat interpretieren sie wortkarg bis teilnahmslos. Was wiederum daran liegen könnte, dass die jetzt vierköpfige Truppe einfach nix zu sagen hat und dem Gebot der Sparsamkeit insofern extrem unkonventionell begegnet. Von wenigen extrem merkwürdigen Anträgen mal abgesehen.