Debatte im Sächsischen Landtag: Ist Sachsen rassistisch und wenn ja, wieso?

Erstveröffentlicht: 
08.07.2015

Die Asylpolitik ist diese Woche Topthema im Landtag. Rassistische Gesinnungen, Übergriffe in Sachsen und die Frage, inwieweit diese auf ein Versagen der Politik zurückzuführen sei, bestimmten die hitzige Debatte. Die Landtagsdiskussion zeigte ein weiteres Mal, dass es auf diese Fragen auch im Landtag keine einfachen und abschließenden Antworten gibt.

 

Gleich zu Beginn der Asyldebatte im Sächsischen Landtag bezog der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Hartmann, Position zu den Tumulten in Freital: "Das, was wir in Freital erlebt haben, hat eine Grenze überschritten. Dem ist eine Absage zu erteilen." Es sei allerdings nicht hilfreich, diesbezüglich Dinge links- oder rechtspopulistisch zu instrumentalisieren.

 

Aufruf der SPD: Rassismus wieder ächten


Albrecht Pallas (SPD) warnte, eine mangelnde Kommunikationsstrategie der Regierung dürfe nicht als Vorwand für ausländerfeindliche Entgleisungen dienen. "Wir müssen Rassismus wieder gesellschaftlich ächten, zu diesem Konsens müssen wir wieder zurückkehren." Pallas räumte nichtsdestotrotz ein gewisses Versagen der Politik ein. Wichtig sei es, dass nicht über Nacht und ohne Vorankündigungen Erstaufnahmestellen in kleinen und mittleren Städten errichtet würden. Damit trage die Politik zu einer Verschärfung der Situation bei, fügte der Sozialdemokrat hinzu. Innenminister Markus Ulbig warf ein, dass die Kommunikation natürlich immer verbessert werden könne. Aber mit dem Vorwurf der mangelnden Bürgerinformation könne nicht darüber hinweggetäuscht werden, dass oftmals dahinter eine grundsätzlich ablehnende Einstellung stehe.

 

Der AfD-Abgeordnete André Barth kritisierte einen massiven Missbrauch des Asylrechts und eine zu lasche Abschiebepraxis. Er verwies darauf, dass Übergriffe auf Flüchtlingsheime genauso zur Realität gehörten wie straffällige Asylbewerber.

 

Öl ins Feuer gegossen?


Abgeordnete von der Linken und den Grünen bemängelten die Kommunikationsstrategie der Landesregierung. Mit Äußerungen wie beispielsweise zu einer möglichen Gesundheitskarte habe die CDU die Stimmung in der Gesellschaft angeheizt.

 

Mackenroth und Ulbig: Lasten in Europa gerechter verteilen

 

Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth und Innenminister Markus Ulbig plädierten für eine bessere "Verteilgerechtigkeit" in Europa. Die europäische Gemeinschaft müsse die Lasten solidarisch tragen. Bundesweit sei eine Zunahme rassistischer Einstellungen zu verzeichnen, es sei kein spezifisch sächsisches Problem. Auch Mackenroth forderte eine bessere Informationspolitik ein. Hier nannte er das Beispiel Rossendorf. "Das Dorf bei Bautzen am Waldrand mit seinen 90 Einwohnern soll 72 Asylsuchende aufnehmen. Das haben sie der Zeitung entnommen."

 

Ulbig wünscht sich mehr Zusammenarbeit


Ulbig machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass er sich bei der Flüchtlingsunterbringung generell mehr regionale Mitwirkung wünsche. "Die Verantwortung liegt nicht allein bei der Staatsregierung." Görlitz sei ein gutes Beispiel dafür. Dort sei der Plan, Flüchtlinge in einem Studentenwohnheim unterzubringen, zunächst auf Gegenwehr gestoßen. Landrat, Oberbürgermeister und Abgeordneter hätten einen Gegenvorschlag geliefert.

Mehr Polizeischutz für Flüchtlingsheime  Grünen scheitern mit Antrag

Die von den Grünen geforderte Aufstockung der Polizeipräsenz vor Flüchtlingsheimen wurde im Landtag abgelehnt. Ein entsprechender Antrag fand nicht die nötige Mehrheit. Die Partei hatte darin außerdem angeregt, ein Verbot sogenannter Bürgerwehren zu prüfen. Diese versammeln laut dem Papier insbesondere in Freital, Meißen und Ostritz rechtes Klientel mit großem Gewaltpotenzial.

Lediglich bei der Linken-Fraktion fand das Papier Zustimmung. Der Anstieg gewalttätiger Übergriffe auf Flüchtlingsheime seit 2012 von insgesamt 8 auf 52 im Jahr 2015 zeige, dass es im Freistaat kein vernünftiges Sicherheitskonzept gebe, so die Linken-Fraktion. Die SPD-Fraktion bezeichnete das Konzept als zu allgemein und nicht passgenau. Jede einzelne Flüchtlingsunterkunft benötige individuelle Sicherheitsmaßnahmen, so der SPD-Abgeordnete Albrecht Pallas.

Die CDU kritisierte den Antrag als zu einseitig auf die Polizeiarbeit zugeschnitten. Viele Akteure - auch jeweils vor Ort - seien involviert . Das Innenministerium nehme seine Aufgabe ernst. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Hartmann, sieht eine Verbesserungsmöglichkeit bei den Heimbetreibern. Die Forderung des Bundes der Sicherheitswirtschaft, die Heime nur durch zertifizierte Sicherheits-Unternehmen mit professionellen Sicherheitsmitarbeitern betreiben zu lassen, finde er einleuchtend.

Die AfD wies den Antrag als "völlig populistisch" zurück. Carsten Hütter erklärte: "Wir übergehen damit unsere Bürger." Er verwies auf Gewalttaten von Asylbewerbern untereinander und auf Übergriffe von Flüchtlingen auf die hiesige Bevölkerung.


SPD: Kein "Machtwort zu erwarten"

Der Wunsch nach einem Machtwort wird wohl unerfüllt bleiben. Die Pressesprecherin der SPD-Fraktionssprecherin, Petra Strutz, antwortete auf Anfrage von MDR SACHSEN: "Die Frage nach einem Machtwort stellt sich für uns nicht. Die SPD-Fraktion unterstützt den Kurs der Staatsregierung, die sich sowohl über Ministerpräsident Stanislaw Tillich wie über seinen Stellvertreter Martin Dulig klar zum Problem Rassismus in Sachsen geäußert haben." Am Donnerstag wird Ministerpräsident Stanislaw Tillich nach MDR-Informationen in einer Regierungserklärung auch zur Asylpolitik Stellung beziehen.

 


 

 

Mehr Erstaufnahme-Plätze

Ein Kabinettsbeschluss zum Thema Asyl ist am Dienstag veröffentlicht worden:
Sachsen will angesichts steigender Flüchtlingszahlen die Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen ausbauen und für mehr variable und kurzfristige Plätze sorgen. Insgesamt richte sich das Land auf die Erstaufnahme von rund 5.000 Flüchtlingen ein, erklärte Innenminister Markus Ulbig bei der Vorstellung des neuen Konzepts. Etwa 2.000 zusätzliche Erstaufnahmeplätze sollen neu geschaffen werden.

2.380 Plätze davon sollen dauerhaft am Standort Chemnitz (mit dem Außenstandort Schneeberg), in Dresden sowie in Leipzig vorgehalten werden.

In Dresden soll es ab Anfang 2016 einen Containerstandort mit insgesamt 500 Plätzen für Asylbewerber geben. Zudem kündigte Ulbig eine personelle Verstärkung der zuständigen Behörden an.

Kritik an den Plänen kam von der Linken-Fraktion. Das von Markus Ulbig vorgestellte Papier verdiene die Bezeichnung "Konzeption" nicht. Es handele sich lediglich um eine Zusammenstellung bereits bekannter Vorhaben und die mögliche Verstetigung von Interim-Standorten. Auch qualitative Standards für die Erstaufnahme fehlten gänzlich, heißt es in einer Mitteilung der Partei.