Die Asylpolitik ist diese Woche Topthema im Landtag. Rassistische Gesinnungen, Übergriffe in Sachsen und die Frage, inwieweit diese auf ein Versagen der Politik zurückzuführen sei, bestimmten die hitzige Debatte. Die Landtagsdiskussion zeigte ein weiteres Mal, dass es auf diese Fragen auch im Landtag keine einfachen und abschließenden Antworten gibt.
Gleich zu Beginn der Asyldebatte im Sächsischen Landtag bezog der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Hartmann, Position zu den Tumulten in Freital: "Das, was wir in Freital erlebt haben, hat eine Grenze überschritten. Dem ist eine Absage zu erteilen." Es sei allerdings nicht hilfreich, diesbezüglich Dinge links- oder rechtspopulistisch zu instrumentalisieren.
Aufruf der SPD: Rassismus wieder ächten
Albrecht Pallas (SPD) warnte, eine mangelnde Kommunikationsstrategie der Regierung dürfe nicht als Vorwand für ausländerfeindliche Entgleisungen dienen. "Wir müssen Rassismus wieder gesellschaftlich ächten, zu diesem Konsens müssen wir wieder zurückkehren." Pallas räumte nichtsdestotrotz ein gewisses Versagen der Politik ein. Wichtig sei es, dass nicht über Nacht und ohne Vorankündigungen Erstaufnahmestellen in kleinen und mittleren Städten errichtet würden. Damit trage die Politik zu einer Verschärfung der Situation bei, fügte der Sozialdemokrat hinzu. Innenminister Markus Ulbig warf ein, dass die Kommunikation natürlich immer verbessert werden könne. Aber mit dem Vorwurf der mangelnden Bürgerinformation könne nicht darüber hinweggetäuscht werden, dass oftmals dahinter eine grundsätzlich ablehnende Einstellung stehe.
Der AfD-Abgeordnete André Barth kritisierte einen massiven Missbrauch des Asylrechts und eine zu lasche Abschiebepraxis. Er verwies darauf, dass Übergriffe auf Flüchtlingsheime genauso zur Realität gehörten wie straffällige Asylbewerber.
Öl ins Feuer gegossen?
Abgeordnete von der Linken und den Grünen bemängelten die Kommunikationsstrategie der Landesregierung. Mit Äußerungen wie beispielsweise zu einer möglichen Gesundheitskarte habe die CDU die Stimmung in der Gesellschaft angeheizt.
Mackenroth und Ulbig: Lasten in Europa gerechter verteilen
Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth und Innenminister Markus Ulbig plädierten für eine bessere "Verteilgerechtigkeit" in Europa. Die europäische Gemeinschaft müsse die Lasten solidarisch tragen. Bundesweit sei eine Zunahme rassistischer Einstellungen zu verzeichnen, es sei kein spezifisch sächsisches Problem. Auch Mackenroth forderte eine bessere Informationspolitik ein. Hier nannte er das Beispiel Rossendorf. "Das Dorf bei Bautzen am Waldrand mit seinen 90 Einwohnern soll 72 Asylsuchende aufnehmen. Das haben sie der Zeitung entnommen."
Ulbig wünscht sich mehr Zusammenarbeit
Ulbig machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass er sich bei der Flüchtlingsunterbringung generell mehr regionale Mitwirkung wünsche. "Die Verantwortung liegt nicht allein bei der Staatsregierung." Görlitz sei ein gutes Beispiel dafür. Dort sei der Plan, Flüchtlinge in einem Studentenwohnheim unterzubringen, zunächst auf Gegenwehr gestoßen. Landrat, Oberbürgermeister und Abgeordneter hätten einen Gegenvorschlag geliefert.
Die von den Grünen geforderte Aufstockung der Polizeipräsenz vor
Flüchtlingsheimen wurde im Landtag abgelehnt. Ein entsprechender Antrag
fand nicht die nötige Mehrheit. Die Partei hatte darin außerdem
angeregt, ein Verbot sogenannter Bürgerwehren zu prüfen. Diese
versammeln laut dem Papier insbesondere in Freital, Meißen und Ostritz
rechtes Klientel mit großem Gewaltpotenzial.
Lediglich bei der
Linken-Fraktion fand das Papier Zustimmung. Der Anstieg gewalttätiger
Übergriffe auf Flüchtlingsheime seit 2012 von insgesamt 8 auf 52 im Jahr
2015 zeige, dass es im Freistaat kein vernünftiges Sicherheitskonzept
gebe, so die Linken-Fraktion. Die SPD-Fraktion bezeichnete das Konzept
als zu allgemein und nicht passgenau. Jede einzelne
Flüchtlingsunterkunft benötige individuelle Sicherheitsmaßnahmen, so der
SPD-Abgeordnete Albrecht Pallas.
Die CDU kritisierte den Antrag
als zu einseitig auf die Polizeiarbeit zugeschnitten. Viele Akteure -
auch jeweils vor Ort - seien involviert . Das Innenministerium nehme
seine Aufgabe ernst. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion,
Christian Hartmann, sieht eine Verbesserungsmöglichkeit bei den
Heimbetreibern. Die Forderung des Bundes der Sicherheitswirtschaft, die
Heime nur durch zertifizierte Sicherheits-Unternehmen mit
professionellen Sicherheitsmitarbeitern betreiben zu lassen, finde er
einleuchtend.
Die AfD wies den Antrag als "völlig populistisch"
zurück. Carsten Hütter erklärte: "Wir übergehen damit unsere Bürger." Er
verwies auf Gewalttaten von Asylbewerbern untereinander und auf
Übergriffe von Flüchtlingen auf die hiesige Bevölkerung.
Der Wunsch nach einem Machtwort wird wohl unerfüllt bleiben. Die Pressesprecherin der SPD-Fraktionssprecherin, Petra Strutz, antwortete auf Anfrage von MDR SACHSEN: "Die Frage nach einem Machtwort stellt sich für uns nicht. Die SPD-Fraktion unterstützt den Kurs der Staatsregierung, die sich sowohl über Ministerpräsident Stanislaw Tillich wie über seinen Stellvertreter Martin Dulig klar zum Problem Rassismus in Sachsen geäußert haben." Am Donnerstag wird Ministerpräsident Stanislaw Tillich nach MDR-Informationen in einer Regierungserklärung auch zur Asylpolitik Stellung beziehen.
Ein Kabinettsbeschluss zum Thema Asyl ist am Dienstag veröffentlicht worden:
Sachsen
will angesichts steigender Flüchtlingszahlen die Kapazitäten in den
Erstaufnahmeeinrichtungen ausbauen und für mehr variable und
kurzfristige Plätze sorgen. Insgesamt richte sich das Land auf die
Erstaufnahme von rund 5.000 Flüchtlingen ein, erklärte Innenminister
Markus Ulbig bei der Vorstellung des neuen Konzepts. Etwa 2.000
zusätzliche Erstaufnahmeplätze sollen neu geschaffen werden.
2.380
Plätze davon sollen dauerhaft am Standort Chemnitz (mit dem
Außenstandort Schneeberg), in Dresden sowie in Leipzig vorgehalten
werden.
In Dresden soll es ab Anfang 2016 einen
Containerstandort mit insgesamt 500 Plätzen für Asylbewerber geben.
Zudem kündigte Ulbig eine personelle Verstärkung der zuständigen
Behörden an.
Kritik an den Plänen kam von der Linken-Fraktion.
Das von Markus Ulbig vorgestellte Papier verdiene die Bezeichnung
"Konzeption" nicht. Es handele sich lediglich um eine Zusammenstellung
bereits bekannter Vorhaben und die mögliche Verstetigung von
Interim-Standorten. Auch qualitative Standards für die Erstaufnahme
fehlten gänzlich, heißt es in einer Mitteilung der Partei.