Heftige Reaktionen auf Vorwürfe des sächsischen Extremismusforschers Jesse
Von Klaus Staeubert
Das gestern veröffentlichte LVZ-Interview mit dem renommierten
sächsischen Politik- und Extremismusforscher Professor Eckhard Jesse hat
ein breites Echo ausgelöst. Vor dem Hintergrund des jüngsten
linksextremistischen Angriffs in Leipzig warf Jesse Grünen und Linken
vor, die militante autonome Szene in der Stadt zu verharmlosen. Die FDP
kündigte gestern eine Initiative auf der Stadtratssitzung am kommenden
Mittwoch an.
"Es ist an der Zeit, dass wir Demokraten uns alle klar gegen
Extremismus in unserer Stadt, ganz gleich welcher Couleur, bekennen",
sagte René Hobusch, FDP-Stadtrat und stellvertretender Kreisvorsitzender
seiner Partei. Gegenüber Extremismus und Gewalt dürfe es keinen
Millimeter Toleranz geben - erst recht, wenn der Ruf Leipzigs mit
gewalttätigen Aktionen und Aufmärschen immer wieder beschädigt werde.
Hobusch: "Meinungsfreiheit ist kein Freifahrtschein für Randale und
Sachbeschädigungen. Es macht dabei keinen Unterschied, ob der
Extremismus von rechts, links oder religiös eingefärbt daher kommt."
Die Nachwuchsorganisation der Liberalen, Julis, fasste einen Beschluss
zur Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität. Darin werden sowohl
die Stadt Leipzig als auch Polizei und Staatsanwaltschaft aufgefordert,
im Umfeld von Demonstrationen und unangemeldeten Versammlungen für die
Einhaltung geltenden Rechts zu sorgen. "Was hier fehlt, ist eine
durchdachte Strategie, die konsequent durchgehalten wird", so
Julis-Vorsitzende Linda Firmbach.
Grünen-Politiker wiesen den Vorwurf zurück, sie würden den
Linksextremismus bagatellisieren. "Wir haben immer klar Stellung gegen
Gewalt bezogen", teilten die Sprecherin des Kreisverbandes, Christin
Melcher, und Fraktionsvorsitzender Norman Volger in einer gemeinsamen
Erklärung mit. Zudem seien die Grünen selbst mehrfach Opfer von
Angriffen aus der linksextremen Szene geworden. Das Kreisverbandsbüro
sei mehrmals massiv beschädigt worden, die Arztpraxis einer ihrer
Stadträtinnen über dem Connewitzer Polizeiposten ebenso betroffen
gewesen. Auf der Liste der Anschlagsziele zum Jahreswechsel 2014/15
hätte neben der Kreisgeschäftsstelle der CDU auch die der Grünen in
Leipzig gestanden.
"Dass zudem CDU-Politiker und erzkonservative Politikwissenschaftler
versuchen, auf Grund von Engagement gegen Rassismus und
Menschenfeindlichkeit darauf zu schließen, dass wir auf dem anderen Auge
blind sind, verunglimpft jeglichen demokratischen Protest gegen
Neonazis und Rechtsextremisten", so Melcher und Volger weiter. Grüne
stünden für eine weltoffene und friedliche Gesellschaft, lehnten Gewalt
als Mittel der politischen Meinungsäußerung ab.
Anders sieht das die AfD. Deren Kreisvorsitzender Siegbert Droese sagte:
"Viel zu lange haben Grüne und Linke sich nie wirklich von dem linken
Terror, mit dem die Linksextremisten mittlerweile regelmäßig unser
Leipzig heimsuchen, abgegrenzt. Wie sollen es die verdorbenen
Jugendlichen auch anders werten - denn als Duldung - wenn nach jedem
Gewaltexzess die Parteien dann die Ereignisse bejammern und bei der
nächsten Demonstration mit den Linksextremisten wieder Seit' an Seit'
marschieren."
Die Nachwuchsorganisation der SPD, Jusos, hob hervor, dass sie in Gewalt
kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sieht. "Anstatt unser
Engagement und das der anderen linken Parteien in den Dreck zu ziehen",
sagte Leipzigs Jusos-Vorsitzender Matthias Köhler, "sollten alle
demokratischen, gesellschaftlichen Akteure das eigentliche Ziel im Auge
behalten: Klare Kante gegen Rechts und Gewalt!"