"Gefahrengebiete" in Hamburg: Polizei darf nicht ohne Verdacht kontrollieren

Erstveröffentlicht: 
13.05.2015

Wenn Hamburger Polizisten ohne Grund Passanten kontrollieren, handeln sie verfassungswidrig. Das Oberverwaltungsgericht der Hansestadt hat den Behörden die umstrittene Praxis untersagt.

 

Die Einrichtung sogenannter Gefahrengebiete durch die Hamburger Polizei ist nach einem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts verfassungswidrig. Die gesetzliche Regelung erlaubt der Polizei bisher, Bürger in einem definierten Areal ohne Verdacht zu kontrollieren, wenn mit schweren Straftaten zu rechnen ist.

 

Die Regelung verstoße gegen das Grundgesetz, erklärte das Oberverwaltungsgericht. Eine Revision gegen die Entscheidung wurde nicht zugelassen. Die Innenbehörde kann aber gegen die Nichtzulassung innerhalb eines Monats Beschwerde einlegen.

 

Geklagt hatte eine Bewohnerin des Hamburger Schanzenviertels, die in der Nacht zum 1. Mai 2011 in einem damals eingerichteten Gefahrengebiet von der Polizei in Gewahrsam genommen worden war. Bereits in erster Instanz stellten die Richter fest, dass die Frau zu Unrecht mehrere Stunden lang festgehalten worden war. Auch die Feststellung ihrer Identität und die Durchsuchung ihres Rucksacks seien rechtswidrig gewesen, urteilte das Oberverwaltungsgericht nun.

 

Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

Das Gesetz verletze das sogenannte rechtsstaatliche Bestimmtheitsverbot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine polizeiliche Lagebeurteilung sei kein Maßstab für Grundrechtseingriffe. Es bestehe die Gefahr, dass Personenkontrollen an "relativ diffuse Anhaltspunkte" geknüpft würden.

 

Die Benennung der "linken Szene" als Zielgruppe für die Kontrollen verstoße gegen das Diskriminierungsverbot und den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Eine Definition einer Personengruppe nach dem äußeren Erscheinungsbild sei unzulässig. "Zweifelhaft kann das nicht zuletzt dann sein, wenn eine bestimmte szenetypische Kleidung oder andere in der Szene verbreitete Äußerlichkeiten auch in einem szenefernen Umfeld aufgrund schlichter Modeerscheinungen verbreitet sind", erklärte der Vorsitzende Richter Joachim Pradel.

 

Gefahrengebiete in den Stadtteilen St. Pauli, Schanzenviertel und Altona hatten Anfang 2014 bundesweit Proteste ausgelöst. Etwa 50.000 Hamburger waren betroffen. Anlass waren Angriffe auf Polizeieinrichtungen nach Demonstrationen von Linksextremisten.