Anschläge in Friedrichshain
Von Jeanette Hix und Eric Richard (Fotos)
Friedrichshain – Der Traum vom eigenen Heim sollte es werden, doch er begann mit einem Alptraum: Weil eine Berliner Baugemeinschaft Neubauten auf einer Grünfläche errichtet hat, die vorher Linksextreme nutzten, hagelte es jetzt Stahlgeschosse und Farbbomben.
„Hier wohnt ein Kind“ steht mit Riesen-Lettern an der Scheibe, die von 24 je 6 Millimeter dicken Stahlkugeln getroffen wurde. Betroffen ist einer von sechs Neubauten an der Liebigstraße 1, Ecke Rigaer Straße. Nebenan haben Linksextreme Häuser besetzt. Die Grünfläche, auf der jetzt die Neubauten stehen, war ihr Rückzugsgebiet, Bambiland haben sie es genannt.
Doch dann wurden die sechs Häuser samt 140 Eigentumswohnungen gebaut. Die erste Attacke war Silvester 2015 – da standen die Häuser noch leer. Bis zu 30 Vermummte hatten das Gelände gestürmt. Sie griffen einen Security-Mann an, schmissen Steine und Farbbeutel auf die Häuser. Vor fünf Wochen zogen die ersten Eigentümer ein. Und eines Abends passierte es: Farbbomben klatschten an weiße Fassaden, Stahlgeschosse krachten in die Scheiben. Sogar auf Kinderzimmer wurde geschossen.
„Da Licht brannte, waren die Zimmer eindeutig erkennbar. Wir haben Angst um unsere Kinder“, sagt ein Vater (40) von zwei Kindern (3 Monate und 5 Jahre), der seinen Namen lieber nicht nennen will.
Neu-Eigentümer Stefan (44) zum KURIER: „Ich kann die Linksextremen zum Teil verstehen. Ich habe Jahre in Mitte gewohnt. Ich war auch sauer, als mir ein Haus vor die Nase gesetzt wurde. Aber Berlin hat Wohnungsnot. Letztendlich entlasten wir mit unserem Neubau den Wohnungsmarkt.“
Linksextreme attackieren Kinderzimmer
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Doch die linksextreme Szene aus dem Kiez machte schon lange auf ihrer Plattform indymedia.org Stimmung gegen die Liebigstraße 1. Der Vorwurf: Die Neuen treiben die Gentrifizierung voran. Weil immer mehr arme Leute abwandern und mehr Reiche zuziehen, steigen die Mieten. Die Neuen aus der Liebigstraße seien auch keine Berliner, wollen mit den Wohnungen spekulieren. Dazu Stefan: „Da kenne ich niemanden. Fast alle kommen aus Berlin und haben gespart, um sich Eigentum leisten zu können.“
Nach KURIER-Informationen haben viele der Eigentümer „normale“ Berufe. Stefan etwa arbeitet für eine Menschenrechtsorganisation. Eine Eigentümerin ist Sozialarbeiterin und lebt zu dritt auf 85 Quadratmetern. Der Vater von zwei Kindern ist in der Online-Branche tätig und lebt zu viert auf rund 100 Quadratmetern. Die nächsten 15 Jahre zahlt die Familie für den Kredit ab.
Ihren Neubau hatten die Eigentümer per Baugemeinschaft errichtet, in der alle Erspartes zusammenlegten, um das erworbene Grundstück bebauen zu können.
Der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber sieht mit großer Sorge, wie sich die linksautonome Szene in Berlin entwickelt. „Sie wird immer gewalttätiger und intoleranter. Berlin muss handeln.“
Die Eigentümer der Liebigstraße wollen jetzt auf ihre linksautonomen Nachbarn zugehen. „Für eine gute Nachbarschaft muss man miteinander reden, nicht aufeinander schießen“, sagt Stefan.