Berlin-Marzahn 14|15 - Eine Zusammenfassung

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Der nationale Widerstand marschiert...
Anfang dieser Woche fand in Berlin-Marzahn die 20. 'Montagsdemo' gegen ein geplantes Container-Lager zur Unterbringung von Flüchtlingen statt. Im Zuge einer monatelangen rassistischen Mobilisierung, initiiert und angemeldet von organisierten Nazis aus Marzahn-Hellersdorf und Berlin, konnten seit November 2014 nahezu wöchentlich Menschen auf die Straße gebracht werden. Damit handelt es sich um die größte und erfolgreichste rassistische Mobilisierung aus der Nazi-Szene in Berlin seit mehreren Jahren. Unter den TeilnehmerInnen fanden sich jedoch nicht nur langjährig organisierte und politisch tätige Nazis aus Berlin und Brandenburg, sondern auch ‚alte KameradInnen‘ aus den 90er Jahren, gewaltbereite und rechte Fußball-Fans, offen rassistische sowie sich betont bürgerlich gebende AnwohnerInnen. In diesem Mob, darunter auch auffällig viele und junge TeilnehmerInnen, eröffnete sich dem organisierten Kern von Nazis ein ungewohnt breites Rekrutierungspotenzial.


... und die meisten AnwohnerIinnen bleiben inzwischen zu Hause.
Auf die spontane und sprunghaft ansteigende Beteiligung von nicht organisierten AnwohnerInnen im November und Dezember 2014 - einmalig mit bis zu 850 TeilnehmerInnen - folgte im Januar und Februar 2015 die Ernüchterung. Mit regelmäßigen Kundgebungen an ihrem Startplatz, zahlreichen Demos im Kiez und der öffentlichen Dokumentation ihrer Aktivitäten und rassistischen Parolen sind wir den Nazis zu Beginn massiv und später zumindest noch kontinuierlich auf die Nerven gegangen. Aus mehreren hundert wurden in  kurzer Zeit knapp hundert teilnehmende Personen. Die Demonstrationen der 'Bürgerbewegung Marzahn' gleichen inzwischen unverkennbar den üblichen Nazidemos und werden auch im Kiez immer stärker als solche wahrgenommen. Ein für Februar angekündigter Strategiewechsel beschränkte sich weitestgehend auf den drastischen Rückzug aus der Öffentlichkeit Sozialer Medien. Einerseits sind dadurch womöglich SympathisantInnen und Interessierte verloren gegangen,  doch andererseits wird der Kreis der Aktiven auf diese Weise übersichtlicher und auch klandestiner. Wohin das mutmaßlich geführt haben kann zeigen aktuelle Ermittlungen der Berliner Polizei, unter anderem zu einer Volksverhetzung auf dem Schulhof einer deutsch-russischen Grundschule sowie die Sachbeschädigung und Bedrohung gegenüber einer russisch-orthodoxen Kirchengemeinde in Marzahn.

Der ‚harte Kern‘...
In den letzten vier Wochen beteiligten sich nur noch zwischen 30 und 70 Personen an den wöchentlichen Aufmärschen. Offenbar der ‚harte Kern‘ von inzwischen schon seit 2013 erfolgreich (re-)aktivierten MarzahnerInnen und HellersdorferInnen, angeführt von René Uttke, Daniela Fröhlich und Patrick Krüger. Den lautstarken und rassistischen Parolen sowie dem bewusst inszenierten Bedrohungspotenzial gegenüber PolitikerInnen, JournalistInnen und GegendemonstrantInnen tut das rapide sinkende Interesse im Kiez jedoch keinen Abbruch. Die AktivistInnen der ‚Bürgerbewegung Marzahn-Hellersdorf‘ haben es im Laufe der rassistischen Mobilisierung jedoch nicht bei Hetze und gezielter Desinformation belassen. So wurden wiederholt offen ideologische Bezüge zum Nationalsozialismus hergestellt. Anmelder René Uttke bezeichnet ein TV-Team aus der 'Montagsdemo' heraus als "Zionistenpack", während Kamerad Patrick Krüger auf Twitter-Fotos stolz seinen mit NS-Symbolik tätowierten Schädel vor den Dönitz-Bunkeranlagen präsentiert. Neben Deutschland- und Berlin-Fahnen führen die 'besorgten AnwohnerInnen' inzwischen auch regelmäßig eine schwarz-weiß-rote Reichsfahne mit. In Reden und Parolen ist zuweilen NS-Sprech zu hören, wenn es beispielsweise um "69 Jahre Volksbetrug" oder gegen die "Lügenpresse" ging. Letzteres bekamen im Verlauf der 20 Montagsdemonstrationen auch zahlreiche Presse-VertreterInnen ganz praktisch zu spüren, die offen bedroht, beleidigt, bespuckt und geschlagen und so letztlich an ihrer Arbeit gehindert wurden. Beteiligt daran ist oftmals der vom Nationalen Widerstand Berlin personell organisierte OrdnerInnendienst der Demo. Dieser kann unter den Augen der Polizei , die auch sonst zahlreiche Verstöße gegen das Versammlungsrecht durchgehen ließ, offenbar völlig frei agieren.

...und seine Ambitionen.
Während die rassistische Mobilisierung gegen gleichartige Container-Lager in Buch, in Hohenschönhausen und im Köpenicker Alleendeviertel inzwischen weitestgehend abgeklungen ist, behaupten sich die Marzahner Kameraden mit einer ungewohnten Ausdauer und steigendem Selbstbewusstsein. In ihrem Bezirk soll Widerstand geleistet werden bis das ‚Asyl-Container-Dorf‘ verhindert und das Volk endlich erwacht sei. Zwar wird inzwischen auch das Führungspersonal der ‚Bürgerbewegung Marzahn-Hellersdorf‘ bemerkt haben (müssen), dass sich das gegenwärtige Aktionsformat kaum noch eignet, um auf der Straße die angebliche Stärke und Geschlossenheit des "deutschen Volkes" zu demonstrieren. Doch darum geht es vermutlich schon länger nicht mehr. Nach vielen Blockade-Erfolgen und erfolgreichen Störaktionen von engagierten Menschen in vielen Teilen Berlins ist es in Marzahn zum ersten Mal seit Jahren wieder gelungen, ein regelmäßiges Demo-Event für anfangs mehrere hundert Rechte zu initiieren. Ein Triumph den die Nazis, trotz zwei angekündigter Strategiewechsel, nicht gewillt sind aufzugeben. Immerhin können die Nazis trotz einer gestiegenen Empathie für und Solidarität mit Geflüchteten vor Ort auch ein gestiegenes Bedrohungsempfinden potentieller Opfer von rassistischen und rechten Attacken im Kiez verbuchen. Nicht zuletzt hat sich der Beginn der Bauarbeiten nun auf den eigentlich angekündigten Bezug verschoben und es ist davon auszugehen, dass die Nazis wie in Hellersdorf versuchen werden, den Terror gegen Geflüchtete aufrecht zu erhalten.

Kontra Bürgerbewegung - Stören! Wir?
Zur nächsten Montagsdemonstration am 20. April könnten die Nazis aus Marzahn-Hellersdorf und Berliner Umgebung jedoch eine besondere Motivation haben. Denn der Geburtstag von Adolf Hitler ist für die rechte Szene noch immer ein wichtiges Datum, das in diesem Jahr mit den KameradInnen auf der Straße verbracht werden kann. Leider sind die wenigen verbliebenen Nazis der Bürgerbewegung in den letzten Wochen fast ungestört durch den Kiez gezogen. Ihren menschenverachtenden und rassistischen Parolen sollten wir am kommenden Montag mal wieder ein lautes und antifaschistisches Statement entgegensetzen!

 

Aktuelle und weitere Infos:

http://akmh.blogsport.eu/

 


Übersicht zu Berichten:

1. Der Impuls

Die erste Montagsdemo (03.11.2014) | bis zu 150 Personen

Die dritte Montagsdemo (17.11.2014) | bis zu 600 Personen | Chronik-Bericht

Der ersehnte Höhepunkt: (k)ein Großaufmarsch am 22.11.2014 | 600-700 Personen

 

2. Euphorie und Ernüchterung
Die vierte Montagsdemo (24.11.2014) | bis zu 800-900 Personen | Chronik-Bericht

Die fünfte Montagsdemo (01.12.2014) | 350-400 Personen | Chronik-Bericht

Die sechste Montagsdemo (08.12.2014) | 550 Personen | Chronik-Bericht

Die siebte Montagsdemo (15.12.2014) | bis zu 350-400 Personen | Chronik-Bericht
(K)ein Strategiewechsel

3. Routine und Resignation
Die achte Montagsdemo (12.01.2015) | knapp 200 Personen
Die neunte Montagsdemo (19.01.2015) |knapp 200 Personen
Die zehnte Montagsdemo (26.01.2015) | knapp 100 Personen
Die elfte Montagsdemo (02.02.2015) | 140 Personen
(K)ein weiterer Strategiewechsel

4. Durchhalteparolen und Radikalisierung
Die zwölfte Montagsdemo (09.02.2015) | knapp 100 Personen
Die dreizehnte Montagsdemo  (16.02.2015) | knapp 70 Personen
Die vierzehnte Montagsdemo (23.02.2015) | 50 Personen
Die fünfzehnte Montagsdemo (02.03.2015) | 70 Personen

5. Kameradschaft ‚Bürgerbewegung Marzahn-Hellersdorf‘
Die sechszehnte Montagsdemo (09.03.2015) | 80 Personen
Die siebzehnte Montagsdemo (16.03.2015) | 60 Personen
Die achtzehnte Montagsdemo (23.03.2015) | 60 Personen
Die neunzehnte Montagsdemo (30.03.2015) | knapp 40 Personen
Die zwanzigste Montagsdemo (13.04.2015) | knapp 40 Personen

Aktuell:

Aufruf zur einunzwanzigsten Montagsdemo am 20. April 2015