In Friedrichshain ist in der Nacht der Strom ausgefallen - und nur Minuten später flogen Steine und Böller. Ein Supermarkt wurde geplündert. Die Polizei musste sogar einen Hubschrauber einsetzen.
Es ist 2.39 Uhr in der Nacht, als im Bereich Frankfurter Allee, Eldenaer Straße und Rigaer Straße alle Lampen und Lichter ausgehen. Ein Stromausfall sorgt mit einem Schlag für Dunkelheit.
Nur sechs Minuten später geht die erste Alarmmeldung bei der Polizei ein: Unbekannte haben Barrikaden auf der Straße errichtet. Doch es ist nur der Beginn.
Rund 50 vermummte Personen sind zu dieser Zeit auf den Straßen unterwegs – und nutzen die einstündige Dunkelheit in der Nacht zu Sonnabend für Plünderungen und Gewaltausbrüche im Friedrichshainer "Nordkiez".
Vermummte setzen Barrikaden in Brand
Wie die Polizei der Berliner Morgenpost am Sonnabend sagte, hatten Unbekannte auf der Kreuzung Rigaer Straße Ecke Liebigstraße zunächst mit Baumaterial, Matratzen und Baustellenabsperrungen Barrikaden errichtet und diese in Brand gesetzt. Zudem zündeten sie Müllcontainer an. Die alarmierten Polizisten wurden sofort nach ihrem Eintreffen an der brennenden Barrikade mit Steinen und Böllern beworfen. Dabei durchschlug auch ein Pflasterstein die Seitenscheibe eines fahrenden Funkwagens. "Der Kollege wurde am Auge und am Arm durch Glassplitter verletzt und musste den Dienst abbrechen", sagte ein Polizeisprecher. "Er wurde ambulant in einem Krankenhaus behandelt." Mindestens zwei weitere Funkwagen wurden ebenfalls zum Teil erheblich beschädigt.
Erst als Unterstützung kam, flüchteten die Vermummten, hieß es bei der Polizei. Unterstützung bekamen die Einsatzkräfte auch aus der Luft. Zwischen 3 Uhr und 4.15 Uhr kreiste der Polizeihubschrauber über dem Gebiet.
Die Vermummten warfen zuvor allerdings auch noch die Schaufensterscheibe eines Discounters an der Rigaer Straße 36 ein. Dort drangen mehrere Personen in das Geschäft ein. Ob, und was genau die Täter entwendeten, sei nun Gegenstand der Ermittlungen. Am Sonnabendvormittag hatte ein Glasereinotdienst die zertrümmerten Scheiben provisorisch ersetzt. An der Frankfurter Allee im Bereich hinter der Liebigstraße beschädigten die Randalierer nach Polizeiangaben mit Steinen den Eingangsbereich und eine Fensterfront einer Bankfiliale. Die Ermittlungen in allen Fällen hat der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt übernommen.
"Bei der Tatortabsuche haben die Beamten dann zwei 25 und 30 Jahre alte Tatverdächtige festgenommen", sagte ein Polizeisprecher. "Etwas später wurden bei der Absuche der näheren Umgebung zwei beschädigte Autos an der Silvio-Meier-Straße entdeckt." Dort hatten Unbekannte Steine und Flaschen gegen die Fahrzeuge geworfen und dabei Front- und Heckscheibe sowie ein Rücklicht und einen Kotflügel beschädigt.
Kein Anschlag auf Trafo
Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) erklärt zu den Ausschreitungen: "Das sind feige und hinterhältige Taten. Hier soll offenbar nicht nur die Bevölkerung eingeschüchtert, sondern auch der Rechtsstaat herausgefordert werden. Der Hass dieser Chaoten richtet sich dabei auch ganz gezielt gegen die Polizei. Die Beamtinnen und Beamten sind massiv attackiert worden. Wenn man sich die Wurfgeschosse anschaut, dann ist es ein Wunder, dass nichts schlimmeres passiert ist. Ich wünsche dem verletzten Polizeibeamten schnelle und vollständige Genesung. Der Rechtsstaat wird weiter Präsenz zeigen und hart durchgreifen, wo es erforderlich ist. Die Regeln gelten in der ganzen Stadt, und zwar für alle."
Deutliche Worte der Kritik richtet die Gewerkschaft der Polizei nach den Ausschreitungen an den Innensenator und den Polizeipräsidenten: "Seit Jahren erleben wir eine hemmungslose Gewaltbereitschaft gegenüber Polizisten. In ganz Deutschland wird über Gegenmaßnahmen beraten, nur nicht in Berlin", sagte Steve Feldmann, Mitglied im Vorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP). "Die Zahl der Polizisten, die die Trägheit des Innensenators und dessen Polizeipräsidenten mit ihrer Gesundheit bezahlen müssen, steigt wöchentlich. Doch Frank Henkel und Klaus Kandt sind nicht zu bewegen, den Schutz der Polizisten in Berlin zu verbessern." Mittlerweile seien es die Fraktionen im Abgeordnetenhaus und die Gewerkschaft der Polizei, die ganz konkrete Vorschläge für Verbesserungen erarbeiten, heißt es. "Der Innenpolitische Führungsstil des Innensenators, des Staatssekretärs und des Polizeipräsidenten erinnert fatal an die berühmten drei Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen."
Der Stromausfall betraf nach Angaben des Energieversorgers Vattenfall knapp 18.000 Privathaushalte und 1500 Gewerbetriebe. Grund war demnach der Ausfall eines Transformators im Umspannwerk an der Gürtelstraße von 2.39 Uhr bis 3.38 Uhr. Einen gezielten Anschlag auf den Transformator könne er aber ausschließen, so ein Vattenfall-Sprecher. Der Ausfall sei ein Zufall gewesen.