Bei Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern der so genannten „Freien Kräfte Schwalm-Eder“ in Nordhessen hat die Polizei hat am Dienstag u.a. Baseballschläger, indizierte Musik-CDs, Propagandamaterial und diverse Fahnen beschlagnahmt. Hintergrund der von der Staatsanwaltschaft Marburg angeordneten Aktion war ein Angriff von Neonazis auf Gäste einer Gaststätte im nordhessischen Treysa Ende September 2009.
Dort hatte eine achtköpfige Gruppe einen 23-jährigen Mann beim Verlassen einer Gaststätte attackiert. Als ihm ein weiterer Gast und der Wirt zu Hilfe eilen wollten, wurden auch sie geschlagen und getreten. Die Täter gehörten offenbar der rechtsextremen Szene an, einer der Täter trug ein T-Shirt mit der in Eichenlaub eingefassten Zahl 88.
Erst auf Nachfragen von Journalisten war der Vorfall rund eine Woche später öffentlich geworden; die polizeilichen Ermittlungen führten schnell zu Mitgliedern der Neonazigruppe „Freie Kräfte Schwalm Eder“ (FKSE). Gegen mehrere Mitglieder wird wegen Körperverletzung, schweren Landfriedensbruchs, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und des Verdachts der Gefangenenbefreiung ermittelt.
Erst im August 2008 hatte die Polizei im Schwalm-Eder-Kreis 13 Wohnungen von mutmaßlichen Rechtsextremen durchsucht. Denn das gewalttätige Auftreten der FKSE ist kein neues Problem: prominentestes Mitglied der etwa 30-köpfigen Gruppe ist sicherlich der Neonazi Kevin S., der im Januar 2009 wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Er hatte im Juli 2008 in einem linken Zeltlager mit einer Glasflasche und einem Klappspaten auf zwei Schlafende eingeschlagen. Dabei wurde ein 13-jähriges Mädchen schwer verletzt.
Polizisten schwer verletzt
Doch auch nach dem Vorfall in Treysa im September dieses Jahres hörten die Übergriffe der seit 2005 auftretenden FKSE im Schwalm Eder Kreis nicht auf. Ende Oktober griffen fünf Neonazis in Borken zwei Kirmesgäste an, nur zwei Wochen später provozierten vier Rechtsextreme bei einem Volksfest in einem Schwalmstädter Ortsteil eine Schlägerei. In diesem Fall erhielt die Gruppe tatkräftige Unterstützung von etwa 15 weiteren Personen, die eine Festnahme der Täter verhindern wollten. Dabei trat ein Neonazi aus vollem Anlauf heraus einem Polizisten mit dem Fuß gegen den Kopf. Der Beamte erlitt unter anderem einen Jochbeinbruch und einen Kieferbruch.
Anschluss an das bürgerliche Vereinsleben
Der hessische Verfassungsschutz bezeichnet die FKSE als „typisches Beispiel für die (…) eher losen und informellen Zusammenschlusse von Neonazis. (…) Die Gruppierung fällt durch aggressives und gewaltbereites Vorgehen gegen politische Gegner auf“. Ideologische Unterstützung erhält die Gruppe von der NPD im Schwalm-Eder Kreis und dem „Bürgerbündnis Pro Schwalm Eder“.
Auch eine wissenschaftliche Studie zum Rechtsextremismus im Schwalm-Eder Kreis, die vom “Mobilen Beratungsteam gegen Rassismus und Rechtsextremismus in Hessen” (MBT) vorgelegt wurde, warnt vor dem „Phänomen“ der FKSE. Hinter deren geplanten Angriffen sieht das MBT jedoch mehr als nur einen losen Zusammenschluss, sondern vielmehr eine organisierte Gruppierung, die mit anderen rechtsextremen Jugendcliquen örtlich für No-Go-Areas für Andersdenkende gesorgt haben. Ihre Basis haben die Neonazis dabei oft in Sportclubs, Feuerwehren und den sog. „Kirmesburschen“, die die Volksfeste ausrichten. Nach einer Dokumentation vom September 2008 engagiert sich jeder Zweite einer Gruppe von Rechtsextremen in der Umgebung von Schwalmstadt im bürgerlichen Vereinsleben.