Linksextremismus: Härteres Vorgehen der Justiz gefordert
Ohne linksalternative Hausprojekte wäre Berlin ärmer. Doch manche dieser Zentren machen seit einiger Zeit mit Straftaten von sich reden, die deutlich über das Besetzen von ungenutztem Wohnraum hinausgehen. Bezirks- und Landespolitiker fordern ein entschiedeneres Vorgehen.
Relevante Gegenstände
Im Fokus der Senatsinnenverwaltung stehen derzeit die Hausprojekte
„Rigaer Straße 94“ in Friedrichshain und in der Köpenicker Straße 137 in
Mitte. Deren Umfeld „wird von Teilen der linksextremistischen Szene als
‚autonomer Freiraum’ betrachtet, in dem rechtsstaatlichen Normen die
Geltung abgesprochen wird“, so Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) in
seiner Antwort auf eine Anfrage der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus.
„Ihre gewaltsame ‚Verteidigung‘ gegen ‚Eindringlinge‘ gilt ihnen als
legitim.“ Dazu würden neben der Polizei und Eigentümern auch Neumieter
sowie Touristen zählen. Selbst Einrichtungen des Quartiersmanagements
gerieten in den Fokus der Szene. Unter anderem seien 45 Polizisten
verletzt worden, als sie nach einer Demonstration im Januar 2012 im
Innenhof der Rigaer Straße 94 mit Reizgas besprüht und mit einer
Eisenstange traktiert worden waren. Im August 2013 wurden dort laut
Krömer 94 „sprengstoff- und waffenrechtlich relevante Gegenstände
aufgefunden“. Hintergrund des Einsatzes waren Ermittlungen wegen
Anschlägen auf das Jobcenter und wegen eines Angriffs mit Brandsätzen
auf Polizisten am Kottbusser Tor. Krömer: „Es muss davon ausgegangen
werden, dass es sich bei der Rigaer Straße 94 um einen Tat- und
Rückzugsort von und nach begangenen Straftaten handelt.“ Im Falle der
„Köpi 137“ sei hingegen einzig wegen des Verdachts der Beleidigung von
Polizisten ermittelt worden.
Gute Arbeit. „Man darf nicht nur Probleme feststellen, man muss auch mit
dem gesamten Repressionsapparat dagegen vorgehen“, fordert der
Abgeordnete Tom Schreiber (SPD). Zwar seien zahlreiche
linksextremistische Straftäter ermittelt worden, doch in den seltensten
Fälle komme es zu einer Verurteilung. Schreiber sieht vor allem
Versäumnisse auf Seiten der Justiz. „Abhilfe könnten Aus- und
Weiterbildungsangebote zum politischen Extremismus schaffen“, sagt er.
Das Bezirksamt habe die Dinge viel zu lange treiben lassen und trage
seinen Teil der Verantwortung. Das Land Berlin müsse die Versäumnisse
kompensieren. Peter Beckers (SPD), der für öffentliche Ordnung
zuständige Stadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, sieht den Ball im Feld
des Senats. „In der Rigaer Straße ist vor allem gute Polizeiarbeit
gefragt, da kann das Ordnungsamt nichts ausrichten“, sagt er.
Innensenator Frank Henkel (CDU) habe allerdings kein Konzept. Beckers:
„Es gibt im Land Berlin keine Strategien, wie man gegen
Kriminalitätshochburgen vorgeht. Auch beim Görlitzer Park hat sich
Henkel erst bewegt, als die Missstände offenkundig waren.“ Weder
Verfassungsschutz noch Landeskriminalamt hätten bei einer gemeinsamen
Besprechung sagen können, was in der Rigaer Straße passieren soll.
Schnelle Antwort
In Friedrichshain könnte sich die Stimmung demnächst weiter aufheizen. Im vergangenen Dezember wurde das Haus an der Rigaer Straße 94 an eine Investmentgesellschaft verkauft. „Aggressionen gegen unser Haus wirken sich nicht nur als Angriff auf unsere Strukturen aus, sondern sind im Kontext von kapitalistischen Aufwertungsbestrebungen zu sehen und müssen gegebenenfalls schnell beantwortet werden“, teilte das Bündnis „Rigaer 94 verteidigen“ im Internet mit.
Nils Michaelis