Äußerungen im Internet rufen Botschafter in Neu-Delhi auf den Plan / Professorin weist Vorwürfe zurück
Von Jan Sternberg
Leipzig/Neu-Delhi. Es begann mit einer Routine-Antwort, der Absage für
einen Praktikumsplatz. 100 dieser Anfragen bekommt die Leipziger
Biochemie-Professorin Annette Beck-Sickinger im Jahr. Studierende aus
aller Welt bewerben sich für ein dreimonatiges Praktikum im Labor. Dort
können aber nur fünf Nachwuchswissenschaftler gleichzeitig arbeiten.
Darunter seien zurzeit auch zwei Inder, sagt die Professorin.
Ein Student aus Delhi hat eine Absage aus Leipzig ins Netz gestellt, die für einen Aufschrei in den sozialen Netzwerken sorgt. Darin scheint Beck-Sickinger Unerhörtes zu schreiben. O-Ton: "Leider habe ich keine Praktikumsplätze für männliche indische Studenten. Wir hören hier viel über das Vergewaltigungsproblem in Indien, das kann ich nicht unterstützen." Zusammengefasst hieße das: Alle Inder sind Vergewaltiger.
Der deutsche Botschafter in Indien, Michael Steiner, schrieb einen geharnischten Brief nach Leipzig, den er via Twitter veröffentlichte - mit vollem Namen der Professorin. Steiner nennt ihre Absage "vereinfachend und diskriminierend". Nur Stunden später stellte die Botschaft eine Entschuldigung der Professorin ins Netz: "Ich habe einen Fehler gemacht", wird Beck-Sickinger zitiert. Ich bitte alle um Entschuldigung, deren Gefühle ich verletzt habe."
Die Uni Leipzig reagierte mit einer ähnlichen Pressemitteilung. Auch Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange erklärte: "Ich begrüße es, dass die Leipziger Biochemie-Professorin sich gegenüber einem indischen Studierenden entschuldigt hat." Das soll die heißlaufende Diskussion abkühlen. Doch Beck-Sickinger sagte dieser Zeitung.
"Es gab diese Mail so nicht. Da wurden Dinge herausgelöscht und verfälscht." Sie habe eine Standard-Absage geschickt. Der abgelehnte Bewerber schrieb zurück, sie antwortete. Es entspann sich eine Diskussion über gesellschaftliche Probleme in Indien. "Es war aber nie meine Absicht, die indische Gesellschaft zu diskriminieren", sagte sie.