Leipzig lässt Legida laufen - erste Gegenproteste abgesagt

Erstveröffentlicht: 
03.03.2015

DGB und Kirchen sehen sich am Ziel: Rechtspopulisten haben sich nicht in Stadtgesellschaft verankert

 

Von Klaus Staeubert und Evelyn Ter Vehn


Es wird einsam um die rechtspopulistische Legida: Wie schon in den vergangenen Wochen schlossen sich den selbst ernannten Bewahrern des Abendlandes auch gestern nur noch etwa 1000 Sympathisanten an. Die Initiative "Willkommen in Leipzig - eine weltoffene Stadt der Vielfalt" sagte sogar ihre geplanten Kundgebungen ab, darunter die Montagsdemo über den Ring.


Die Zahl der Teilnehmer an Gegenprotesten ist von mehr als 30000 Mitte Januar am Waldplatz auf einige hundert in der vergangenen Woche geschrumpft. Hat die Anti-Legida-Bewegung nach nicht mal zwei Monaten ihre Kraft verloren? Bernd Günther, Regionalchef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für Leipzig-Nordsachsen und Mitinitiator von acht Veranstaltungen für ein offenes und tolerantes Leipzig, sieht in der Absage keine Kapitulation vor Legida. "Uns ist nicht die Puste ausgegangen", so Günther gegenüber der LVZ. "Aber wir wollten auch nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag über den Ring ziehen. Wir haben unsere Stärke gezeigt und bewiesen, dass wir unser Netzwerk jederzeit aktivieren können." Nie sei es ihm darum gegangen, mehr Menschen als Legida zu mobilisieren. "Wir zählen keine Köpfe. Wir waren nicht gegen etwas, sondern für eine Willkommenskultur in Leipzig auf die Straße gegangen und das haben wir seit dem 12. Januar in acht Großveranstaltungen demonstriert." Nun sei es aber an der Zeit, eine "neue Qualität" der Auseinandersetzung mit dem islamfeindlichen Pegida-Ableger zu finden. "Wir werden deshalb bis zur Sommerpause regelmäßig Veranstaltungen zur politischen Bildung anbieten", kündigte der Gewerkschafter an. Es werde unter anderem Themenabende zum Islam, und zur Asylgesetzgebung geben. Denn, so Günther, "Vorurteile machen blind." Im April seien beispielsweise eine Diskussion mit einem Religionswissenschaftler und das seit vielen Jahren stattfindende Courage-Konzert geplant.


"Wir haben unser Ziel erreicht, dass Legida sich nicht in der Stadtgesellschaft verankern konnte", befand Christian Wolff, ehemaliger Pfarrer an der Thomaskirche. Jetzt müsse der Schaden, den Legida angerichtet habe, in konkreten Projekten für Toleranz behoben werden. Dabei soll es vor allem um eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen, Willkommenskultur für Einwanderer sowie kulturelle Vielfalt gehen. Die Resonanz für den Pilgerweg über den Ring nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche hatte in den vergangenen Wochen deutlich abgenommen. "Das ist normal", erklärte Wolff. Man könne sich nicht Woche für Woche zum "Büttel" von Legida machen lassen.


Abgesagt sei neben der Montagskundgebung auf dem Nikolaikirchhof vorerst nur die gestrige Demonstration über den Ring. Die Superintendentur des Evangelisch-Lutherischen Kirchenbezirks hatte die historische Route der Montagsdemos vom Herbst '89 bis Mitte Juli mit Anmeldungen für einen Pilgerweg nach dem Friedensgebet in St. Nikolai belegt.


Juristisch dürfte es damit schwierig für mögliche weitere Montagsdemos der Initiative auf dem Ring werden. Bislang sorgte die Anmeldung dafür, dass Legida nicht über die gesamte Strecke, sondern nur - wie gestern unter dem Schutz von 1200 Polizisten - über Teile marschieren durfte. Sogenannte Sperranmeldungen, zumal wenn sie nicht für beabsichtigte Versammlungen wahrgenommen werden, sind nach Auffassung von Rechtsexperten unzulässig.


Legida versucht seit Wochen, auf dem gesamten Ring zu laufen. Bislang vergeblich. Ihr Sprecher Silvio Rösler erneuerte gestern den Anspruch der Bewegung auf weitere Teile des Ringes. Nach der Absage des Protestbündnisses aus DGB, Kirche und Erich-Zeigner-Haus stieß die islamfeindliche Bewegung bei ihrem "Abendspaziergang" über den Georgiring und die benachbarte Querstraße nur noch auf vergleichsweise wenig Protest. Vor dem Gewandhaus hatte die Spaßpartei "Die Partei" zum satirischen Legida-Verriss aufgerufen. Außerdem demonstrierten Anhänger der linken Plattform "Refugees welcome" gegen Rassismus vom Südplatz bis zum Kundgebungsort von Legida am Augustusplatz. Dort und entlang der Legida-Strecke protestierten rund 1000 Menschen mit Sprechchören, Transparenten und Pfeifkonzerten gegen das Rechtsbündnis.