»Versagen mit System: Ausstellung kritisiert Arbeit des Verfassungsschutzes

Erstveröffentlicht: 
18.02.2015

In seinen Jahresberichten klärt der Verfassungsschutz (VS) darüber auf, wie viele Menschen im Bundesland eine extreme Geisteshaltung nach außen tragen und dadurch möglicherweise zu einer Gefahr für die Integrität des Staates werden können. In diesem Satz zeigt sich bereits der Knackpunkt eines Systems, das für viele Menschen eine mehr oder weniger große Daseinsberechtigung hat.

 

Der VS mit seinen behördlichen Strukturen, deren Ausmaße nicht in Zahl und Größe geheim sind, doch aber in deren Ausläufern – den V-Männern –, verfolgt die Möglichkeit einer Gefährdung. Das bedeutet wiederum, dass im Geheimen überwacht wird, wo der VS nach eigenen Maßstäben eine Bedrohung ausmacht. Über Jahre war beispielsweise das Soziokultur-Zentrum Conne Island unbemerkt Ziel von Bespitzelungsaktionen des Sächsischen VS-Landesamtes, ohne dass jemals Strafverfahren eröffnet worden wären. Da stellt sich die Frage: Was ist extrem und wo liegen die Grenzen, welche die Integrität des Staates abstecken?

 

In der Theorie gibt es gesetzliche und wissenschaftliche Grundlagen, welche den VS in seinem Vorgehen die Richtung weisen sollen. Doch wie eine geschichtliche Betrachtung dieser Institution zeigt, gab es dabei nicht nur »ab und zu kleine Pannen, sondern die Kritik am Verfassungsschutz ist von Anfang an ein Dauerbrenner«, sagt Frank Schubert vom Forum für Kritische Rechtsextremismusforschung. Das Forum als AG des Leipziger Vereins Engagierte Wissenschaft stellte nach anderthalb Jahren ehrenamtlicher Arbeit seine Ausstellung »Versagen mit System« zur Geschichte und Wirkung des Verfassungsschutzes fertig. Sechs Leute arbeiteten nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Aktion permanent am Entstehen von 20 Tafeln, die nun auf Wanderschaft durch die Republik gehen können. Im Februar machen sie für einige Tage halt im Augusteum der Uni.

 

Ein Thema der Ausstellung ist die Rolle des VS im Fall der Terrorzelle »Nationalsozialistischer Untergrund«: »Dort zeigen sich wie unter einem Brennglas Schwierigkeiten oder Punkte, die aus unserer Sicht an dieser Behörde kritisch zu bewerten sind. Ein Beispiel ist die V-Mann-Problematik. Im Osten des Landes war der Verfassungsschutz in den neunziger Jahren maßgeblich am Aufbau von Nazi-Strukturen beteiligt.« Durch die Untersuchungsausschüsse im NSU-Prozess konnte diese Zeit in Hinsicht auf die VS-Beteiligung in Thüringen und auch in Sachsen gut aufgearbeitet werden.

 

Die Wanderausstellung informiert daneben über den bildungspolitischen Auftrag des VS und zeigt, dass dieser mit spielerischen Mitteln bereits für die Kleinsten durchaus ernst genommen wird, allerdings auch genau aus diesem Grund mit gesundem Menschenverstand hinterfragt werden sollte. Das sieht Frank Schubert eigentlich als generelles Ziel dieser Projektarbeit: »Wir möchten mit den Tafeln vor allem zum Nach- und Weiterdenken über eine solche Behörde anregen.«

 

»Versagen mit System«: 23.–27.2., Augusteum, Uni

Dieser Text erschien in der Februar-Ausgabe des kreuzer.

ISABELLA WEIGAND