Aufgeheizte Gemengelage

Fremdenfeindliche Stimmungmache bei den „Gida“-Aufzügen; Photo: Otto Belina
Erstveröffentlicht: 
26.01.2015

Hass, Wut und Fremdenfeindlichkeit, mit diesen Worten lassen sich die  Beobachtungen zweier „Gidas“ der letzten Woche in Ost und West beschreiben. Eindrücke aus Braunschweig und Leipzig.

 

„Judenpresse!“ schallte es einzelnen Medienvertretern beim Besuch der „Bragida“ auf dem Braunschweiger Schlossplatz entgegen. „Ich hau dir auf die Kamera“, „Verpisst Euch!“ oder „Wir kriegen euch alle“ waren nur einige von unzähligen Beleidigungen, die sich vor allem Journalisten und Fotografen aus der versammelten Menge heraus anhören mussten. Es gab unzählige Rangeleien. Die Stimmung war aggressiv. Der starke Gegenprotest verhinderte den „Spaziergang“ durch die zweitgrößte niedersächsische Stadt.

 

Wer sich hinter die Absperrung der Polizei zu den Teilnehmern der „Bragida“ begab, konnte nur rechts sein. Daran ließ die Veranstaltung keinen Zweifel. Zu eindeutig waren Botschaften und Haltung. Hier fanden sich scheinbar normale Bürger, viele Rentner neben Teilnehmern ein, die den Rechtsstaat lieber heute als morgen abschaffen wollen. Ihre Ziele manifestierten sie über Feindbilder.

Hooligans, die nach einem aktuellen BGH-Urteil als kriminell eingestuft werden können und damit härtere Strafen erwarten, spielten sich ebenso wie „Onepercenter“, also Rocker, die sich offen zur Gewalt bekennen, als selbst ernannte Ordnungshüter auf. Das war nicht der Schauplatz einer von Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) propagierten, friedlichen und kritischen Veranstaltung.

 

Rocker mischen im Hintergrund mit

Werbung für Bragida in Braunschweig hatte Pegida-Mitorganisator Siegfried Daebritz gemacht. Der selbst ernannte Sicherheitsmann von Pegida, der sich gerne im Hintergrund hält,  steht dem „MC Red Devils“ nahe. Fotos zeigen den Sachsen mit Schriftzügen der Braunschweiger Motorrad-Gang. Er kennt erstaunlich viele Rot-Weiße aus dem Norden, unter ihnen den Vize der verbotenen „Schwarzen Schar“ aus Wismar oder den ehemaligen Neonazi und jetzigen „Red Devil“ Sascha Bothe.

Als Organisator in Braunschweig fungierte dann auch zunächst ein Bekannter von Daebritz, Mitglied der „Löwen Crew“, einem Club, der ebenfalls die Gangfarben rot-weiß trägt und zu den Unterstützern der „Red Devils“ zählt. Doch der bullige Sonnenbrillenträger wurde als Anmelder ersetzt durch den ehemaligen AfDler Sebastian Rinke aus dem Harz, einem unauffälligen jungen Mann. Dennoch mischten die Rocker weiter mit. Allerdings im Hintergrund. Ein Ordner trug eine Mütze mit der Aufschrift „Support 81 Nomads“, das heißt er bekannte sich nicht nur zu den „Hells Angels“, sondern zu den als besonders gefährlich geltenden „Nomads“ ohne festem Clubhaus.

Schnell wurde klar, dass bei Bragida vor allem Neonazis, rechte Hooligans und Rocker die Lautstärke bestimmten. So waren die Neonazis Dennis Bührig und Dieter Riefling vertreten, Angehörige der verbotenen Kameradschaft „Besseres Hannover“, Mitglieder von „Die Rechte“ in Niedersachsen, junge Männer vom „Identitären Großraum Hannover“ oder Anhänger der „Aktionsgruppe Gifhorn“, aber auch Christina Krieger, Friedrich Preuß und weitere  Kameraden der NPD und Jungen Nationaldemokraten.

 

„Gegen die Siedlungspolitik der Bundesregierung!“

Vertreter der Hooligan-Gruppen vermummten sich trotz Verbots mit dreischlitzigen „Hassis“, schrieen Parolen und reckten den Gegendemonstranten provokativ den rechten Arm entgegen. Sie kamen aus Gruppen wie „Fette Schweine Braunschweig“, „Alte Kameraden“ oder „Psycho Clan Braunschweig“. Eine ältere Ordnerin konnte sich gegen Männer nicht durchsetzen, die ein Transparent mit der Aufschrift „Unsere Heimat! Unser Recht! Gegen die Siedlungspolitik der Bundesregierung!“ zeigten. Sie versuchte erfolglos, es zu unterbinden. Ein kurzer Redebeitrag ging im Protest der Gegendemonstranten unter. Die Rechten wurden aufgebrachter, die Polizei musste mit Hunde- und Pferdestaffel anrücken. Als Böller von beiden Seiten knallten, wurde der Bragida-Aufzug aufgelöst.

„Schiebt sie weg! Schiebt sie weg!“ Mit diesem Kommando ging die überwiegend vermummte Spitze der „Legida“ gleich zu Beginn des „Spazierganges“ durch Leipzig auf die völlig überraschten Fotografen los. Die Medien schienen neben einigen Politikern das Feindbild Nummer eins dieses Aufmarsches. Selbst ältere Herrschaften drohten den Journalisten, beleidigten und schimpften. Jüngere Männer in teurer Camp David-Kleidung gaben sich aggressiv, auch ohne konkreten Anlass. Legida-Teilnehmer forderten für sich das Recht nach Meinungsfreiheit, Pressefreiheit dagegen lehnen viele rigoros ab. Ein fragwürdiges Demokratieverständnis.

Bereits auf der Kundgebung auf dem Augustusplatz war die Stimmung so aufgeheizt, dass Organisator Enrico Rinke, Erkennungszeichen neongrüne Pudelmütze, an seine Anhänger appellieren musste, die Medien zu schonen. Seine Mahnung, es herrsche „absolutes Vermummungsverbot“ wurde mit Gelächter gezollt. Ansonsten gab es von der Bühne eher wenig Aufrufe zur Mäßigung – im Gegenteil.

 

Führende NPD-Funktionäre unter den Teilnehmern

Der rechtslastige Publizist Jürgen Elsässer erschien mit zwei Bewachern auf der Bühne und Götz Kubitschek war mit Ellen Kositza und Friedrich Baunack angekommen. Der Neurechte bediente den Wunsch des anwesenden Volkes nach Parolen. Immer wieder parierte die Menge „Wir sind das Volk“ oder skandierte „Volksverräter“. Kubitschek lobte die „große und besondere Geschichte“ der Deutschen, die hätten anderen Völkern „viel beigebracht“. Die Menge schwieg, als er kurz die „getöteten Juden“ ansprach und grölte lauthals, als es um die „Geschichte der Vertriebenen“ ging. So professionell können nur Rechte auf diese Sprüche reagieren.

Auch in Leipzig konnte unter den geschätzten fünf- bis zehntausend  Teilnehmern kaum jemand sein, der Probleme mit Fremdenfeindlichkeit und Demokratiehass hat. Jeder andere hätte sich zurückgezogen. Dabei schien die Anzahl führender NPD-Funktionäre gar nicht so groß, unter den Anwesenden waren der ehemalige Abgeordnete Arne Schimmer, Andreas Karl aus dem Burgenland, die sächsischen Vertreter Alexander Kurth (jetzt: „Die Rechte“) und Enrico Böhm sowie die Rheinland-Pfälzer Markus Walter und Safet Babic, die sich ohnehin zu einer „Orgatagung“ in Sachsen aufhielten.

Yves Rahmel, langjähriger Betreiber von PC Records in Chemnitz, marschierte ebenso wie die „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ und der Leipziger Kameradschaftsaktivist Nils Larisch mit seinen Anhängern mit. Schwarz vermummte Gruppen junger Männer tobten sich eher am Rand der Veranstaltung aus. Ein Journalist ging zu Boden, danach wurde er gejagt. Die Polizei war mit zahlreichen gepanzerten Fahrzeugen und Wasserwerfern vor Ort.

 

„Demokratie als Wurzel allen Übels“

Erschreckender als die Angriffe der Neonazis waren die Reaktionen  „normaler Bürger“. Sie klatschten bei Beleidigungen und schrieen nach, was ihnen vorgegeben wurde „Die Sehnsucht nach Autorität und Orientierung sind enorm“,  beschreibt der Journalist Patrick Gensing bei Publikative.org diese Haltung und ergänzt scharfzüngig: Viele der „Spaziergänger“ wollen „endlich wieder einfach Untertan sein“.

Dieser Eindruck verstärkte sich vergangene Woche in Leipzig. Feindbilder und Hassparolen bieten keine Lösungen und doch ziehen sie tausende Wohlstandsbürger magnetisch an. Salafisten und der brutale IS-Terror spielen dabei längst keine Rolle mehr. Die Organisatoren und Redner der „Gidas“ wollen, dass in der Bundesrepublik Köpfe rollen. Dabei scheinen Seriosität, Eigenmotivation und teils auch Scheinheiligkeit der neuen „Heilsbringer“ überhaupt keine Rolle zu spielen. Immer wenn auf der Leipziger Bühne kurz für Integration und Fairness für Migranten geworben wurde, schwiegen die Massen. Ging es  gegen sie, setzte Jubel ein.

Manchem mag es bei der Legida in Leipzig zu einfach zugegangen sein.  Um kollektive Fremdenfeindlichkeit und Untertänigkeit zu umspielen, formulierten Legida-Macher in einer Nachbetrachtung ihr Ziel anspruchsvoller, aber nicht weniger radikal: „Wir haben das System an seinem wundesten Punkt getroffen, an der Wurzel allen Übels, nämlich unserer Demokratie.“