Die am 12.1.2015 – am Montag nach der Großdemonstration für die Rechte der politischen Gefangenen – festgenommenen Rechtsanwält/innen sind alle wieder auf freiem Fuß, wie das in der Justiz-Sprache heißt. Frei bewegen können sich sich deshalb aber noch lange nicht. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz zogen die 12 Juristinnen Bilanz.
Zum einen hatte ihre Freilassung einen Preis, so wie die gesamte Razzia ihren Preis hatte: in einer abertzalen Gewerkschaft wurden ca. 90.000 Euro aus dem Tresor geraubt, in verschiedenen Herriko-Kneipen nochmal fünfstellige Beträge. Zumindest eine der festgenommenen Anwältinnen musste eine Kaution von 50.000 Euro hinterlegen, um den Fuß frei zu kriegen. Doch nicht nur das. Die 12 können ihre Klienten – politische Gefangene – nicht mehr besuchen. Damit wird den Gefangenen ihr juristischer Beistand entzogen, auf den sie nach dem Gesetz eigentlich Anspruch hätten. Eigentlich. Schon lange ist die spanische Justiz zu einer Eigentlich-Justiz verkommen, denn Gesetze und Rechte werden gebrochen oder verletzt wie es in einer Bananenrepublik nicht besser vorexeziert wird. Vorgeworfen wurde den Anwältinnen, die hätten Einnahmen nicht versteuert. Tatsache ist, dass nun ihre Konten gepfändet und geschlossen wurden, sodass sie nach eigenen Aussagen nunmehr gezwungen wären, von nicht erklärten Einnahmen zu leben, wenn sie ihre Kanzleien weiterführen wollten.
Bei den Razzien wurden ganz nebenbei weitere Rechtsbrüche vollzogen. Zwar war in den Durchsuchungsbeschlüssen von Steuerdelikten die Rede, gesichtet und kopiert wurden jedoch Fallunterlagen, die nichts mit dem offiziellen Thema der Durchsuchung zu tun hatten. Auch waren nicht zu jeder Zeit vertrauliche Zeugen anwesend während der Razzia, wie es das Gesetz eigentlich vorschreibt – in der Vergangenheit wurden diese Momente der Nicht-Beobachtung häufig zur Platzierung von Abhörgeräten benutzt.
Bereits im Juni des vergangenen Jahres waren Gerüchte laut geworden über eine bevorstehende Aktion gegen Anwältinnen. Daraufhin hatten sich verschiedene potentiell Betroffene von sich aus beim Sondergericht Audiencia Nacional gemeldet, sich zur Befragung zur Verfügung gestellt und die Offenlegung von Unterlagen angeboten. Doch dann wäre alles ohne politisches Spektakel und ohne Raubzug von statten gegangen. Genau das ist jedoch ein wichtiger Faktor für die ultrarechte spanische Regierung, der seit einiger Zeit der noch rechtere Rand wegbricht. Verschiedene Parteien wurden in diesem Spektrum gegründet, von Personen aus dem ehemaligen PP-Klientel, wie zum Beispiel den spanischen Opferverbänden, die dem Regierungschef Rajoy offen Verrat vorwerfen. Bei den kommenden Wahlen droht die PP hinter die neue Podemos-Partei zurückzufallen. Zeit also, wieder einmal die ETA-Karte zu ziehen, wie dies 40 Jahre lang erfolgreich praktiziert wurde, mit und ohne Franco.
Bereits sofort nach der Razzia hatte sich die baskische Anwaltskammer energisch gegen das repressive Vorgehen der spanischen Polizei und Justiz ausgesprochen. Selbst die entsprechende spanische Vereinigung hat mit Verspätung eine ähnliche Analyse publik gemacht. Insbesondere betonte sie den Skandal, dass die Behörden nicht auf das Angebot der Anwältinnen zur freiwilligen Aussage eingegangen seien. Auch die Straße hat reagiert. Am vergangenen Samstag rief das Netzwerk SARE zur zweiten Großdemo innerhalb von 8 Tagen in Donostia auf – und 33.000 kamen.
Für die Anwältinnen und für die große Mehrheit der baskischen Linken ist klar, worum es neben der finanziellen Erdrosselung bei den Razzien ging: die politischen Gefangenen sollen weiterhin Schritt für Schritt um ihre Rechte gebracht werden. Eine der betroffenen Anwältinnen (Amaia Izco) zum Beispiel war federführend bei der Klage wegen illegaler Strafverlängerung (Parot-Doktrin) vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der dabei erzielte juristische Erfolg konnte nicht ohne repressiven Gegenschlag bleiben, das war klar. Nun droht ein ähnlicher Fall, weil die spanische Justiz erneut gegen eine europäische Regelung verstößt, die sie eigentlich unterschrieben hat. Eigentlich: sollten Gefangene für dasselbe Delikt nicht in zwei Ländern bestraft werden, auf ETA-Leute trifft das mehr als 50-fach zu. Eine entsprechende Klage – daran gibt es keinen Zweifel – würde wiederum Recht bekommen beim Straßburger Gericht. Doch vergehen bei einem solchen Verfahren Jahre – Jahre, die für die Gefangenen für immer verloren sind.
Ganz nebenbei hat sich durch die Repression gegen die Anwältinnen auch noch ein Prozess vor derselben Audiencia Nacional gegen 36 abertzale Politiker in Luft aufgelöst. Ungefähr die Hälfte von ihnen steht nun ohne Verteidigung dar, die Einarbeitung neuer Anwältinnen würde in Anbetracht der umfangreichen Klageakten Monate erfordern.
In den 80er Jahren kam es wöchentlich zu Toten bei Attentaten – die Anwältinnen von Gefangenen konnten ihrer Arbeit relativ normal nachgehen. 2015 gibt es keine Attentate und keinen bewaffnetene Kampf mehr – den Anwältinnen wird Mitgliedschaft in ETA vorgeworfen, sie werden verhaftet. Das soll einer verstehen! (Redaktion Baskinfo)
http://baskinfo.blogspot.com.es/2015/01/anwaltinnen-frei.html