Am Morgen bekamen die "Autonomen Nationalisten Göppingen" bei einer Razzia Besuch von der Polizei. Laut den Behörden in Baden-Württemberg orientiert sich die Gruppe am Nationalsozialismus - jetzt wurde sie verboten.
Von Jan Friedmann und Simone Salden
"Wir dulden in Baden-Württemberg keine extremistischen Vereinigungen, die eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweisen." Das sagte Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) - und begründete damit das Verbot der Gruppe "Autonome Nationalisten Göppingen". "Sie sollen wissen, dass wir auf ihre Umtriebe die passenden Antworten haben."
Laut dem Innenministerium verfolgten die "Autonomen Nationalisten" das Ziel, in Göppingen eine "national befreite Zone" zu errichten, ein Gebiet also, in dem die Gruppe selbst und nicht etwa der Staat oder politische Gegner das Sagen haben sollte. In und um Göppingen, einer Stadt mit 50.000 Einwohnern am Rand der Schwäbischen Alb östlich von Stuttgart, hatte die Gruppe für erhebliche Verunsicherung gesorgt.
Der Verein, der sich selbst mit AN oder ANGP abkürzt, besteht seit 2009. Zur Zeit umfasst er nach Erkenntnissen der Behörden nur fünf Personen. Bis ins vergangene Jahr waren es rund 20, doch im Sommer 2013 spaltete sich die Gruppe.
Körperverletzung und Volksverhetzung
Ermittler rechnen der Vereinigung insgesamt 67 Straftaten zu. Zur Liste der Vorwürfe gegen Mitglieder der "Autonomen Nationalisten" gehören beispielsweise Körperverletzung, Volksverhetzung oder Widerstand gegen Polizeibeamte. Im vergangenen Jahr sollen die Göppinger Neonazis einen Infostand des Vereins "Kreis Göppingen nazifrei" überfallen haben.
Ihre Geisteshaltung bekundeten die "Autonomen Nationalisten" bei mehreren Demonstrationen: Im März 2012 marschierten sie durch Göppingen, um an die Bombardierung der Stadt durch die Alliierten im Frühjahr 1945 zu erinnern. Es folgten zwei Demonstrationen mit antikapitalistischem Motto, einmal unter der Parole "Ausbeutung stoppen - Kapitalismus zerschlagen", das andere Mal hieß es "Unserem Volk eine Zukunft! - Schluss mit Ausbeutung und moderner Sklaverei". Für Oktober hatte die Vereinigung eine ähnliche Veranstaltung geplant, die Anmeldung dann aber zurückgenommen.
Kampf gegen Göppinger Neonazis
Zwei führende Köpfe des Vereins sitzen in Haft, sie werden der Bildung einer kriminellen Vereinigung verdächtigt. 2013 waren insgesamt vier mutmaßliche Rädelsführer verhaftet worden, zwei sind inzwischen wieder auf freiem Fuß. Das Landeskriminalamt ermittelte seit 2011 gegen die Neonazis, die Ermittlungen sind abgeschlossen.
Im Januar soll die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Stuttgart eröffnet werden. Es wird der bislang größte Prozess gegen Neonazis in Baden-Württemberg, die Kammer hat rund hundert Termine angesetzt.
Laut Innenministerium hat die Vereinigung trotz der Festnahmen mit ihren Aktivitäten weitergemacht. Das nun ausgesprochene Verbot ist deshalb die nächste Stufe im Kampf der Behörden gegen die Göppinger Neonazis. Vereinsverbote sind an enge rechtliche Grenzen gebunden. So müssen etwa Straftaten direkt dem Verein und nicht nur einzelnen Mitgliedern zuzuordnen sein.
Dass das seit Längerem erörterte Vereinsverbot nun vollzogen wurde, bedeutet, dass dem Verein künftig jede Tätigkeit untersagt ist. Das Vereinsvermögen ist beschlagnahmt und eingezogen. Auch ihre Symbole dürfen die "Autonomen Nationalisten" nicht mehr verwenden.
Dem Verbot liegt die Annahme zugrunde, dass es sich bei den "Autonomen Nationalisten" selbst um eine kriminelle Vereinigung im Sinn von Paragraf 129 des Strafgesetzbuches handelt: Durch seine Nähe zum Nationalsozialismus richte sich der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung.