Neues Gesetz droht mit hohen Bußen für Ordnungsverstöße und Respektlosigkeit gegenüber Sicherheitskräften an / Heftige Kritik. MADRID. In der seit sechs Jahren
währenden Wirtschaftskrise treibt es die Spanier mehr denn je auf die
Straße: Mehr als 33 000 angemeldete Demonstrationen erlebte das Land
allein 2013. Bei 323 gab es den einen oder anderen Zwischenfall. Die
Proteste seien zu "einem Teil des Lebens in Spanien" geworden, bemerkt
die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), doch "die große
Mehrheit ist friedlich". Der Abgeordnete der Zentrumspartei UPyD, Toni
Cantó, sagt es so: "Die Bürger haben auf beispielhafte Weise soziale
Einschnitte und ein allgemeines Klima der Korruption ertragen." Wenn
jemand stärkere Kontrolle brauche, dann nicht die Demonstranten, sondern
die Regierenden.
Die Angesprochenen sehen das anders. Das spanische Parlament hat mit der
absoluten Mehrheit der regierenden konservativen Volkspartei von
Ministerpräsident Mariano Rajoy am Donnerstag ein neues "Gesetz zum
Schutz der Bürgersicherheit" beschlossen, das wiederum den
demonstrierenden Bürgern das Leben ein wenig erschweren soll. Amnesty
International glaubt, dass die Reform "die Informationsfreiheit und den
friedlichen Protest" gefährde.
Das neue Gesetz enthält einen Katalog von insgesamt 45 möglichen
Verstößen gegen die "Bürgersicherheit", die – je nach Schwere – mit
Geldbußen zwischen 100 und 600 000 Euro bestraft werden können. Einige
Punkte betreffen das Versammlungs- und damit das Demonstrationsrecht.
Als leichter Verstoß soll künftig die Veranstaltung einer unangemeldeten
Demonstration geahndet werden, als besonders schwerer Verstoß eine
(ungenehmigte oder unangemeldete) Demonstration an Orten, "an denen
grundlegende Dienstleistungen für die Gemeinschaft angeboten werden" –
das könnten Flughäfen oder Atomkraftwerke sein.
Die schärfste Kritik an dem neuen Gesetz richtet sich gegen zwei
einigermaßen schwammig formulierte Absätze im Katalog der Verstöße. Zum
einen gilt künftig "Respektlosigkeit" gegenüber Sicherheitskräften als
strafwürdig, mit Bußen bis zu 600 Euro. Zum anderen soll "die nicht
autorisierte Nutzung von Bildern" von Ordnungskräften, "die deren
persönliche Sicherheit gefährden kann", mit bis zu 30 000 Euro bestraft
werden. Amnesty International fürchtet, dass diese Formulierung von der
Polizei genutzt werden kann, um Filmaufnahmen während Demonstrationen zu
verhindern – Aufnahmen, die im Nachhinein die Verhältnismäßigkeit der
Beamten bei den Einsätzen belegen oder in Frage stellen könnten.
Human Rights Watch macht auf einen weiteren Punkt aufmerksam: Auch die
"Verunzierung" öffentlichen Mobiliars steht demnächst unter Strafe. Die
Organisation fürchtet, dass der unklare Begriff auch Bußen für
Obdachlose bedeuten, die auf einer Parkbank schlafen.