Der Heizöl-Tank ist leer, im November. Schon wieder. Dabei wurde er gerade erst befüllt. Warum er schon wieder leer ist? Zu wenig nach gefüllt, berichten die Bewohner der Leipziger Holbeinstraße 28a. Es sei ja unklar, wie lange das Haus überhaupt noch bewohnt ist, da lohne es sich nicht vollzutanken, sagt Jörg Zochert. Der Mann ist Sprecher der Immobilienfirma KSW, der Eigentümerin des Hauses. Für die Bewohner ist die Sache mit dem Heizöl eine repressive Maßnahme, die sich in andere Vorfälle im Haus einreiht (siehe kreuzer 03/2014).
Für Zochert ist das die ökonomisch logische Konsequenz daraus, dass das Haus sowieso im nächsten Jahr leer stehen wird. Dabei beruft er sich auf baurechtliche Urteile, nach denen das Haus aus Brandschutzgründen bis Januar geräumt sein muss.
An der Situation rund um die Elster-Werke hat sich seit Beginn des Konfliktes vor einem Jahr kaum etwas geändert: Die KSW kaufte das Objekt und möchte es sanieren. Die jetzigen Mieter stören dabei nur, sollen also raus. Einziehen können sie ja danach wieder. Der Haken an der Sache: Der Quadratmeterpreis soll sich etwa ver dreifachen, denn sonst lohne sich die Sanierung wirtschaftlich nicht, erklärt Zochert. Es entstehen Wohnungen direkt an der Weißen Elster für Besserverdiener. Da passen die jetzigen Bewohner, die überwiegend in der freien Kulturszene arbeiten, nicht rein. Aber sie wollen bleiben und fordern ein Recht auf den günstigen Wohnraum, den sie schon seit 15 Jahren bewohnen.
Zwei Parteien eines Paradebeispiels der Gentrifizierung: Auf der einen Seite die Immobilienfirma, die sanieren will, um teurer zu vermieten. Auf der anderen die kreativen Bewohner, die sich die Wohnungen einst hergerichtet haben und ihren günstigen Wohnraum, aber auch die Hausgemeinschaft, nicht verlieren wollen. Ihnen geht es »um einen respektlosen Markt und um schwindende Freiräume für eine Gesellschaft, in der das soziale Individuum mehr gefordert ist als je zuvor«, wie Bewohnerin Angela erläutert.
Um diesen Konflikt zu lösen, hat die Stadt Leipzig eine Mediation veranlasst. Das bislang letzte Treffen war im August. Interne Details einer Mediation dürfen aus rechtlichen Gründen nicht preisgegeben werden, aber so viel steht fest: Nach einer Einigung klingt das, was die beiden Widersacher schildern, nicht. Bereit für die Mediation waren beide Seiten. Sie erhofften sich eine gemeinsame Lösung, die ohne juristische Auseinandersetzungen vonstattengeht. Eine Idee der Bewohner: Sie wollen ein Stockwerk zur Verfügung gestellt bekommen. Der Vorschlag der KSW: Auf der Etage soll außer der notwendigen Sanierung innerhalb der Wohnungen nichts gemacht werden. Ein Rohbau also, den sich die jetzigen Mieter dann nach Gefallen ausbauen könnten. Kostenpunkt: 7,50 Euro pro Quadratmeter. Jörg Zochert sieht das als Entgegenkommen, der Preis sei für eine frisch sanierte Wohnung in der Lage normal. »Wenn wir so viel Geld investieren, müssen wir es auch über die Miete wieder refinanzieren.«
Für die Bewohner jedoch gleicht das Angebot einer Farce. Sie schätzen ihren finanziellen Aufwand in einem solchen Fall auf etwa 400 Euro pro Quadratmeter. Wände einziehen, Wasser, Heizung, Strom verlegen, Türen, Fußboden. Für 7,50 Euro kalt. Der aktuelle Mietpreisdurch schnitt für Schleußig liegt bei 5,50 bis 6,50 Euro.
»Warum muss man ständig den Weg für Leute frei machen, die nur das Geld auf den Tisch legen?«, fragt Mirko, ein Mieter der sieben noch übrig gebliebenen Mietparteien. Für Zochert ist »diese Gentrifizierungsdebatte Quatsch«, das sei schon noch ein »Wonderland« hier. Die Bewohner hätten nicht einmal die Eier in der Hose gehabt, sich auf die Suche nach eigenen Projekten zu machen, sagt er. Er sei ja schließlich nicht der »KSW-Ökoonkel«. Dass es den Bewohnern dabei aber um viel grundsätzlichere Dinge geht, davon spricht er nicht. »Wir müssen aus dem Stadtteil raus, weil wir nicht mehr in die Einkommensregion passen«, sagt Bewohnerin Ariane. »Natürlich würden wir mehr Geld für eine Sanierung zahlen, aber nur, wenn es eine Sanierung mit uns gibt und nicht gegen uns.« Der Wunsch für die Mediation sei dabei gewesen, dass die KSW das Hausprojekt und die Gemeinschaft anerkennen. Zochert sichert zu, dass die Eigentümerin »einen finanziellen Beitrag leis ten und logistisch unterstützen« könne, etwa mittels Baustofflieferungen. Doch der Rest müsse von den Bewohnern kommen. Eine erfolg reiche Schlichtung sieht anders aus. Was nun
passieren wird, ist unklar. »Am Ende geht es wie immer ums Geld«, ist sich Zochert sicher.
Sarah Ulrich