Mediation gescheitert Der Konfikt um die Entmietung der Holbeinstraße 28a hält an

Erstveröffentlicht: 
01.12.2014

Der Heizöl-Tank ist leer, im November. Schon wieder. Dabei wurde er gerade erst befüllt. Warum er schon wieder leer ist? Zu wenig nach gefüllt, berichten die Bewohner der Leipziger  Holbeinstraße 28a. Es sei ja unklar, wie lange das  Haus überhaupt noch bewohnt ist, da lohne es sich nicht vollzutanken, sagt Jörg Zochert. Der  Mann ist Sprecher der Immobilienfirma KSW,  der Eigentümerin des Hauses. Für die Bewohner ist die Sache mit dem Heizöl  eine repressive Maßnahme, die sich in andere  Vorfälle im Haus einreiht (siehe kreuzer 03/2014). 

 

Für Zochert ist das die ökonomisch logische  Konsequenz daraus, dass das Haus sowieso im  nächsten Jahr leer stehen wird. Dabei beruft er sich auf baurechtliche Urteile, nach denen das Haus aus Brandschutzgründen bis Januar  geräumt sein muss.


An der Situation rund um die Elster-Werke hat  sich seit Beginn des Konfliktes vor einem Jahr  kaum etwas geändert: Die KSW kaufte das Objekt  und möchte es sanieren. Die jetzigen Mieter stören dabei nur, sollen also raus. Einziehen können sie ja danach wieder. Der Haken an der  Sache: Der Quadratmeterpreis soll sich etwa ver  dreifachen, denn sonst lohne sich die Sanierung  wirtschaftlich nicht, erklärt Zochert. Es entstehen Wohnungen direkt an der Weißen Elster für Besserverdiener. Da passen die jetzigen Bewohner, die überwiegend in der freien Kulturszene  arbeiten, nicht rein. Aber sie wollen bleiben und fordern ein Recht auf den günstigen Wohnraum, den sie schon seit 15 Jahren bewohnen.

Zwei Parteien eines Paradebeispiels der Gentrifizierung: Auf der einen Seite die Immobilienfirma, die sanieren will, um teurer zu vermieten. Auf der anderen die kreativen Bewohner, die  sich die Wohnungen einst hergerichtet haben  und ihren günstigen Wohnraum, aber auch  die Hausgemeinschaft, nicht verlieren wollen.  Ihnen geht es »um einen respektlosen Markt und um schwindende Freiräume für eine Gesellschaft, in der das soziale Individuum mehr  gefordert ist als je zuvor«, wie Bewohnerin Angela  erläutert.

Um diesen Konflikt zu lösen, hat die Stadt Leipzig eine Mediation veranlasst. Das bislang  letzte Treffen war im August. Interne Details einer Mediation dürfen aus rechtlichen Gründen  nicht preisgegeben werden, aber so viel steht  fest: Nach einer Einigung klingt das, was die  beiden Widersacher schildern, nicht. Bereit für  die Mediation waren beide Seiten. Sie erhofften  sich eine gemeinsame Lösung, die ohne juristische Auseinandersetzungen vonstattengeht.  Eine Idee der Bewohner: Sie wollen ein Stockwerk zur Verfügung gestellt bekommen. Der Vorschlag der KSW: Auf der Etage soll außer der  notwendigen Sanierung innerhalb der Wohnungen nichts gemacht werden. Ein Rohbau also, den sich die jetzigen Mieter dann nach Gefallen ausbauen könnten. Kostenpunkt: 7,50 Euro pro  Quadratmeter. Jörg Zochert sieht das als Entgegenkommen, der Preis sei für eine frisch sanierte Wohnung in der Lage normal. »Wenn wir so viel  Geld investieren, müssen wir es auch über die  Miete wieder refinanzieren.«

Für die Bewohner jedoch gleicht das Angebot  einer Farce. Sie schätzen ihren finanziellen Aufwand in einem solchen Fall auf etwa 400 Euro pro Quadratmeter. Wände einziehen, Wasser,  Heizung, Strom verlegen, Türen, Fußboden. Für  7,50 Euro kalt. Der aktuelle Mietpreisdurch schnitt für Schleußig liegt bei 5,50 bis 6,50 Euro.

»Warum muss man ständig den Weg für Leute  frei machen, die nur das Geld auf den Tisch legen?«, fragt Mirko, ein Mieter der sieben noch  übrig gebliebenen Mietparteien. Für Zochert  ist »diese Gentrifizierungsdebatte Quatsch«, das  sei schon noch ein »Wonderland« hier. Die Bewohner hätten nicht einmal die Eier in der Hose  gehabt, sich auf die Suche nach eigenen Projekten  zu machen, sagt er. Er sei ja schließlich nicht  der »KSW-Ökoonkel«. Dass es den Bewohnern  dabei aber um viel grundsätzlichere Dinge  geht, davon spricht er nicht. »Wir müssen aus  dem Stadtteil raus, weil wir nicht mehr in die Einkommensregion passen«, sagt Bewohnerin Ariane. »Natürlich würden wir mehr Geld für  eine Sanierung zahlen, aber nur, wenn es eine  Sanierung mit uns gibt und nicht gegen uns.«  Der Wunsch für die Mediation sei dabei gewesen,  dass die KSW das Hausprojekt und die Gemeinschaft anerkennen. Zochert sichert zu, dass die  Eigentümerin »einen finanziellen Beitrag leis  ten und logistisch unterstützen« könne, etwa mittels Baustofflieferungen. Doch der Rest  müsse von den Bewohnern kommen. Eine erfolg  reiche Schlichtung sieht anders aus. Was nun
passieren wird, ist unklar. »Am Ende geht es wie  immer ums Geld«, ist sich Zochert sicher.

Sarah Ulrich