Brief an den Chef: „Ihr Kollege, ein Neonazi?“

Erstveröffentlicht: 
05.12.2014

NPD-Ratsherr beschäftigt die Ratsversammlung

 

Das „Bündnis gegen Rechts“ hat den Arbeitgeber des NPD-Ratsherrn Mark Michael Proch in einem Brief über die politischen Aktivitäten seines Mitarbeiters informiert und fordert ihn auf, sich von dessen Gedankengut zu distanzieren. „Er vertritt die Partei der NPD, die bundesweit als verfassungsfeindlich und nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehend klassifiziert wird“, heißt es darin. Dieser Brief wird am kommenden Dienstag die Ratsversammlung beschäftigen.

 

Der Arbeitgeber mit Sitz in der Innenstadt ist laut Selbstdarstellung ein Dienstleister für Be- und Entladung sowie Zeitarbeit. In dem Brief des Bündnisses an die Firma mit der Betreff-Zeile „Ihr Arbeitskollege, ein Neonazi?“ heißt es unter anderem: „Gehen Sie also einmal davon aus, dass auch Ihre Firma nunmehr ins Visier des Verfassungsschutzes gerutscht ist. Ob das in Ihrem Interesse ist und so förderlich für den Ruf Ihres Betriebes, bleibt doch fraglich.“

 

Mark Proch selber hat den Brief öffentlich gemacht, indem er ihn zum Bestandteil eines Antrags an die Ratsversammlung machte. Darin bittet er den Rat, „sich ausdrücklich von der Vorgehensweise des ,Bündnis gegen Rechts‘ gegen einen demokratisch gewählten Ratsherrn zu distanzieren“. Der Brief sei „zutiefst menschenverachtend sowie unvereinbar mit allen demokratischen Grundsätzen“. Er sei der „Versuch, einen politischen Gegner wirtschaftlich, privat und öffentlich zu ruinieren“, so Proch.

 

Das Bündnis gegen Rechts, dem unter anderem Vertreter der Kirchen, der SPD, der Grünen und Linken, des Bündnis für Bürger, der Aktion Jugendzentrum und des Alevitischen Kulturvereins angehören, rechtfertigt auf Courier-Nachfrage ausdrücklich das Vorgehen gegen den NPD-Mann. Proch sei „die Schlüsselfigur der Neonazi-Szene in der Stadt und hat gute Verbindungen zu Rocker-Kreisen“. Es sei dem Arbeitgeber nichts mitgeteilt worden, was nicht schon öffentlich bekannt war. „Außerdem haben nicht wir das Schreiben öffentlich gemacht, sondern er selbst, um sich in die Opferrolle zu stellen. Es ist richtig gewesen, den Arbeitgeber zu informieren“, sagt ein Mitglied, das nicht genannt werden möchte, weil es sich vor Rache-Akten fürchtet. Aus diesem Grund sei das Schreiben an den Arbeitgeber auch bewusst nicht unterzeichnet worden, sondern es endet mit der Formel „Mit freundlichen Grüßen, Ihr Bündnis gegen Rechts“.

 

Keine Scheu, ihren Namen zu nennen, hat die Landtagsabgeordnete Angelika Beer (Piraten), die ebenfalls in dem Bündnis aktiv ist. „Wir hoffen sehr, dass die Ratsversammlung diesem Antrag nicht auf den Leim geht und sich an den Konsens hält, alle Anträge von Proch grundsätzlich abzulehnen“, sagt die langjährige Parlamentarierin, die auch schon viele Auseinandersetzungen mit Rechtsextremen geführt hat und nach eigenen Angaben auch schon häufig bedroht wurde.