Pegida und Antifa. Szenen einer Konfrontation

Erstveröffentlicht: 
02.12.2014

"Wir sind das Volk": Die Dresdner Pegida-Bewegung gegen die Aufnahme Asylsuchender ist am Montagabend stark angewachsen. Doch weit kam sie mit ihrem Protest nicht. Dann war die Straße blockiert.

 

Ein großer Erfolg der Gegendemonstranten, werde es heißen, ist Lutz Bachmann sicher. Er bevorzugt eine andere Interpretation: "Ich finde dagegen, das ist ein grandioser Erfolg für die Friedlichkeit unserer Sache." Mit "unserer Sache" meint Bachmann die Pegida-Demonstration. 7500 "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) fanden sich am Montagabend bei klirrender Kälte und eisigem Wind zusammen, um in Dresden gegen Flüchtlinge auf die Straße zu gehen.

 

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Erwartet wurden sie von etwa 1200 linken Gegendemonstranten, die es schafften, den Pegida-Spaziergang vorzeitig zu beenden. Das war es, was laut Pegida-Initiator Bachmann von außen als Erfolg gewertet werden würde. Pegida – was vor sieben Wochen als kleines Grüppchen in Dresden anfing, ist zu einer ernst zu nehmenden Erscheinung geworden. Man sei "in ein politisches Vakuum hineingestoßen", erklärt Christian Demuth vom Verein "Bürger Courage". Überall in Deutschland bildeten sich an diesem Montag Nachahmer: in Kassel, in Ostfriesland, in Magdeburg.

 

"Ich schätze mich glücklich, von so vielen Ratten wie euch umgeben zu sein. Ihr seid laut Innenminister Ulbig Ratten", sagt Bachmann zu den Demonstranten. Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) hatte die Organisatoren vergangene Woche als Rattenfänger bezeichnet. "Die Ratten werden mehr, und sie werden lauter." Das stellen sie sofort unter Beweis.

 

Die Anwesenden skandieren die bekannten "Wir sind das Volk"-Rufe und schwenken dazu Lampions und Fahnen in Deutschlandfarben. "Selbst gebastelt, extra für heute", sagt eine Mit-Fünfzigerin. Die Damen können den Beginn des Marsches kaum erwarten. Es sind Familien mit Kindern, die hier marschieren, Rentner, Akademiker. Gemeinsam mit NPD-Politikern und breiten, muskulösen Kerlen, die sich durch Kappen und Mützen als Fußball-Hooligans zu erkennen geben.

 

Der Islam macht den Demonstranten Angst

 

Beifall erhält Bachmann auch für seine Beschimpfung regierender Politiker, welche die Interessen der Bürger nicht ernst nähmen, sich lieber mit der "unnötigen Genderisierung unserer schönen blumigen deutschen Sprache" beschäftigten. Applaus nach jedem seiner Sätze. Bundesinnenminister de Maizières Pläne zur Abschiebung krimineller Asylbewerber seien lediglich eine Beruhigungstaktik, "damit das Volk wieder vor dem RTL-II-Programm auf der Couch Platz nimmt und ja nicht anfängt zu denken".

 

Abschließend stellt er wie in jeder seiner Reden klar, dass Pegida "nicht gegen den Islam, sondern gegen Islamismus und Islamisierung" sei. Der sonst so tosende Beifall fällt verhalten aus. Dann geht es über die St. Petersburger Straße in Richtung Elbe.

 

Vor der Carolabrücke wird die Masse der mittlerweile 7500 Demonstranten aufgehalten, da man Gegner auf der Brücke vermutet. Ein Ordner nimmt sein Kind auf die Schultern und erklärt ihm: "Guck, das da oben sind die Bösen. Die bewerfen uns mit Steinen und Flaschen." Als das Kind daraufhin anfängt zu weinen, beruhigt es der Vater und betont, es vor den "Zecken" schützen zu wollen. Es sind überaus viele Kinder und Jugendliche an diesem Montag in der Menge. 

 

1200 Gegendemonstranten stoppen den Zug


Am Terrassenufer unterhalb der Hochschule für Bildende Künste bleibt die Vorhut der Polizei plötzlich stehen. Ordner riegeln den Durchgang ab. In etwa 200 Meter Entfernung blockiert der Schwarze Block der Antifa die Pegida. Da sich beide Gruppen nun so nah sind wie niemals zuvor – und die 1200 Gegendemonstranten diesmal überaus zahlreich –, wird in der bislang friedlichen Menge der Montagsspaziergänger Unmut laut. Rechte Parolen und "Räumen"-Rufe sind zu hören.

 

Wortführer Lutz Bachmann mahnt die Demonstranten zu einem weiteren friedlichen Vorgehen. Von seiner anfänglichen Selbstsicherheit ist nur noch wenig zu spüren. Stattdessen muss er sich Beschimpfungen aus den eigenen Reihen anhören. Ein lauter Knall schreckt die Menschen auf. Ein Pegida-Aktivist hat einen Feuerwerkskörper gezündet, doch wird er sofort von Umstehenden und zahlreichen "Pfui"-Rufen zurechtgewiesen. Blitzartig entstehen interne Konflikte zwischen Anhängern der rechten Szene, die ein Ausharren am Elbufer fordern, und den gemäßigten Demonstranten, die einsichtig zur Umkehr aufrufen.

 

Bevor die Stimmung endgültig kippen kann, beginnt ein Teil der Leute, den Rückzug anzutreten, der Rest folgt. "Wir kommen nächste Woche wieder", brüllen einige der triumphierenden Antifa entgegen, die von der Promenade jubelnd herabsieht. Missmutig setzt man sich in Gang. "Wir haben die Demonstration heute verloren", sagt ein Mann. "Wir müssen das nächste Mal zahlreicher werden. Erst 10.000 und dann 20.000. Bis wir Gehör finden."