Leipzig: Streit um geplantes Asylbewerberheim

Erstveröffentlicht: 
26.11.2014

Leipzig Wiederitzsch: gepflegte Vorgärten, schicke Einfamilienhäuser, ruhige Wohnlage. In dieser gutbürgerlichen Wohnidylle im Leipziger Norden sollen, nach dem Willen des Freistaates Sachsen, Asylbewerber einziehen. In einem ehemaligen Bundeswehrkrankenhaus will das Land eine sogenannte Erstaufnahmeeinrichtung mit 350 Plätzen schaffen.

 

Das heißt: Die Flüchtlinge bleiben hier so lange, bis über ihren Asylantrag entschieden wird. Sie werden registriert, medizinisch versorgt. Das Gebäude eignet sich sehr gut, es steht seit sieben Jahren leer. Doch Zaun an Zaun mit Asylbewerbern, das erhitzt die Gemüter der Wiederitzscher Einwohner. Dirk Neumann, BMW-Manager und Wiederitzscher, macht gegen das neue Heim mit einer Bürgerinitiative mobil. Für ihn ist ein Asylbewerberheim in unmittelbarer Nachbarschaft unvorstellbar.

 

"Die Ruhe, die wir hier haben, soll bitte weiter bleiben, wir wollen keine Verschmutzung und keine Kriminalität."

Dirk Neumann, Anwohner

 

Michael Wilhelm, Staatssekretär im Sächsischen Innenministerium, muss sich vor den Wiederitzschern erklären. Er will Ängste ernstnehmen und gleichzeitig Tatsachen schaffen. Die Anwohner haben ihm viele Fragen geschickt. Doch eins ist für ihn klar: Als Standort kommt nur das ehemalige Bundeswehrkrankenhaus infrage.

 

"Ich möchte in Sachsen, dass diese Menschen, die hierher kommen, Fürchterliches erlebt haben, dass die freundlich aufgenommen werden, dass die eine Unterkunft bekommen, ein Dach überm Kopf und kein Zelt. Das ist für mich das A und O, das darf nicht passieren. Und wenn ich eine Immobilie hab, wo ich das gewährleisten kann, dann muss das einfach akzeptiert werden."

Michael Wilhelm, Staatssekretär im Sächsischen Innenministerium

 

Die Wiederitzscher haben von dem Asylbewerberheim nur aus der Zeitung erfahren. Auf Druck der Anwohner ist eine Bürgerversammlung zustande gekommen mit ca. 1.000 Anwohnern. Bürgerproteste gegen Asylunterkünfte nehmen besonders in Sachsen zu. Vor kurzem in Dresden. Hier laufen 5.500 Demonstranten Sturm gegen muslimische Migranten und Flüchtlinge. Ende des Jahres werden im Freistaat etwa 11.000 Asylbewerber in über 40 Orten leben. Neue Unterkünfte sind geplant. Protestiert wird schon heute. In Bautzen ist auch die NPD unter den Demonstranten. In Ottendorf-Okrilla sind es zuletzt hunderte Wutbürger. Und auch in Chemnitz gibt es Proteste. 

Bei der Versammlung in Wiederitzsch ist die Stimmung aufgeheizt. Die Anwohner fühlen sich von den Regierungsvertretern übergangen – Angst und Fremdenhass liegen nah beieinander. Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz versucht zu beschwichtigen und verkündet: Das Heim bekommt einen eigenen Polizeiposten, rund um die Uhr besetzt. Offenbar ein Zugeständnis an die wütende Masse. Denn an eine wirkliche Gefahr glaubt er nicht.

 

"Dass das alles Lumpen, Verbrecher und Sexualstraftäter sind - verwahre ich mich dagegen. Die Straftaten von Asylbewerbern, die in der Polizeidirektion Leipzig begangen wurden, beläuft sich auf 0,5 Prozent."

Bernd Merbitz, Polizeipräsident Leipzig

 

Nach fast vierstündiger Debatte bleibt die entscheidende Frage offen: Kommt das Heim nun oder nicht? Nun streiten sich die Wiederitzscher untereinander. Das geplante Heim macht tatsächlich schon jetzt Probleme – unter alten Nachbarn.