Die Einrichtung neuer Asylbewerberheime hat Ängste in der Bevölkerung ausgelöst. Doch sind sie berechtigt?
Von Tobias Wolf
Es ist eine Debatte, die die Dresdner spaltet: die Diskussion um die Einrichtung von neuen Asylbewerberheimen in der Stadt. Kriegsflüchtlingen helfen? Ja, aber nicht vor der eigenen Haustür, scheint der Tenor bei einigen Kritikern zu sein. Oft bemüht wird dabei das Argument, dass solche Gemeinschaftsunterkünfte automatisch die Kriminalität in ihrer Nachbarschaft erhöhen würden. Was ist dran an dieser Behauptung, die vielen als Grundlage ihrer Ablehnung dient?
Eine Statistik, in der Asylbewerber extra aufgeführt werden, gibt es laut Polizeidirektion Dresden nicht. Es werde lediglich zwischen deutschen und nichtdeutschen Tätern unterschieden. In den vergangenen Jahren habe es aber keine auffälligen Kriminalitätsentwicklungen im Umfeld von Asylbewerberheimen gegeben, so die Einschätzung der Revierleiter vor Ort in den Stadtteilen. Im Jahr 2013 wurden in Dresden insgesamt 18 640 Tatverdächtige ermittelt, sagt Polizeisprecher Thomas Geithner. 2 511 von ihnen besaßen keine deutsche Staatsangehörigkeit. Das entspricht einem Anteil von 13,5 Prozent an der Gesamtstatistik.
Darunter sind jedoch auch Vergehen erfasst, die nur Ausländer begehen können, wie etwa die illegale Einreise und melderechtliche Straftaten. Ein geduldeter Flüchtling, der beispielsweise beim Verlassen seines Aufenthaltsbezirkes Dresden ertappt wird, wird automatisch straffällig. Dazu würde es ausreichen, bei einer Dampferfahrt bis nach Pirna an Bord zu bleiben, weil die Kleinstadt zum benachbarten Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gehört. Werden diese Vergehen aus der Statistik herausgerechnet, bleiben noch knapp zwölf Prozent Tatverdächtige übrig, die aus dem Ausland stammen.
Mindestens ein Zehntel davon seien Menschen, die sich wie Touristen nur sehr kurz in Deutschland aufhalten, schätzt Oberstaatsanwalt Christian Avenarius, der auch Vorsitzender der Dresdner SPD ist. Dies betrifft Straftaten wie das Ausspähen der Daten von Bankkunden an präparierten Geldautomaten, um deren Konten zu plündern. Dahinter stecken vor allem rumänische und bulgarische Banden, deren Angehörige sich meist nur kurz in Deutschland aufhalten. Diese Taten seien der organisierten Kriminalität zuzuordnen, ebenso Delikte im Drogen- und Rotlichtmilieu agiert. Auch die in Dresden sehr häufigen Autodiebstähle gehen in der Regel auf das Konto organisierter Banden, deren Mitglieder meist aus den östlichen EU-Staaten Polen und Tschechien stammen.
Etwa ein Viertel bis ein Drittel aller ertappten Ausländer werde im Zusammenhang mit solchen Taten ermittelt, so Avenarius. Teilweise begehen Kriminelle ihre Taten auch vom Ausland aus über das Internet und tauchen in der Statistik auf, manchmal ohne hierzulande überhaupt persönlich in Erscheinung getreten zu sein. Auch viele Einbrüche gehen auf das Konto reisender Täter. Zudem sei nicht jeder Kriminelle ein Gewalttäter, so Avenarius. Auch sexuelle Übergriffe, die von manchem im Umfeld neuer Asylbewerberheime befürchtet werden, seien im familiären Umfeld deutlich wahrscheinlicher als bei Außenstehenden. Mit den erwarteten Flüchtlingen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan habe all das nichts zu tun.
Jeder muss sich an Gesetze halten
„Die Kriminalität von Ausländern muss berücksichtigt werden“, sagt der Oberstaatsanwalt. „Aber das ist in den meisten Fällen eben keine Kriminalität von Flüchtlingen oder Asylbewerbern.“ Was nicht bedeuten würde, dass diese gar nicht in Erscheinung treten. „Es gibt Asylbewerber, die sich nicht an die Regeln halten und Straftaten begehen“, sagt Polizeisprecher Geithner. Es sei aber wichtig, zu differenzieren. Eine Mehrheit der Asylbewerber komme mit der Polizei nicht in Kontakt.
Zwar gebe es Vorkommnisse in Flüchtlingsheimen. Dies seien jedoch meist Auseinandersetzungen der Bewohner untereinander. „Zweifellos gibt es Einzelereignisse, die einen polizeilichen Einsatz und auch strafrechtliche Ermittlungen nach sich ziehen“, erklärt Geithner. Das Problem liege allerdings darin, dass Anwohner diese Ereignisse verallgemeinern würden und so den Begriff „Asylbewerber“ mit einem Stereotyp belegen. Was sie einmal gehört hätten, würden sie auch auf den Nächsten anwenden, der ihnen begegnet. Fazit: Aus einem einzelnen Ereignis könnten keine allgemeingültigen Rückschlüsse auf eine höhere Kriminalitätsgefährdung von Asylbewerbern gezogen werden, so der Polizeisprecher.
Tauchen Streifenwagen vor Flüchtlingsheimen auf, hat dies nicht immer etwas mit Straftaten zu tun. Mitunter gehe es dabei um Abschiebungen, so der Polizeisprecher. Außerdem sind die Bürgerpolizisten mehrmals pro Woche mit den Heimleitern in Kontakt. Damit sollen eventuelle Probleme frühzeitig erkannt und gemeinsam gelöst werden. Beispielsweise gelinge eine solche Zusammenarbeit mit dem Hosterwitzer Gustavheim gut. Regeln muss am Ende jeder beachten. „Wer hierherkommt, muss sich auch an unsere Gesetze halten“, sagte Sachsens Innenminister Markus Ulbig auf dem CDU-Kreisparteitag am Sonnabend.