Erbitterter Streit um Mieten - immer mehr Prozesse in Leipzig

Erstveröffentlicht: 
24.11.2014

Leipzig. Explodierende Preise bei Neuvermietungen - mehr Prozesse? Einen Zusammenhang möchte Richter Knut Petersen zwar nicht ausschließen. Eine Ursachenforschung betreibe das Amtsgericht Leipzig dazu aber nicht, betont der zuständige Abteilungsleiter. Seinen Angaben zufolge stieg die Anzahl der Verfahren in Mietsachen binnen fünf Jahren um immerhin 18 Prozent - von 3417 (2008) auf 4047 (2013). In ganz Sachsen sogar um 24 Prozent - von 11.910 (2008) auf 14.796 (2013).

 

Nach den Erfahrungen der Leipziger Mietrichter wird am häufigsten über Kündigungen und Räumungsklagen gestritten. Im Ranking geht es weiter mit Mietmängeln. Auf den Plätzen 3 und 4 folgen die Auseinandersetzungen um Kautionen sowie Betriebskosten. Den fünften Platz nimmt das Kapitel Preiserhöhungen ein.

Dabei gar nicht so selten sei der Fall, dass der Vermieter eines etwa noch aus DDR-Zeiten stammenden, nicht erneuerten Gebäudes, das naturgemäß nicht mehr heutigen Wohnstandards entspricht, eine Erhöhung der Miete auf die "ortsübliche" verlangt. "Zunächst nachvollziehbar, wenden die Mieter dann im Prozess ein, diese Klage sei abzuweisen, weil durch den Vermieter jahrelang nichts zur Reparatur oder Erneuerung des Gebäudes oder der Wohnung unternommen worden sei", erläutert Petersen. "Darauf kommt es aber nicht an." Bei der Klärung, wie hoch die ortsübliche Miete für eine Wohnung ist, werde nur geprüft, wie viel Miete im Allgemeinen in einem Ort für Wohnungen mit derart niedrigem Wohnstandard bezahlt wird - und in Leipzig dabei der Mietspiegel zu Rate gezogen.

Eine ganz andere Frage sei dann, ob die Beschaffenheit der Wohnung dem entspricht, was im Mietvertrag vereinbart sei. "Ist das nicht der Fall, kann die Einzelmiete so lange gemindert sein, bis die Wohnungsmängel beseitigt sind", so der Richter. Das wäre dann allerdings in einem anderen Verfahren zu klären.

Als weiteren möglichen Grund zunehmender Auseinandersetzungen hat Petersen - neben der gestiegenen Einwohnerzahl in Leipzig - Folgendes ausgemacht: So argumentierten Vermieter nun damit, dass in Online-Portalen zur Wohnungssuche höhere Durchschnittspreise für Angebote angegeben würden. "Für die Höhe der ortsüblichen Miete einer Wohnung ist aber nicht maßgeblich, was derzeit als Miete für eine Neuvermietung verlangt wird. Maßgeblich ist vielmehr die Miete, die für bereits vermietete Wohnungen innerhalb der letzten vier Jahre tatsächlich bezahlt wurde. Die kann durchaus niedriger sein", betont er.

 

Wie berichtet, langen Vermieter beim Abschluss neuer Verträge - zumal angesichts der geplanten Mietpreisbremse - in jüngster Zeit noch mal richtig zu. Analysen des Immobilienportals Immonet zufolge gab es in Leipzig und Dresden von 2012 zu 2013 einen Preisanstieg von fast 7,5 Prozent. Nach Ansicht von Anke Matejka dürften Preise bei Neuvermietungen vor Gericht aber "noch keine Rolle spielen". Dieses Thema käme dort erst in den nächsten Jahren an, meint die Vorsitzende des Leipziger Mietervereins. "Was wir aber in den letzten zwei, drei Jahren festgestellt haben: Es wird mehr über Miet-erhöhungen bei Bestandsmietverhältnissen gestritten. Diese Fälle haben sich bei uns verdoppelt."

Auch der Eigentümerverband "Haus & Grund" in Leipzig hat verstärkten Beratungsbedarf bezüglich der ortsüblichen Vergleichsmiete sowie der Mieterhöhungen nach dem Mietspiegel registriert, so Geschäftsführer Eric Lindner. Gerade angesichts steigender Prozess-Zahlen begrüße der Verband die Wiederbelebung der 2004 geschlossenen städtischen Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten. Das hatte die Grünen-Fraktion gerade erst im Stadtrat beantragt. Lindner zufolge stand der Eigentümerverband diesbezüglich bereits vor Monaten in Kontakt mit dem Mieterverein. Dazu Anke Matejka: "Wir sind grundsätzlich offen für Gespräche über eine Schlichtungsstelle." Geklärt werden müssten dazu allerdings viele Fragen. Etwa: Unter welchen Voraussetzungen soll das geschehen? Für welche Streitigkeiten soll sie zuständig sein?

Dass Schlichtungen durchaus Aussicht auf Erfolg haben, zeigt auch die relativ hohe Rate bei Vergleichen am Gericht. Petersen zufolge liegt sie bei 15 Prozent, sei damit fast doppelt so hoch wie bei allgemeinen Zivilsachen, womit beispielsweise Streit um Handwerkerrechnungen, Autokauf- oder Handyverträge gemeint sei. Grund: "Ein Mietvertrag ist ein Dauerschuldverhältnis, das heißt: Man muss über Jahre miteinander auskommen. Von daher besteht ein besonderes Interesse, Streit durch Kompromisslösungen beizulegen", glaubt Petersen.

Für Zündstoff dürfte der neue Leipziger Mietspiegel sorgen, der noch 2014 herauskommen und meist höhere Mieten als sein Vorläufer ausweisen soll. "Je verlässlicher und qualitativ besser der Mietspiegel ist, desto weniger Prozesse gibt es", meint jedoch der Richter.

Aus der Leipziger Volkszeitung vom 24.11.2014