Kriminalbeamte für Diskussion über liberale Drogenpolitik – Fachtagung in Leipzig

Erstveröffentlicht: 
10.09.2014

Leipzig. Auf der Kriminalistenfachtagung „Kripo Inter 2014“ in Leipzig diskutieren Experten über den Kampf gegen Drogenmissbrauch und eine mögliche Legalisierung. Rund 200 Fachleute aus dem In- und Ausland tauschen sich am Mittwoch und Donnerstag dazu aus. Im Interview sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, warum auch in Deutschland über Alternativen zur bisherigen Drogenpolitik geredet werden sollte. 


Frage: Das Motto der Fachtagung lautet: „Der aussichtslose Kampf gegen Drogen - Ist Legalisierung die Antwort?“. Wie ist die Position des Bundes Deutscher Kriminalbeamter?

André Schulz:
Wir als BDK haben zumindest eine offene Haltung. Wenn man sich betrachtet, wie wir in den vergangenen Jahrzehnten als Polizei damit umgegangen sind, kann man die Frage stellen: Ist das noch gerechtfertigt? Steht die Kriminalisierung von Konsumenten noch in einem richtigen Verhältnis zum Aufwand, ist eine strafrechtliche Verfolgung grundsätzlich der richtige Weg? Oder müsste da nicht ein anderer Ansatz gewählt werden, sprich: den Konsumenten stärker zu helfen und diesen Bereich zu entkriminalisieren?  Da gibt es, wenn man ins Ausland blickt, durchaus Möglichkeiten. Wird man in Portugal zum Beispiel mit Cannabis erwischt, dann ist das keine Straftat und keine Ordnungswidrigkeit, sondern ein „sozialer Verstoß“. Es wird notiert und man erhält die Aufforderung in den nächsten 72 Stunden vor einer Kommission zu erscheinen - aber dort steht dann die Aufklärung und Hilfe im Vordergrund.

Frage: Aber auch in Deutschland wird ja nicht jeder kleine Konsument bestraft.

André Schulz: Das stimmt. Nach Paragraf 31a des Betäubungsmittelgesetzes kann bei geringer Menge von Strafverfolgung abgesehen werden. Aber trotzdem ist man kriminalisiert. Wir als Polizei vergeben den Stempel „Drogenkrimineller“. Man ist gelabelt und im System als Drogenkonsument verzeichnet - mit allen Folgen, die das nach sich zieht. Wir wollen uns in der Diskussion zumindest offen zeigen und fragen: Ist dieser Weg der richtige oder gibt es andere Möglichkeiten?

Frage: Es gibt die Beispiele Amsterdam oder seit einiger Zeit auch Colorado in den USA, wo der Cannabis-Handel zugelassen ist. So weit gehen Sie aber nicht, sondern Sie zielen eher auf den Konsumenten?

André Schulz: Wir schauen uns auch diese Modelle genau an. Welche Erfahrungen haben die in den USA gesammelt, welche Vorteile und welche Nachteile hat das - und wie kann man trotzdem Jugendschutz gewährleisten? Und dann wollen wir als BDK zu einer Position gelangen.

Frage: Die Bekämpfung der Drogenkriminalität macht der Polizei in Deutschland eine Menge Arbeit. Könnte eine Liberalisierung nicht Kräfte für wichtigere Dinge freisetzen?

André Schulz: Das darf kein Argument sein. Wir liberalisieren und entkriminalisieren und dann haben wir weniger zu tun - damit hätten wir es uns ein bisschen zu leicht gemacht. Weil für uns die Hilfe für Konsumenten im Mittelpunkt stehen sollte. Es gibt Karrieren in diesem Bereich, die wir selber schaffen. Wir legen Akten an, wir stigmatisieren Drogenkonsumenten. Natürlich ist die Bekämpfung der Drogenkriminalität arbeitsintensiv - Handel, Schmuggel, Anbau im großen Stil. Aber das wird man weiter haben. Eine Entkriminalisierung der Konsumenten wäre in dem Sinne nur eine mittelbare Arbeitserleichterung für die Polizei und nicht der Hauptgrund. Der Bericht muss sowieso gefertigt werden - er würde dann nur an die Sozialbehörde statt an die Staatsanwaltschaft gehen.

Frage: Aber auch ein entspannterer Umgang mit Drogen wird das Problem nicht aus der Welt schaffen können.

André Schulz: Wenn jemand Heroin nimmt, wird er es sich besorgen. Wenn er Klebstoff schnüffelt - ich kann Uhu nicht verbieten. Jetzt haben wir eine Crystal-Meth-Welle. Das Thema wird immer da sein und die Menschheit begleiten. Uns geht es darum, im reinen Konsumentenbereich, gerade bei jugendlichen Konsumenten, zu fragen:
Kriminalisieren wir sie nur oder hat das einen weitergehenden Erfolg? Können wir als Strafverfolgungsbehörden nicht andere Wege gehen? Z

ZUR PERSON: Der Erste Kriminalhauptkommissar André Schulz ist seit 2011 Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Nach Stationen bei der Kriminalpolizei in Schleswig-Holstein und Hamburg ist er derzeit beim Landeskriminalamt Hamburg tätig.