Leipzig. Auf der Kriminalistenfachtagung „Kripo Inter 2014“ in Leipzig diskutieren Experten über den Kampf gegen Drogenmissbrauch und eine mögliche Legalisierung. Rund 200 Fachleute aus dem In- und Ausland tauschen sich am Mittwoch und Donnerstag dazu aus. Im Interview sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, warum auch in Deutschland über Alternativen zur bisherigen Drogenpolitik geredet werden sollte.
Frage: Das Motto der
Fachtagung lautet: „Der aussichtslose Kampf gegen Drogen - Ist
Legalisierung die Antwort?“. Wie ist die Position des Bundes Deutscher
Kriminalbeamter?
André Schulz: Wir als BDK
haben zumindest eine offene Haltung. Wenn man sich betrachtet, wie wir
in den vergangenen Jahrzehnten als Polizei damit umgegangen sind, kann
man die Frage stellen: Ist das noch gerechtfertigt? Steht die
Kriminalisierung von Konsumenten noch in einem richtigen Verhältnis zum
Aufwand, ist eine strafrechtliche Verfolgung grundsätzlich der richtige
Weg? Oder müsste da nicht ein anderer Ansatz gewählt werden, sprich: den
Konsumenten stärker zu helfen und diesen Bereich zu
entkriminalisieren? Da gibt es, wenn man ins Ausland blickt, durchaus
Möglichkeiten. Wird man in Portugal zum Beispiel mit Cannabis erwischt,
dann ist das keine Straftat und keine Ordnungswidrigkeit, sondern ein
„sozialer Verstoß“. Es wird notiert und man erhält die Aufforderung in
den nächsten 72 Stunden vor einer Kommission zu erscheinen - aber dort
steht dann die Aufklärung und Hilfe im Vordergrund.
Frage: Aber auch in Deutschland wird ja nicht jeder kleine Konsument bestraft.
André Schulz: Das
stimmt. Nach Paragraf 31a des Betäubungsmittelgesetzes kann bei
geringer Menge von Strafverfolgung abgesehen werden. Aber trotzdem ist
man kriminalisiert. Wir als Polizei vergeben den Stempel
„Drogenkrimineller“. Man ist gelabelt und im System als Drogenkonsument
verzeichnet - mit allen Folgen, die das nach sich zieht. Wir wollen uns
in der Diskussion zumindest offen zeigen und fragen: Ist dieser Weg der
richtige oder gibt es andere Möglichkeiten?
Frage: Es gibt
die Beispiele Amsterdam oder seit einiger Zeit auch Colorado in den USA,
wo der Cannabis-Handel zugelassen ist. So weit gehen Sie aber nicht,
sondern Sie zielen eher auf den Konsumenten?
André Schulz: Wir
schauen uns auch diese Modelle genau an. Welche Erfahrungen haben die
in den USA gesammelt, welche Vorteile und welche Nachteile hat das - und
wie kann man trotzdem Jugendschutz gewährleisten? Und dann wollen wir
als BDK zu einer Position gelangen.
Frage: Die Bekämpfung
der Drogenkriminalität macht der Polizei in Deutschland eine Menge
Arbeit. Könnte eine Liberalisierung nicht Kräfte für wichtigere Dinge
freisetzen?
André Schulz: Das darf kein
Argument sein. Wir liberalisieren und entkriminalisieren und dann haben
wir weniger zu tun - damit hätten wir es uns ein bisschen zu leicht
gemacht. Weil für uns die Hilfe für Konsumenten im Mittelpunkt stehen
sollte. Es gibt Karrieren in diesem Bereich, die wir selber schaffen.
Wir legen Akten an, wir stigmatisieren Drogenkonsumenten. Natürlich ist
die Bekämpfung der Drogenkriminalität arbeitsintensiv - Handel,
Schmuggel, Anbau im großen Stil. Aber das wird man weiter haben. Eine
Entkriminalisierung der Konsumenten wäre in dem Sinne nur eine
mittelbare Arbeitserleichterung für die Polizei und nicht der
Hauptgrund. Der Bericht muss sowieso gefertigt werden - er würde dann
nur an die Sozialbehörde statt an die Staatsanwaltschaft gehen.
Frage: Aber auch ein entspannterer Umgang mit Drogen wird das Problem nicht aus der Welt schaffen können.
André Schulz: Wenn
jemand Heroin nimmt, wird er es sich besorgen. Wenn er Klebstoff
schnüffelt - ich kann Uhu nicht verbieten. Jetzt haben wir eine
Crystal-Meth-Welle. Das Thema wird immer da sein und die Menschheit
begleiten. Uns geht es darum, im reinen Konsumentenbereich, gerade bei
jugendlichen Konsumenten, zu fragen:
Kriminalisieren wir sie nur oder
hat das einen weitergehenden Erfolg? Können wir als
Strafverfolgungsbehörden nicht andere Wege gehen? Z
ZUR PERSON:
Der Erste Kriminalhauptkommissar André Schulz ist seit 2011 Vorsitzender
des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Nach Stationen bei der
Kriminalpolizei in Schleswig-Holstein und Hamburg ist er derzeit beim
Landeskriminalamt Hamburg tätig.