Leipzig: Kriminell ist nicht die Eisenbahnstraße. Kriminell ist das System.

Plakat: Antirassistischer Kulturtag

Am 13.9.2014 wird es ab 12 Uhr im Stadtteilpark Rabet einen antirassististichen Kulturtag geben. Zum Programm gehören unterschiedliche Workshops (Graffiti, Siebdruck uvm.), Infostände, Musik, ein Workshop zu rassistischen Politzeikontrollen und eine Podiumsdiskussion unter der Fragestellung: “Die Eisenbahnstraße, gefährlichste Straße Deutschlands?! Rassistische Sterotype oder Realität?”. Desweiteren bietet der Park eine Vielzahl an Möglichkeiten der sportlichen Aktivitäten wie Fußball, Volleyball, Tischtennis, Basketball uvm.

 

Wir freuen uns neben Microphone Mafia auch MC Nuri auf unserer Bühne begrüßen zu dürfen:

Microphone Mafia – 14.30 Uhr

MC Nuri – 20.00 Uhr

 

Hier der Aufruf zum Tag:

 

Kriminell ist nicht die Eisenbahnstraße. Kriminell ist das System


Die Eisenbahnstraße im Leipziger Osten ist laut einem ProSieben-Fernsehbeitrag die angeblich “gefährlichste Straße Deutschlands”. Der Beitrag reiht sich in andere Berichterstattungen sowie die Perspektive einen Großteils der Leipziger_innen ein, die die Eisenbahnstraße als “Kriminalitätsschwerpunkt” betrachten und sich bedroht fühlen. Wie zumeist, wenn über solche “Schwerpunkte” gesprochen wird, handelt es sich um einen Stadtteil, der im Durchschnitt einen höheren Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund hat, als es andere Viertel im Stadtgebiete haben. Gern wird dabei der Begriff “Parallelgesellschaft” verwendet. Nicht erwähnt wird, dass sich nicht die Bewohner_innen der stigmatisierten Stadtteile verschließen, sondern sie seit jeher unerwünscht und nicht willkommen, also schon immer ausgeschlossen waren.

 

Doch nach einer aufgeblasenen Kampagne, die Leipzig zu einem „besseren Berlin“ verklärt und die Stadt international in den Himmel lobt, setzt ein Trend der vermeintlichen Aufwertung ein, der auch ehemalige „Schmuddelecken“ wie im Leipziger Osten nicht verschont.

Menschen mit geringem Einkommen, Migrationshintergrund oder solche deren Lebensumstände nicht in die schon damals gutbürgerlichen Stadtteile passten, fanden sich in den Platten der Stadt und im Leipziger Osten.


Mittlerweile hat sich vieles verändert und auch hier wird angefangen, diese Ecken gewinnorientiert zu vermarkten. Nachdem der halbgare Versuch die Eisenbahnstraße als “Multikultimeile” zu vermarkten, gescheitert ist, treten nun andere Mittel auf den Plan. Besser geeignet scheint es, sich der bisherigen Anwohner_innen zu entledigen. Dazu bedient mensch sich rassistischer Propaganda. So wie es bei jeder Gelegenheit die Lokalpresse und auch die Leipziger Polizei tut. Parallel dazu steigen die Mieten. Ein wirksames politisches Gegensteuern bleibt aus.

 

Außerdem verschärft sich die soziale Situation weiter. Während der wirtschaftlich-orientierte Umbau der Stadt voran geht, wird zeitgleich der Repressionsdruck in den so genannten “Problemstadtteilen” erhöht. “Überwachen und Strafen” ist dabei das Motto und bedeutet auch in der Eisenbahnstraße: mehr Kameraüberwachung, systematische und zunehmend willkürliche Polizeipräsenz, ein eigener Polizeiposten und Rechtsfreiheit für die Staatsgewalt.

 

Nationalismus als Verschleierungszusammenhang


Dass Menschen aufgrund ihrer Lebensweise oder ihrer sozialen Lebensumstände dikriminiert und systematisch entrechtet werden, kommt nicht von Ungefähr, sondern folgt einem gesellschaftlichen Prinzip. Sei es im realpolitischen Alltag, subtil über mediale Debatten oder in der sozial-politischen Diskussion, letztendlich vollzieht sich eine Auslese der Gesellschaft in „wertbringende“ und „wertlose“ Mitglieder. Wer aus dem kapitalistischen Normalablauf herausfällt, bildet die soziale „Unterschicht“, wird abgewertet und verachtet. Als Argumente werden entweder genetische Ursachen erdacht oder wer die Leistung nicht bringt, hat persönlich „versagt“. Dieser grassierende Sozialchauvinismus erfreut sich zunehmender Akzeptanz in allen Gesellschaftsschichten. Solang mensch seine eigenen Schäfchen noch im Trockenen sicher wägt, bleibt die befriedigende Aggression auf alle vermeintlich anderen, schwächeren, gescheiterten Existenzen attraktiv. Gerade


die Eisenbahnstraße eignet sich in diesem Sinne als Negativ-Projektionsfläche für die abstiegsbedrohten Biomarkt-Deutschen, Ordnungsfetischist_innen, Nazis, CDU und ihr kleiner Stiefbruder „Alternative für Deutschland“(AfD).

 

Diskriminierung als Hintergedanke


Nicht erst seit Sarrazin und der AfD wird medial die Angst vor einer angeblichen Überfremdung durch vor allem muslimische Einwander_innen gestreut. Dabei werden klare rassistische Stereotype bedient und wiederbelebt und von weiten Teilen der weißen, deutschen Mehrheitsgesellschaft getragen.

Die nachweisbar größer werdende Kluft zwischen Menschen mit hohem und niedrigem sozioökonomischen Status ist hierbei eine Ursache für den zunehmenden Rassismus. Es ist somit alles andere als zufällig, wenn mit der Verhärtung unserer Lebensbedingungen die Ausgrenzung der von der Mehrheitsgesellschaft diskriminierten Menschen – wie beispielsweise Migrant_innen – gleichermaßen zunimmt.

 

Die Antwort des Staates steht jedoch im krassen Wiederspruch zur Abmilderung sozialer Probleme.
Mehr Kameras, mehr polizeiliche Kontrollen, härtere Strafen tragen zur Normierung des Einzelnen bei und erinnern den ungeliebten, unproduktiven Teil der Gesellschaft an ihre vermeintlichen Aufgaben in der Bundesrepublik Deutschland.


Es resultiert eine zunehmend flächendeckende Überwachung und Bestrafung der Gesellschaft: Möglichkeiten des Aufbegehrens, der Solidarität und des Miteinanders werden sukzessive unmöglich gemacht. Offiziell wird von Sicherheitspolitik geredet, gemeint ist: Deine Daseinsberechtigung ist die Lohnarbeit!

Werden die staatliche Überwachung und der grassierende Rassismus miteinander verbunden, so resultiert daraus das, was als „racial profiling“ in Stadtteilen, die von der Polizei willkürlich als „Kriminalitätsschwerpunkte“ gehandhabt werden, verstanden wird:


„Verdachtsunabhängige Kontrollen“ an Personen, die in irgendeiner Weise als von der Norm abweichend betrachtet werden. Anlass kann die äußere Erscheinung, die Kleidung oder die Bewegungsart sein. Betroffene werden manchmal sogar mehrmals hintereinander kontrolliert. Rassismus tritt dabei als gesellschaftliches und institutionelles Problem auf – aufgrund der Zustimmung in der Mehrheitsgesellschaft können die Behörden sich viele Rechtsbrüche erlauben.

 

Criminials United


Das eigentliche Problem sind nicht „kriminelle Strukturen“der „Integrationsunwilligen“ , sondern eine Gesellschaft die einzig auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist. Eine Gesellschaft in der so genannte “Fremde” nicht willkommen sind und seit jeher angefeindet und angegriffen werden. Wer sich für ein Zusammenleben ausspricht, in dem nur die “Stärksten” ein gutes Leben haben sollen, muss sich nicht wundern, wenn die “Schwachen” sich von dieser abwenden.

 

Wir stehen für eine Gesellschaft ein, die frei ist von Rassismus und sozialer Ausgrenzung. Eine Gesellschaft, die nicht nach kapitalistischen Gesichtspunkten ausgerichtet ist, sondern im Interesse aller Menschen, egal woher sie kommen. Das Problem liegt nicht in einer Straße oder einem Stadtteil, sondern das Probelm ist dieses System, das Menschen nur nach ihrer Nützlichkeit bewertet, sortiert, normiert und letztendlich zerstört.