Das L-IZ-„Wahlpodium Süd“ am 18. August im Videomitschnitt: Wahlkampf mit Hindernissen

Erstveröffentlicht: 
19.08.2014

Hatte das geplante L-IZ-Wahlforum schon im Vorfeld für Debatten vor und hinter den Kulissen gesorgt - Wahkampfstichwort: Nagel (Die Linke) vs. Ulbrich (AfD) - und einen agilen Kasek dazu - entschieden sich zwei Kandidatinnen direkt vor der Veranstaltung, sich nicht in die Debatte begeben zu wollen. Und so stellten sich sieben Vertreter ihrer Parteien der über zweistündigen Diskussion und den Fragen der Wähler. Einen Feueralarm, wenig später eine Ampulle Buttersäure und freundliche Feuerwehrleute mit einem mächtigen Gebläse gab es am 18. August im Haus der Demokratie noch oben drauf.

 

Die in den letzten Tagen angebrochene Debatte über Sinn oder Unsinn, sich mit Kandidaten der AfD in Gesprächsrunden, Parlamenten und Diskussionsformaten vor der Landtagswahl am 31. August 2014 auseinanderzusetzen oder eben nicht, ist eigentlich schon vorbei. Zumindest für die L-IZ. Denn die gestrige Podiumsdiskussion rings um Zuwanderung, Polizeireform, Legalisierung von Drogen, die Finanzierung von Bildung, Kita-Ausstattungen und Neueinstellungen von Lehrern in Sachsen hat wunderbar geklappt. Den Videomitschnitt der Debatte gibt es unten anbei.

Soviel dazu: Andreas Mölzer (ehem. FPÖ) wird nach der Einladung der Leipziger AfD am 21. August nun doch nicht in Leipzig sprechen, ein Augenleiden soll der Grund für die Absage der gescheiterten EU-Kandidaten gewesen sein. Eine andere Erklärung der Absage der Leipziger Rede des Rechtspopulisten lautet: es sei selbst der AfD-Landesführung zu heiß gewesen, hier mit einem Mann in Verbindung zu sein, der selbst in der rechtspopulistischen FPÖ vom rechten Rand fiel. Wie zersplittert die AfD in Sachsen ist, zeigt sich auch an diesem Hin und Her zwischen den Flügeln, die sich von Ex-CDU über Ex-FDP bis in den rechtsnationalistischen Bereich spannen.

 

Auch die Berichte über die „Mölzer“-Veranstaltung und das Vorgehen der AfD im Wahlkampf in der L-IZ hatten Wirkung gezeigt, viele große Medien waren in der vergangenen Woche auf das Thema unserer Zeitung aufmerksam geworden und hatten nachgefragt, berichtet und sich so nochmals eingehender mit der sächsischen AfD beschäftigt. Die Debatte, ob man öffentlich die Positionen der AfD auch im direkten Gespräch abklopfen sollte oder nicht, ist also vorbei – man sollte, denn so geht Demokratie.

Für die Kandidaten nicht vorbei ist hingegen die direkte Konfrontation der Parteien mit der AfD, also auch nicht für Juliane Nagel (Die Linke), welche gestern nach dem Verlesen eines 2,5-Minuten-Statements nach 10 Minuten das L-IZ-Wahlpodium Süd wieder verließ - als Akt der Abgrenzung von einem Vertreter der AfD. Die Absage von Kathrin Weiss als Kandidatin der Piraten im Wahlkreis 28 aus ähnlichen Gründen erreichte uns kurz vor Veranstaltungsbeginn per E-Mail als Presseinformation der Sächsischen Piraten.

Im neu gewählten Leipziger Stadtrat werden sich vier von den Leipzigern gewählte AfD-Vertreter in Ausschüssen und in den monatlichen Ratsversammlungen wiederfinden. Die Stadtratsarbeit dieser neuen Fraktion wird zeigen müssen, ob zum Guten oder Schlechten für Leipzig. Die im Stadtrat schon länger vertretenen Fraktionen sollten also darüber nachdenken, welche Wege und Möglichkeiten der politischen Auseinandersetzung in Zukunft genutzt werden können. Ein einfaches Aus-dem-Weg-Gehen wird wohl auf Dauer nicht konstruktiv werden. Ob es konstruktiver seitens der Wähler gewesen wäre, die AfD nicht zu wählen, werden die konkreten Ergebnisse zeigen müssen.

 

Sollte es für den einen oder anderen Kandidaten am 31. August nach 18 Uhr zu einem Mandat im Landesparlament gereicht haben, ist noch ungewiss, ob sie dort mit jenen diskutieren dürfen, mit denen Juliane Nagel (Die Linke) und Kathrin Weiss (Piraten) gestern keine Debatte führen wollten.

Ob es dann ebenfalls falsche Feueralarme und Buttersäure in den Fluren des Neuen Rathauses oder des Landtages geben wird oder ob es sich bei der Attacke am gestrigen Abend um ein singuläres Ereignis unbekannter Täter ohne Bezug zu irgendwelchen Parteien oder Kandidaten handelte, ermittelt derzeit der Staatsschutz. Es ist also explizit ausgeschlossen, dass sich die L-IZ an Vermutungen beteiligen wird. Dazu passend ein Zitat, welches uns Frau Nagel wegen der Vorkommnisse am heutigen Abend übersandte:

„Ich habe am 18.8. eine politische Entscheidung getroffen, nämlich nicht an einem Podium mit einem Vertreter der AfD teilzunehmen, der rassistische Äußerungen relativiert und damit gut heißt. Die Achtung der Menschenwürde muss der Konsens einer solchen Debatte sein. Darunter gehts nicht. Dasselbe gilt für Formen des Protestes. Ein Anschlag mit Buttersäure ist für mich in diesem Sinne keine geeignete Form der politischen Auseinandersetzung, egal mit wem“, so Nagel gegenüber L-IZ.de.

Über die weiteren Ermittlungen der Behörden zu diesem Vorfall werden wir wie in anderen Fällen gern berichten, wenn es etwas zu berichten gibt.

Die Veranstaltung selbst ging bis 21:40 Uhr und endete mit den Schluss-Statements der anwesenden Kandidaten "Warum verdiene ich ein Kreuz?". Die Feuerwehr betrat den Veranstaltungssaal im Erdgeschoss des Hauses der Demokratie und informierte die anwesenden Gäste und Podiumsteilnehmer über die aktuelle Lage. Alle Besucher wurden anschließend mit einem kurzen Luftanhalten den etwa 10 Meter langen Weg zum Ausgang begleitet.

Das „Wahlpodium Süd“ am Abend des 18. August wurde also von einem etwa 20-minütigen Feueralarm von ca. 19:25 Uhr bis 19:45 Uhr, welcher ebenso gut auch unbeabsichtigt ausgelöst worden sein konnte, und einer Buttersäurekapsel, die ziemlich sicher nicht unbewusst und aus Versehen direkt an der Eingangstür des Veranstaltungsraumes gelandet war, flankiert.

 

Ein Dank am Schluss

 

An dieser Stelle möchten wir uns einfach bedanken. Bei allen Gästen unserer Diskussion am Abend des 18. August. Dafür, dass sie sich mit uns gemeinsam konzentriert durch einen (Fehl-)Alarm der Brandschutzanlage arbeiteten, gegen Ende das Aufheulen eines Windgebläses im Haus der Demokratie lächelnd hinnahmen und sich mit uns zusammen durch eine doch recht streng riechende Geruchswolke auf die Straße begaben.

 

In diesem Zusammenhang ebenfalls ein Dank an die freundliche Zwei-Mann-Truppe der Polizei und ein paar mehr Männer der Feuerwehr Leipzigs. Diesen gebührt auch unser Dank dafür, dass es in Leipzig so etwas wie stoische Ruhe und kluge Entscheidungen im Sinne einer wehrhaften Demokratie gibt.

Dass nicht alle Themen so ausführlich im Rahmen so einer Wahlkampfveranstaltung besprochen werden konnten, ist nachvollziehbar. Die Redaktion der L-IZ hat sich im Vorfeld bemüht, unter Einbeziehung der von den Lesern übersandten Fragen vor allem Themen zu setzen, die bisher noch nicht bei Podiumsdiskussionen in Leipzig, z.B. der IHK, des DGB und des BUND besprochen wurden. So wurden aus Zeitgründen eben auch spannende Themen wie die Wirtschaftsförderung des Mittelstandes und der Kleinunternehmer, der Mindestlohn und der Naturschutz weitestgehend von uns ausgeklammert.

Besonderen Dank für die Ruhe, den Humor und das offene Gespräch an die Kandidaten, welche mit uns diskutierten. Hier also: Thomas Kumbernuß (Die PARTEI), Karsten Kietz (Freie Wähler), Jürgen Kasek (B90/Die Grünen), Dr. Maximilian Rinck (SPD), René Hobusch (stellvertretend für Philip Perduß, FDP), Roland Ulbrich (AfD) und Robert Clemen (CDU).