Hatte das geplante L-IZ-Wahlforum schon im Vorfeld für Debatten vor und hinter den Kulissen gesorgt - Wahkampfstichwort: Nagel (Die Linke) vs. Ulbrich (AfD) - und einen agilen Kasek dazu - entschieden sich zwei Kandidatinnen direkt vor der Veranstaltung, sich nicht in die Debatte begeben zu wollen. Und so stellten sich sieben Vertreter ihrer Parteien der über zweistündigen Diskussion und den Fragen der Wähler. Einen Feueralarm, wenig später eine Ampulle Buttersäure und freundliche Feuerwehrleute mit einem mächtigen Gebläse gab es am 18. August im Haus der Demokratie noch oben drauf.
Die in den letzten Tagen angebrochene Debatte über Sinn oder Unsinn,
sich mit Kandidaten der AfD in Gesprächsrunden, Parlamenten und
Diskussionsformaten vor der Landtagswahl am 31. August 2014
auseinanderzusetzen oder eben nicht, ist eigentlich schon vorbei.
Zumindest für die L-IZ. Denn die gestrige Podiumsdiskussion rings um
Zuwanderung, Polizeireform, Legalisierung von Drogen, die Finanzierung
von Bildung, Kita-Ausstattungen und Neueinstellungen von Lehrern in
Sachsen hat wunderbar geklappt. Den Videomitschnitt der Debatte gibt es
unten anbei.
Soviel dazu: Andreas Mölzer (ehem. FPÖ) wird nach der Einladung der
Leipziger AfD am 21. August nun doch nicht in Leipzig sprechen, ein
Augenleiden soll der Grund für die Absage der gescheiterten
EU-Kandidaten gewesen sein. Eine andere Erklärung der Absage der
Leipziger Rede des Rechtspopulisten lautet: es sei selbst der
AfD-Landesführung zu heiß gewesen, hier mit einem Mann in Verbindung zu
sein, der selbst in der rechtspopulistischen FPÖ vom rechten Rand fiel.
Wie zersplittert die AfD in Sachsen ist, zeigt sich auch an diesem Hin
und Her zwischen den Flügeln, die sich von Ex-CDU über Ex-FDP bis in den
rechtsnationalistischen Bereich spannen.
Auch die Berichte über die „Mölzer“-Veranstaltung und das Vorgehen der
AfD im Wahlkampf in der L-IZ hatten Wirkung gezeigt, viele große Medien
waren in der vergangenen Woche auf das Thema unserer Zeitung aufmerksam
geworden und hatten nachgefragt, berichtet und sich so nochmals
eingehender mit der sächsischen AfD beschäftigt. Die Debatte, ob man
öffentlich die Positionen der AfD auch im direkten Gespräch abklopfen
sollte oder nicht, ist also vorbei – man sollte, denn so geht
Demokratie.
Für die Kandidaten nicht vorbei ist hingegen die direkte Konfrontation
der Parteien mit der AfD, also auch nicht für Juliane Nagel (Die Linke),
welche gestern nach dem Verlesen eines 2,5-Minuten-Statements nach 10
Minuten das L-IZ-Wahlpodium Süd wieder verließ - als Akt der Abgrenzung
von einem Vertreter der AfD. Die Absage von Kathrin Weiss als Kandidatin
der Piraten im Wahlkreis 28 aus ähnlichen Gründen erreichte uns kurz
vor Veranstaltungsbeginn per E-Mail als Presseinformation der
Sächsischen Piraten.
Im neu gewählten Leipziger Stadtrat werden sich vier von den Leipzigern
gewählte AfD-Vertreter in Ausschüssen und in den monatlichen
Ratsversammlungen wiederfinden. Die Stadtratsarbeit dieser neuen
Fraktion wird zeigen müssen, ob zum Guten oder Schlechten für Leipzig.
Die im Stadtrat schon länger vertretenen Fraktionen sollten also darüber
nachdenken, welche Wege und Möglichkeiten der politischen
Auseinandersetzung in Zukunft genutzt werden können. Ein einfaches
Aus-dem-Weg-Gehen wird wohl auf Dauer nicht konstruktiv werden. Ob es
konstruktiver seitens der Wähler gewesen wäre, die AfD nicht zu wählen,
werden die konkreten Ergebnisse zeigen müssen.
Sollte es für den einen oder anderen Kandidaten am 31. August nach 18
Uhr zu einem Mandat im Landesparlament gereicht haben, ist noch
ungewiss, ob sie dort mit jenen diskutieren dürfen, mit denen Juliane
Nagel (Die Linke) und Kathrin Weiss (Piraten) gestern keine Debatte
führen wollten.
Ob es dann ebenfalls falsche Feueralarme und Buttersäure in den Fluren
des Neuen Rathauses oder des Landtages geben wird oder ob es sich bei
der Attacke am gestrigen Abend um ein singuläres Ereignis unbekannter
Täter ohne Bezug zu irgendwelchen Parteien oder Kandidaten handelte,
ermittelt derzeit der Staatsschutz. Es ist also explizit ausgeschlossen,
dass sich die L-IZ an Vermutungen beteiligen wird. Dazu passend ein
Zitat, welches uns Frau Nagel wegen der Vorkommnisse am heutigen Abend
übersandte:
„Ich habe am 18.8. eine politische Entscheidung getroffen, nämlich nicht
an einem Podium mit einem Vertreter der AfD teilzunehmen, der
rassistische Äußerungen relativiert und damit gut heißt. Die Achtung der
Menschenwürde muss der Konsens einer solchen Debatte sein. Darunter
gehts nicht. Dasselbe gilt für Formen des Protestes. Ein Anschlag mit
Buttersäure ist für mich in diesem Sinne keine geeignete Form der
politischen Auseinandersetzung, egal mit wem“, so Nagel gegenüber
L-IZ.de.
Über die weiteren Ermittlungen der Behörden zu diesem Vorfall werden wir
wie in anderen Fällen gern berichten, wenn es etwas zu berichten gibt.
Die Veranstaltung selbst ging bis 21:40 Uhr und endete mit den
Schluss-Statements der anwesenden Kandidaten "Warum verdiene ich ein
Kreuz?". Die Feuerwehr betrat den Veranstaltungssaal im Erdgeschoss des
Hauses der Demokratie und informierte die anwesenden Gäste und
Podiumsteilnehmer über die aktuelle Lage. Alle Besucher wurden
anschließend mit einem kurzen Luftanhalten den etwa 10 Meter langen Weg
zum Ausgang begleitet.
Das „Wahlpodium Süd“ am Abend des 18. August wurde also von einem etwa
20-minütigen Feueralarm von ca. 19:25 Uhr bis 19:45 Uhr, welcher ebenso
gut auch unbeabsichtigt ausgelöst worden sein konnte, und einer
Buttersäurekapsel, die ziemlich sicher nicht unbewusst und aus Versehen
direkt an der Eingangstür des Veranstaltungsraumes gelandet war,
flankiert.
Ein Dank am Schluss
An dieser Stelle möchten wir uns einfach bedanken. Bei allen Gästen unserer Diskussion am Abend des 18. August. Dafür, dass sie sich mit uns gemeinsam konzentriert durch einen (Fehl-)Alarm der Brandschutzanlage arbeiteten, gegen Ende das Aufheulen eines Windgebläses im Haus der Demokratie lächelnd hinnahmen und sich mit uns zusammen durch eine doch recht streng riechende Geruchswolke auf die Straße begaben.
In diesem Zusammenhang ebenfalls ein Dank an die freundliche
Zwei-Mann-Truppe der Polizei und ein paar mehr Männer der Feuerwehr
Leipzigs. Diesen gebührt auch unser Dank dafür, dass es in Leipzig so
etwas wie stoische Ruhe und kluge Entscheidungen im Sinne einer
wehrhaften Demokratie gibt.
Dass nicht alle Themen so ausführlich im Rahmen so einer
Wahlkampfveranstaltung besprochen werden konnten, ist nachvollziehbar.
Die Redaktion der L-IZ hat sich im Vorfeld bemüht, unter Einbeziehung
der von den Lesern übersandten Fragen vor allem Themen zu setzen, die
bisher noch nicht bei Podiumsdiskussionen in Leipzig, z.B. der IHK, des
DGB und des BUND besprochen wurden. So wurden aus Zeitgründen eben auch
spannende Themen wie die Wirtschaftsförderung des Mittelstandes und der
Kleinunternehmer, der Mindestlohn und der Naturschutz weitestgehend von
uns ausgeklammert.
Besonderen Dank für die Ruhe, den Humor und das offene Gespräch an die
Kandidaten, welche mit uns diskutierten. Hier also: Thomas Kumbernuß
(Die PARTEI), Karsten Kietz (Freie Wähler), Jürgen Kasek (B90/Die
Grünen), Dr. Maximilian Rinck (SPD), René Hobusch (stellvertretend für
Philip Perduß, FDP), Roland Ulbrich (AfD) und Robert Clemen (CDU).