Ein Anschlag in einem Kabelschacht legte Teile Berlins offline. Der Staatsschutz ermittelt. Klar ist: Glasfaserkabel werden immer wichtiger – können allerdings nur bedingt geschützt werden.
Plötzlich ging nichts mehr. In der Nacht waren die Einbrecher in einen Kabelschacht in Berlin-Charlottenburg eingestiegen. Dort kappten sie die dünnen Glasfaserkabel. 160.000 Haushalte in mehreren Bezirken waren am vergangenen Wochenende bis zu 14 Stunden offline, ohne Internet, Telefon, Fernsehen – abgeschlossen vom Leben in der digitalen Welt.
Glasfaserkabel werden zu Lebensadern der Moderne. Die Zahl der Privathaushalte ohne Internet schrumpft auf ein Minimum. Ein stabiler und schneller Anschluss ist für Unternehmen mittlerweile unerlässlich. Der Vorfall vor ein paar Tagen zeigt nun, wie anfällig dieser Alltag ist.
Das Heikle daran: Mit dieser Gefahr wird man leben müssen. Kabelnetzbetreiber können ihre Infrastruktur nicht in vollem Umfang schützen. "Mit entsprechend hoher krimineller Energie lassen sich auch die besten Schutzmaßnahmen außer Kraft setzen", erklärt ein Sprecher der Deutschen Telekom auf Anfrage. Bei Vodafone heißt es, "absoluter Schutz vor mutwilliger Beschädigung" sei bei einem Netz, das 400.000 Kilometer umfasst, "nicht möglich". Kabel Deutschland vertritt dieselbe Meinung. Und aus hochrangigen Sicherheitskreisen hört man, das Kabelnetz bleibe weiterhin ein potenzielles Angriffsziel.
Sicherheitsdienste müssen Kabel bewachen
In den vergangenen Jahren gab es an verschiedenen Orten in der Republik Manipulationen an Kabeln. Gleich mehrfach schlugen Täter in Leipzig zu. Zehntausende Einwohner waren jeweils betroffen. Der Schaden betrug etwa eine Million Euro. Vodafone setzte eine Prämie von 10.000 Euro aus, um die Angreifer zu finden. Zusätzlich bewachte ein privater Sicherheitsdienst die Kabel. Die Täter wurden nie gefasst.
Der Berliner Vorfall besitzt eine besondere Brisanz. Weil eine politische Motivation der Täter nicht ausgeschlossen werden kann, ermittelt der Staatsschutz. Ein Bekennerschreiben ist bislang aber nicht aufgetaucht – anders als bei einem Vorfall, der schon ein paar Jahre zurückliegt. Im Mai 2011 traf ein gezielter Brandanschlag die Berliner Bahn. Betroffen waren nicht nur der Nah- und Fernverkehr, sondern auch Kunden von Vodafone, die erst einmal nicht mehr telefonieren konnten.
Am Tatort fanden Polizisten erste Hinweise auf einen politisch motivierten Anschlag. Im Internet tauchte schließlich ein Schreiben auf, das als authentisch eingestuft wurde. Der Fall wurde dennoch nicht aufgeklärt. Unerkannt blieben die Täter auch, als im vergangenen Jahr in Berlin-Adlershof ein Anschlag auf einen Vodafone-Funkmast verübt wurde.
Mit vielen Maßnahmen den Schutz erhöht
Der Kabelnetzbetreiber hat in den vergangenen Jahren stetig seine Schutzmaßnahmen erhöht. Die Zugänge zu den Glasfasern werden beispielsweise mit schweren Schlössern und Türen gesichert. Videokameras überwachen verschiedene Standorte. Insgesamt versuchen die Betreiber, dass nicht zu viele Details über das Kabelnetz und besondere Standorte an die Öffentlichkeit gelangen – und sie verlegen vielfach verzweigte Kabelwege, damit die Daten auch bei punktuellen Störungen "relevante Einrichtungen" über eine andere Route erreichen können, wie die Telekom mitteilt.
Unterstützung erhält die Wirtschaft aus der Politik. "Die Bundesregierung hat sich mit ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, den Schutz kritischer Infrastrukturen stetig zu verbessern, und unterstützt dabei die Betreiber", sagt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Dieses Ziel verfolge seit ein paar Jahren unter anderem die öffentlich-private Partnerschaft "UP Kritis" zwischen Regierung und großen Unternehmen. Laut Sprecher würden hier die Kräfte gebündelt, um unter anderem mit Blick auf Attacken gegen das Netz wie jetzt in Berlin "besser gewappnet zu sein".
Der Betreiber geht von Vandalismus aus
Aktuell zielt die Regierung aber vor allem darauf ab, sich gegen sogenannte Cyberattacken im Netz zu schützen. Im Rahmen der Digitalen Agenda, die am Mittwoch vorgestellt wird, ist auch ein IT-Sicherheitsgesetz geplant. Ein Referentenentwurf, der in Kürze vorgestellt wird, sieht nach Informationen dieser Zeitung unter anderem vor, dass Unternehmen erhebliche Online-Angriffe melden müssen und bestimmte Sicherheitsstandards einhalten müssen.
Im Zuge der aktuellen Manipulation in Charlottenburg rätseln Ermittler und Kabel Deutschland weiterhin, wer dahintersteckt. Im Vorfeld gab es keinerlei Drohungen. "Insofern gehen wir von Vandalismus aus", so ein Sprecher. Möglich seien aber auch Diebesbanden, die seit Jahren Jagd auf wertvolle Kupferteile machen, ganze Dächer abdecken oder auf Friedhöfen plündern – und manchmal zum Leidwesen vieler erst spät merken, dass sie an Glasfaserkabel geraten sind.